[13; Anschrift: Villa Eugenija, Lovran/Jugoslawien]
Frankfurt am Main
13. September 1965
Lieber Herr Bernhard,
ein Verleger ist ein Mann, der gewohnt ist, sich täglich neu von den Überlegungen, Imaginationen und Wünschen seiner Autoren überraschen zu lassen! Ihren römischen Brief habe ich mit Anteilnahme gelesen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Ihnen nach der Geschichte auf der Strada del sole zumute ist. Der alte Satz, media in vita . . . stimmt mehr denn je.
Ich bin schon ein wenig bestürzt, daß Sie jenes Haus, das Sie mir einst als ideales Arbeitsdomizil schilderten, aufgeben wollen. Hauptaufgabe des Verlegers (nachdem Sie eine solche Anspielung nun einmal gegeben haben) ist es doch, dafür zu sorgen, daß der Autor ständig eine gute Arbeitsmöglichkeit hat; ich sah Sie in Ihrem Salzburger Haus gut situiert. Auf die österreichische Staatsbürgerschaft hätte ich an Ihrer Stelle so gepfiffen wie auf jede andere Staatsbürgerschaft, die heutzutage nichts mehr wert ist. Doch wer verkauft Ihnen das Haus? Werden Sie da nicht übers Ohr gehauen? Und denken Sie daran, daß wir Ihnen für den Kauf dieses Hauses ein Darlehen von DM 25.000,- gegeben haben.1
Sehr erfreut bin ich über die Nachricht, daß der neue Roman Ende des Jahres fertig werden kann. Das bedeutet, daß wir das Buch dann in der zweiten Hälfte des Jahres 1966 herausbringen können, und das scheint mir ein guter Termin zu sein. Die »Klimaverschlimmerung« erwarte ich ebenfalls gern. Schicken Sie mir immer alles, was Sie fertig haben.
Mit den besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Siegfried Unseld
1 In einem Brief vom 18. September 1965 teilt Th. B. Karl Ignaz Hennetmair seinen »festen Entschluss« mit, »Nathal zu verkaufen, nicht mehr besitzen zu wollen«, und erteilt diesem die Vollmacht, in seinem Namen zu handeln. Seine Begründung: »Meine Bindung an die Landschaft usf. bleibt eine starke, aber ich habe eingesehen, dass es für mich zu früh ist, mich festzusetzen; ich bin auf einmal fürchterlich unbeweglich; ich verrammle mir alle Möglichkeiten, z. B. Stipendien-Studienreisen nach Amerika, Italien usf.«. Am 12. Oktober 1965 bereits schreibt er demselben Adressaten, er wolle sich »doch nicht ›Hals über Kopf‹ von dem Haus und Hof trennen. [. . .] Es ist soweit gekommen, dass mich Nathal nicht mehr nur unangenehm beschäftigt, wenn ich einschlafe und bevor ich aufwache.« (Thomas Bernhard – Karl Ignaz Hennetmair, S. 24, 42)