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Wien
25. November 88
Lieber Siegfried Unseld,
wenn Sie, wie Ihr Telegramm lautet, »nicht mehr können«, dann streichen Sie mich aus Ihrem Verlag und aus Ihrem Gedächtnis.
Ich war sicher einer der unkompliziertesten Autoren, die Sie jemals gehabt haben.1
Ihr Sie sehr respektierender
Thomas Bernhard
1 Das ist nicht das Schlußwort zwischen Th. B. und S. U. Am 28. Januar 1989 – und damit fast genau zwei Wochen vor dem Tod von Th. B. – kommt es zu einem letzten Treffen in Salzburg, das S. U. im Reisebericht Salzburg, Samstag, 28. Januar 1989 dokumentiert:
»Es war neblig trüb am Morgen, als das Flugzeug startete, doch dann flog das Flugzeug stets über einer Wolkendecke, die die Sonne stark reflektierte und mich geradezu doppelt, von oben wie von unten, blendete. Blind-Sinkflug nach Salzburg, plötzlich war der Flughafen da, hell und dunkel. Das Schöne und das Gefährliche gemischt.
Um 11 Uhr war ich mit Thomas Bernhard im ›Sheraton‹ verabredet. Als ich vor dem Hotel mit dem Taxi hielt, meldete das Österreichische Radio ›soeben 11 Uhr‹:
Er saß in der Halle, elegant englisch gekleidet, modisches rostrot-gestreiftes Hemd. Er spielte den reizenden und witzigen Charmeur, ich brachte ihm in einer Plastiktüte Calzium-Tabletten aus Spanien und einen Umschlag aus Frankfurt. Die Tabletten gibt es zwar in der Substanz, aber im Geschmack nicht in Österreich, er brauche diese Calzium-Tabletten, um seine Krämpfe abzufangen. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes reserviert, wartete auf Erklärungen; er aber blieb bei seiner bemüht-witzigen Haltung. Er habe damit gerechnet, daß ich trotz AUA pünktlich dasein werde, seinem Bruder habe er erzählt, ich sei der pünktlichste Mensch der Welt. Um 14 Uhr würde ihn sein Bruder wieder abholen, was wir in drei Stunden nicht besprechen könnten, könnten wir überhaupt nicht besprechen. Ob ich den Nachruf auf DalÕ in der ›FAZ‹ gelesen habe? Ja, dieser sei schon ein Exzentriker gewesen, ihm würde ja auch nachgerufen, er sei ein Exzentriker, aber dabei sei er der normalste Mensch. Man würfe ihm vor, er habe Skandale angezettelt. Thomas Bernhard hatte schon gelesen, was auch ich im Flugzeug las: in der ›SZ‹ vom Tage sagte Tadeusz Rozewicz: ›Ich mache keine Skandale wie zum Beispiel Thomas Bernhard. Davon halte ich nichts.‹ Man werfe ihm Skandale vor, aber dabei läge er ja in Gmunden in seiner Wohnung und sei nicht mehr fähig, auszugehen. Natürlich habe er selber alle Fehler gemacht, seine Gesundheit beschädigt. So etwa, als er im Flughafen in MÄlaga Max Frisch getroffen habe: damals, Ende Dezember 1988, seien alle Maschinen wegen Streik ausgefallen, nur die Swiss Air sei geflogen. Frisch habe sehr komisch ausgesehen, gekleidet wie ein Typ zwischen einem Clochard und einem gestrandeten Fischer; er trug einen schweren Korb, wahrscheinlich mit Weinflaschen, und Bernhard wollte ihm helfen, diesen Korb zu tragen, ahnte aber nicht, wie schwer er sei. Das sei ihm übel ausgegangen, aber Frisch habe einfach furchtbar ausgesehen, nicht als ein Mann, der von einem Sanatorium käme, sondern in ein Sanatorium müsse. Im übrigen habe Frisch ihn gefragt, er habe während des Aufenthaltes die ersten Seiten von ›Heldenplatz‹ gelesen, wann die Uraufführung dieses Stückes sei? Wer nahm hier wen auf den Arm?
