[334; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
10. März 1976
Lieber Thomas Bernhard,
wir hatten ein melancholisches Zusammensein in Wien. Das hatte nun leider seine Gründe. Aber darüber werden wir wegkommen.1
Zurückgekommen fand ich das erste Exemplar von »Amras« in der Bibliothek Suhrkamp vor. Es gefällt mir sehr, und ich hoffe, Ihnen auch. So sind wir eben, daß wir in der Stille für Sie arbeiten.2
Wir sollten bald wieder in Verbindung treten. Es gibt vielleicht auch für die »Berühmten« noch eine andere Konstellation. Ich komme am Sonntag, dem 21. März 1976, zurück und werde mich danach bei Ihnen melden.3
Ich hoffe, Sie erfreuen sich inzwischen an »Amras«.
Herzliche Grüße,
Ihr
[Dr. Siegfried Unseld]
(nach Diktat verreist)
Helma Marinoff
(Sekretariat)
1 Im Reisebericht Wien, 6.-8. März 1976 schreibt S. U. über die gefährdete Uraufführung von Die Berühmten im Rahmen der Wiener Festwochen:
»Beim Eintreffen im Wiener Hotel erreichte mich ein Telegramm: ›Lage sehr schlecht. Gruß Baumgartner Viennafestival‹. Überall ist in Österreich zur Zeit die Lage sehr schlecht. Fernsehen: drastische Einsparungen und Absagen von Verpflichtungen. Ebenso die Kunst-Szene, wie mir Schmögner dies schilderte.
Ganz besonders katastrophal die Burg-Theater: Drei Stücke mußten verschoben werden und damit auch Probentermine. Durch diese Verschiebungen werden die Schauspieler des Burgtheaters, die für das Bernhard-Stück vorgesehen waren, an den Proben nicht mehr teilnehmen. [. . .]
Herr Baumgartner möchte noch weitere Lösungen probieren, aber die Sache ist aussichtslos und im Grunde genommen auch nicht mehr zu verantworten. Das Festival hat seine bestimmten Termine, und bis dahin sind nicht einmal die Kostüme mehr zu realisieren.
Ich hatte ein sehr eingehendes Gespräch mit Thomas Bernhard über diesen Punkt. Er wollte ja unbedingt die Wiener Aufführung; natürlich ist er bedrückt, daß daraus nichts wird und er nun warten muß. Claus Peymann hatte mir in einem Telefonat erklärt, in jedem Fall ›Die Berühmten‹ machen zu wollen, freilich nicht vor dem Mai 1977. Bernhard ist an sich einverstanden, daß wir Peymann diese Chance geben, aber für ihn ist dieses Stück abgeschlossen, ›erledigt‹, und er hat keine Lust mehr. Er arbeitet an neuer Prosa und auch schon wieder an einem neuen Stück.«2 Amras erscheint am 9. März 1976 als Band 489 in der Bibliothek Suhrkamp.
3 S. U. ist vom 17. bis 21. März auf einer USA-Reise, wo er u. a. die Deutsche Buchausstellung in Los Angeles eröffnet, an der University of Southern California einen Vortrag in deutscher Sprache über Hesse hält und in einem zweiten Vortrag über Literary Publishing in Germany spricht.