[103; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
13. Januar 1970
Lieber Herr Bernhard,
in den letzten Tagen ließ ich Ihnen die neuen Verzeichnisse Insel und Suhrkamp für das 1. Halbjahr zugehen sowie einen neuen Prospekt für die Bibliothek Suhrkamp. Bei den älteren Titeln war die »Verstörung« aufgeführt, und wenn Sie ins Preisausschreiben hineinsehen, so wird bei Punkt 2 nochmals auf Ihr Buch indirekt verwiesen. Wir machen also Musik.
Ich schicke Ihnen die Kopien meiner Briefe an Herrn Lietzau und seine Antwort. Wir versuchen, daß wir Hollmann zu einer Regie des Stückes in München bewegen können. Das wird sich aber dann in den nächsten Tagen entscheiden.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
Anlagen1
[Anlage 1; Brief von S. U. an Hans Lietzau]
Herrn Intendant Hans Lietzau
Deutsches Schauspielhaus
2 Hamburg 1
Kirchenallee 29-41
Frankfurt am Main
7. Januar 1970
Verehrter, lieber Herr Lietzau,
ich bedanke mich für Ihren Brief vom 23. Dezember. Da der Verlag bis zum 5. Januar geschlossen war, kann ich Ihnen erst heute antworten.
Wir haben hier als wirklich wichtigsten Vorgang die Situation des Uraufführungstermins für Thomas Bernhards »Ein Fest für Boris« erörtert. Es wurden Gespräche mit den Herren Everding und Hollmann geführt. Ich muß Sie insofern berichtigen, als wir von diesen Herren doch etwas andere Terminierungen hörten. Doch wie auch immer: der Suhrkamp Verlag möchte dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg noch einmal definitiv die Uraufführung einräumen. Sie schreiben von Ende Juni als letztem Termin. Wir wollen diese Angelegenheit ganz präzise machen: der Uraufführungstermin muß spätestens der 30. Juni 1970 sein; wir sind frei, mit anderen Bühnen für Termine vom 1. Juli 1970 an zu verhandeln; wir versuchen durch eine Umdisposition in München noch eine Aufführung im Juli zu erreichen, doch das ist im Moment noch fraglich.
Ich möchte Sie, verehrter, lieber Herr Lietzau, sehr bitten, Ihr ganzes Augenmerk und das ganze Gewicht Ihres Hauses auf diese Uraufführung zu legen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir schon einmal im Hinblick auf die Aufführung bei Ihnen auf eine Aufführungsmöglichkeit in Basel durch Hollmann verzichtet haben. Uns ist wirklich wichtig, daß dieses Stück eines großen Autors in der bestmöglichen Form über die Bühne geht. Ich möchte Sie deshalb herzlich bitten, dem Stück alle Möglichkeiten zu geben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
[Siegfried Unseld]
[Anlage 2; Brief von S. U. an Hans Lietzau]
Herrn Intendant Hans Lietzau
Deutsches Schauspielhaus
2 Hamburg 1
Kirchenallee 29-41
Frankfurt am Main
13. Januar 1970
Sehr verehrter Herr Lietzau,
ich bedanke mich für Ihren Brief vom 10. Januar. Ich hoffe mit Ihnen, daß Sie eine adäquate Aufführung des so wichtigen Stückes bringen können.
Ich werde mich bei meinem nächsten Hamburg-Besuch gerne bei Ihnen melden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
[Siegfried Unseld]
1 Auf dem Durchschlag ist unter dieser Angabe von dritter Seite handschriftlich vermerkt: »Briefe Lietzau v. 23. 12. 69 u. 10. 1. 70 / Briefe Unseld v. 7. 1. u. 13. 1. 70«. Im Briefwechsel zwischen dem Intendanten des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und S. U. geht es um den Termin der Uraufführung von Ein Fest für Boris. Im März 1969 (siehe Anm. 1 zu Brief 65) ist mit dem Hamburger Theater ein Vertrag abgeschlossen worden ohne Nennung eines Datums für die Premiere. Zu Beginn des Dezember 1969 zeichnet sich ab, daß sie erst am Ende der Sommerspielzeit 1970 stattfinden kann. Deshalb verhandelt der Verlag mit Hans Hollmann und den Münchner Kammerspielen über eine mögliche Premiere im Mai 1970. Th. B. selbst schreibt am 14. Dezember 1969 an Ursula Bothe: »Mitte Juni ist der denkbar schlechteste Termin für eine erste Aufführung des ›Boris‹, andrerseits kann ich von hier aus überhaupt nichts unternehmen und ich muss alles gehen und kommen lassen, wie Sie es von Frankfurt aus dirigieren. [. . .] Hamburg wie München sind für mich und mein Stück von dem grössten vorstellbaren Reiz.« Am 18. Dezember 1969 trifft sich S. U. in Hamburg mit dem Chefdramaturgen Ernst Wendt. »Lietzau war nicht in Hamburg. [. . .] Wendt wand sich förmlich für das Theater: es sei die einzige Uraufführung, und sie brauchten sie; er deutete an, daß Peymann wohl nicht inszenieren würde, wenn er nicht die Uraufführung hätte, was ich stark bezweifelte. Ich legte ihm die ›bayerische‹ Situation dar. Er sah ein, daß er rechtlich gegen einen Abschluß mit München nichts einwenden könnte. Doch hat er mir weder versichert, daß die Aufführung in jedem Fall kommt, noch gesagt, daß im anderen Fall die Aufführung in jedem Fall nicht stattfindet.« Daraufhin schreibt Hans Lietzau am 23. Dezember 1969 an S. U. und wirbt um Verständnis für eine Uraufführung Ende Juni 1970.