Nach den ersten zehn Minuten gingen wir an einen anderen Ort im Hotel, und er kam ›zum Punkt‹. Er übergab mir den Vertrag, den er mit dem Residenz Verlag am 13. Dezember 1988 in Torremolinos abgeschlossen hat. (Es ist anzunehmen, daß Dr. Jochen Jung nach Torremolinos kam, denn ausdrücklich ist eingangs, in der Mitte und am Schluß Torremolinos erwähnt.) Der Vertrag ist in jeder Zeile ein Unikum. Er übergab dem Residenz Verlag sein Werk ›In der Höhe. Rettungsversuch, Unsinn‹ ›in einer einmaligen, vom Autor in ganz bestimmter gewünschter Form und in unbeschränkter Auflage‹. Fremdsprachige Ausgaben darf der Residenz Verlag abschließen. Außer diesen beiden Rechten hat er kein anderes Recht. ›Der Autor verzichtet ausdrücklich auf sämtliche finanziellen Einnahmen aus diesen beiden einmaligen Rechten und bestimmt, daß aus diesen Einnahmen keine wie immer gearteten Spenden oder Zuwendungen an Personen oder Institutionen geleistet werden dürfen.‹
Am 13. Juni 1990 fallen die Rechte zurück.
Ich habe Bernhard erklärt, daß der Vertrag zwar eine Eindeutigkeit habe, aber vieldeutig auszulegen sei, denn zumindest theoretisch kann der Residenz Verlag in dieser einmaligen unbeschränkten Auflage 100 000 Exemplare drucken und sie ewig ›ausverkaufen‹. Aber das war nicht das Entscheidende, warum habe er nicht in den Vertrag die Bedingung aufgenommen, daß damit auch die Rechte der anderen fünf Residenz-Titel zurückfallen sollten? Das wollte er nicht hören, und so kam sogleich eine mißliche Stimmung auf. Er verstünde meine Reaktion nicht, irgendwie müsse ich in der Lage sein, die Rechte dem Residenz Verlag abzukaufen. Ich habe ihm erklärt, daß aufgrund dieses neuen Vertrages solches kaum mehr möglich sei.
Aber man merkte ihm auch an, daß ihn dies im Hinblick auf seine persönliche Situation nicht mehr, zumindest nicht mehr vordringlich interessierte. Das sei meine Sache, und in Zukunft würde sich das regeln. Und dann schilderte er seine neue Situation: ›In hora mortis‹.
Er glaube, daß er dieses Jahr nicht überleben werde. Seine Herzschwäche, verbunden mit einer immer deutlicheren Erweiterung des Herzens, werde immer beschwerlicher. Operationen kämen nicht mehr in Frage, es sei denn, man mache eine Herztransplantation. Dieses aber lehne er ab. Er wolle überhaupt nicht mehr ins Krankenhaus, schon gar nicht mehr in eine Intensivstation und an Schläuchen hängen. […] ›Ich gehe, wie ich gekommen bin, unbemerkt. Niemand soll von meinem Tod erfahren, beim Begräbnis sollen nur mein Bruder und meine Schwester anwesend sein, wenn diese dies wollen. Burgel Zeeh wird eine Woche später benachrichtigt.‹
Er müsse sich in die Situation einfinden, und er könne dies ja auch. Im Grunde genommen sei in seinem Leben alles hervorragend gelaufen. Was er angefaßt habe, habe sich in Gold verwandelt, in diesem Punkt sei er Siegfried Unseld gleich. Siegfried Unseld: ja, zu 90% sei er ihm sympathisch und freundschaftlich verbunden, für 10% machen er und der Verlag Scheußlichkeiten, aber es sind glücklicherweise eben nur 10%, und nach ihm käme gleich Burgel Zeeh. Im Grunde die Einzigen. Ja, er klage nicht, er habe alles erreicht, mehr könne man doch kaum erreichen. ›Das Leben ist wunderbar, die Welt großartig, wir leben in einer großen Zeit.‹
Im übrigen wolle er alles vernichten, es gäbe keinen Nachlaß.
Die Frage nach ›Neufundland‹. Ja, das Manuskript sei da, aber er müsse da noch einmal ran, und wahrscheinlich reize es ihn nicht, er könne nicht mehr mit seinen gichtigen Fingern Maschine schreiben, vielleicht noch diese oder jene Notiz mit Bleistift im Bett sitzend. […]
Als ich ihn bedränge, er möchte doch seine eigene Situation schreibend darstellen, so wie Proust es ja auch gemacht habe: Ja, den Drang zu schreiben habe er noch, ›ich könnte noch hundert Bücher schreiben, aber ich kann es nicht mehr‹.
Wie ich mir die Verwaltung seines literarischen Nachlasses vorstelle? Ich entwickele ihm die alte Idee eines dreiköpfigen Gremiums, ein Erbe, ich und ein Kritiker oder ein dem Werk Bernhards ›Aufgeschlossener‹. Darüber lachte er nur. Es gäbe keinen Kritiker und keinen dem Werk Bernhards Aufgeschlossenen. Er wolle dies auch nicht haben, sondern er wünschte sich, daß sein Bruder und ich gemeinsam diesen Nachlaß verwalten sollten, wobei er seinem Bruder gesagt habe, er warne ihn vor mir, ich sei der raffinierteste Geschäftsmann, dem man mißtrauen muß, aber andererseits brauche der Bruder nichts zu tun, weil er, Bernhard, der Meinung sei, ich mache letztlich die Sache doch zum Besten, und es hätte sich herausgestellt, das, was Bernhards Bestes sei, auch Unselds geworden ist oder / und umgekehrt. […]
Dann kam er auf Nathal (Ohlsdorf) zu sprechen, seinen Vierkanthof, sein Hauptdomizil, seinen Arbeitsplatz, wahrscheinlich seine eigentliche Heimat. Jetzt könne er nicht mehr zurück, es sei zu mühsam dort. Er könne überhaupt seine Wohnung nicht verlassen, selbst zum Essen müsse er geführt werden oder Essen müsse ihm gebracht werden. Ich könnte mir das gar nicht vorstellen. Heute sei die große Ausnahme, er sei aufgeregt, erregt, eine Erregung, die ihn aufrecht hielte.
Nathal – ich spürte, wie er auf diesen Punkt zielte —, Nathal, das wolle er in meine Hand legen, hören, was ich sage. Sage ich Nein, so würde er es eben auch an seine Verwandten geben.
Nathal also wollte er Siegfried Unseld hinterlassen. Nathal, das Gebäude, das Grundstück und die ihm gehörenden Wiesen, Felder und ein Stück Wald, insgesamt sei dies 2 Millionen DM wert, und – oh überraschendes Wunder – ich sollte dies zu einem Bernhard-Museum gestalten! Am besten wäre es, wenn man in einigem Abstand zum Haus ein kleines ›Häuserl‹ errichtete, wo ein Verwalter und die, die im Museum arbeiten wollten, wohnen könnten. Was sollen das für Leute sein, die da wohnen und arbeiten, fragte ich? Ja, nun einmal ein Verwalter, der nach dem Rechten schaut, und dann Leute, die sich vielleicht um sein Werk kümmern sollten, aber es bräuchten nicht nur Wissenschaftler sein, die das Werk von Thomas Bernhard erforschten, es könnten auch andere Gegenstände erforscht werden. Vielleicht sei es einfach wichtig, daß Leute Aufenthalt auf dem Land hätten. Ich fragte ihn, warum man da ein Haus bauen müsse, der Hof sei doch groß genug. Ja, das sei richtig, aber er wolle eben alles unangetastet lassen, es solle so bleiben, wie es jetzt ist. Ich meinte, daß doch Platz genügend sei, daß die zwei, drei Leute, um die es sich handelt, auch untergebracht werden könnten. Damit war er schließlich auch einverstanden. Wichtig sei eben, daß der ›Hausstock‹, sein eigentliches Wohngebiet, unberührt bliebe. Alles andere sei ja nicht so wichtig, aber das sollte erhalten werden. Und ich könnte sicher sein, daß das ungeheuer beachtet würde. Es gäbe ja keinen Schriftsteller in diesem Jahrhundert, dessen Wohn- und Arbeitsstätte tradiert sei! Er sei nun einmal in dieser Situation und Rolle. Schließlich sei er sicher, daß nach seinem Tode eine neue Renaissance für seine Werke käme. Überhaupt Renaissance und Wirkung: sein Werk sei nicht genügend unter die Leute gebracht, der Suhrkamp Verlag habe zu wenig getan, er habe keine Werbung gemacht und zum Beispiel im Falle ›Heldenplatz‹ die riesige Publizität nicht ausgenützt und keine Anzeige (er sagte: ›keine der bekannten Streifenanzeigen‹) gemacht! Warum habe der Suhrkamp Verlag ihn bei dem es-Jubiläumsprogramm nicht besonders erwähnt, schließlich sei er Autor der edition suhrkamp! Thomas Bernhard war nicht zu halten. Und er sähe schon, wie omnibusweise die Leute da kommen würden. Und ich bräuchte doch einfach Eintritt zu erheben, um das Museum wirtschaftlich gestalten zu können.
Was soll man in dieser Situation einem Autor antworten? Die Idee sei bestechend, aber die Realisierung schwierig. […]
Als wir soweit im Gespräch waren, wechselten wir das Lokal, gingen in das große Restaurant, aßen eine Kleinigkeit zu Mittag. Er immer wieder unter Betonung, wie schwer ihm das physisch fiele, er könne nur noch einen kleinen Schluck Bier trinken, sonst nur Mineralwasser, keinen Tee, keinen Kaffee. Sein Herz vertrüge nichts mehr. Alle Genußmittel seien ihm verboten bzw. sie würden zum letalen Ende führen. Immer wieder kam er auf Nathal zu sprechen. Nein, Autoren sollte ich dort nicht unterbringen. Autoren seien unfähig, sich in andere hineinzuversetzen, und jeder meinte, er sei der Größte. So wie DalÕ ja auch meinte, er sei größer als Picasso. Sieht aber Thomas Bernhard nicht selbst sich als den Größten? Immer wieder kam er auf Max Frisch zurück und seine Frage, wann die Uraufführung von ›Heldenplatz‹ sei. So seien Autoren.
Frage nach meinem persönlichen Ergehen, nach dem Duo in der Klettenbergstraße, nach Burgel Zeeh, nach Fellinger, der ja doch wohl immer noch Handke lektoriere. Beckett sei schließlich der Einzige. Ich zeigte ihm das Titelblatt von ›Theater heute‹ Dezember 1988 mit der riesigen Unterschrift: Beckett. Bernhard. Koltès. Paris. London. Wien: ›Sehen Sie, sehen Sie. Man muß nur sterben, dann wird man berühmt.‹
Es war kurz vor 14 Uhr, mein Flugzeug sollte um 15 Uhr abfliegen. Wir standen auf, baten den Ober um die Mäntel, die er uns beim Eingang abgenommen hatte. Der meinige war noch vorhanden, der Plastiksack mit den Calzium-Präparaten auch, aber Bernhards grüner Lodenmantel, ›handgearbeitet‹, wie er mürrisch vermerkte, war verschwunden. Als ich in das Taxi einsteigen wollte, sah ich den Bruder kommen. Ich fragte ihn, ob Thomas Bernhards Krankheit so sei, wie er sie mir dargestellt habe. Ja, sie sei sehr ernst. Ich brachte dann noch die beiden Brüder zusammen und fuhr los.«
In seinem Eintrag in der Chronik zum Tod von Th. B. kommt S. U. auf dieses letzte Salzburger Treffen zurück; unter dem Datum des 16. Februar heißt es: »Morgens die Nachricht aus Wien, Thomas Bernhard sei schwer erkrankt. […]
Im Verlag, während der Postkonferenz, die Nachricht:
Thomas Bernhard ist tot. Der Anwalt Peyrer, der mir zur Sache der Schwester geschrieben hat, bestätigt die Nachricht (siehe Notiz).
Thomas Bernhard tot. Am Sonntag, dem 12. Februar 1989, gestorben. Die Nachricht trifft um 12 Uhr ein, eben zu dem Zeitpunkt, an dem er begraben wurde. Das wollte ja Thomas Bernhard so, daß niemand Notiz nähme, er hat seinen Willen durchgesetzt, nicht ganz, aber im wesentlichen.
Thomas Bernhard ist tot. Es war zu erwarten und ist doch schwer zu fassen. Ich schreibe, immer wieder unterbrochen, den Nachruf fürs ›Börsenblatt‹, einen Nachruf vielleicht auch für österreichische Zeitungen:
›Thomas Bernhard ist tot. Er starb am Sonntag, dem 12. Februar, in Gmunden und wurde am 16. Februar 1989 in Wien begraben an der Seite seines «Lebensmenschen», über den er geschrieben hat: «Wir sind urplötzlich von dem Menschen getrennt, dem wir im Grunde alles verdanken und der uns tatsächlich alles gegeben hat …» Thomas Bernhard hat alles gegeben. Im Insel Verlag erschien 1963 sein erster Roman «Frost». Der große Schriftsteller hat in ihm seine Poetik beschrieben: «Etwas Unerforschliches zu erforschen. Es bis zu einem gewissen erstaunlichen Grad von Möglichkeiten aufzudecken.» Thomas Bernhard hat dies geleistet, Buch um Buch, Stück um Stück. Von keinem Autor der Gegenwart gingen solche Wirkungen aus, keiner hat, so wie er, die Landschaft der Theater geprägt. Das Leben dieses liebenswürdigen Menschen war eine Gratwanderung, es zielte auf das Ganze und das Vollkommene, wissend, daß das Ganze und Vollkommene nicht auszuhalten ist. «Wenn Sie gern leben wie ich, dann müssen Sie halt in einer Art ständiger Hassliebe zu allen Dingen leben.» Dies gilt auch im Hinblick auf den österreichischen Staat, in dem er lebte: Nähe und Distanz, mehr Liebe als Haß. Österreichische Haltung: einfach, kompliziert. «Ich bin durch und durch glücklich, von oben bis unten, von der linken Hand bis zur rechten, und das ist wie ein Kreuz. Und das ist das Schöne daran.» Der Suhrkamp Verlag trauert um seinen großen Autor. Sein Werk wird leben.‹
Ich spüre, wie diese Nachricht mich doch bewegt, erwartet und doch nicht erwartet. Wie groß die Erleichterung, daß wir uns noch ausgesprochen haben. […]
Am Vormittag langes Telefonat mit dem Bruder von Thomas Bernhard, Dr. Peter Johannes Fabjan. Er erzählt mir, daß er mit Thomas Bernhard am Freitag beim Anwalt in Salzburg war, das Testament sei unterschrieben, also rechtskräftig. Am Samstag seien sie noch in Nathal gewesen. […] Er, der Bruder, habe die Krankheitsgeschichte aufgezeichnet, eine Krankheit, die normalerweise von einem Patienten nur zwei bis vier Jahre überlebt werden könnte. Durch seinen unbändigen Willen und die Hilfe des Bruders hätte er zehn Jahre damit gelebt. In der letzten Zeit aber habe er gespürt, daß er nicht mehr die Kraft habe, zu schreiben, er sei erschöpft gewesen, aber die Nacht habe er geredet und geredet, auch wieder über die Beziehung zu mir; er sei sehr glücklich gewesen, daß diese Beziehung sich so erfüllt habe, und glücklich würde er sterben.
Ich fahre in den Verlag, und dann mittags fliege ich nach Wien. […]
Fahrt zum Friedhof Grinzing. Ich fand das Grab, rote Rosen lagen verstreut darauf, ein Mann, der ebenfalls Rosen ablegte, machte ein Foto: so liegt nun Thomas Bernhard neben, genau über, seinem Lebensmenschen. Ich gedachte seiner herzlich. Mit innerer Genugtuung, das den Österreichern durch meine auffallende Anzeige [in einer halbseitigen Anzeige in der Presse, 18. Februar 1989] gesagt zu haben.«