[510; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
9. September 1987
Lieber Thomas Bernhard,
Elisabeth Borchers hat mir Ihren Brief vom 1. September und Ihren Wunsch nach einem anderen Schriftgrad für die Gedichte der Christine Lavant übermittelt.1 Wir haben darüber hier im Verlag promoviert, die Sache ist gar nicht einfach.
Zunächst muß ich sagen, daß die Gedichte der Lavant nichts mit Ihren Texten zu tun haben, weder mit »In hora mortis« noch mit »Einfach kompliziert« – und ich sehe es ganz gerne, wenn das nicht so völlig identisch ist. Aber das ist nicht der entscheidende Grund, er liegt woanders: wenn wir eine besonders große Satztype wie z. B. bei »Einfach kompliziert« nehmen, so müssen bei den längeren Zeilen der Gedichte der Lavant mehrfach zuzügliche Zeilenbrechungen gemacht werden. Außerdem laufen dann auch mehrere Gedichte über zwei Seiten.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das Sie sicherlich überzeugen wird. Aber selbstverständlich folgen wir Ihrem Wunsch, machen einen Neusatz und richten uns in der Größe des Neusatzes nun danach, nicht allzuviel Zeilen brechen zu müssen. Ich bin sicher, daß Sie das nicht nur verstehen, sondern gutheißen.2
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
Anlage3
1 Der Brief von Th. B. vom 1. September lautet:
»Liebe Elisabeth Borchers,
die Freude über den Lavant-Umbruch war beim ersten Umblättern schon vorbei, denn der Satz ist nicht der gewünschte: wie der von ›Einfach / Kompliziert‹ in der BS.
Die Gedichte haben mit dem jetzigen kleinen Satz nicht die halbe Wirkung und wenn wir unserer Poetin den besten Start in die ›große‹ Welt geben wollen, müssen wir den Satz nocheinmal genau in der Grösse von ›Einfach / Kompliziert‹ setzen lassen.
Bei Gedichten ist ja die Grösse des Satzes entscheidend für die Wirkung auf den Leser.
Denselben ›Einfach / Kompliziert‹-Satz hatte ich ja auch für mein ›In hora mortis‹ gewünscht und ich weiss jetzt nicht, ob dem tatsächlich entsprochen worden ist.
Ich bitte inständig um einen neuen Satz (möglicherweise beider Bücher) und grüsse Sie mit allen Anzeichen der Verehrung,
Ihr
Thomas Bernhard«2 Burgel Zeeh hält in einer Telefonnotiz am 18. September fest: »Herzliche Grüße an den Verleger und Dank für den Brief. Aber: er bittet sehr um einen Neusatz der Lavant-Gedichte, der Kompromiß gefällt ihm ganz und gar nicht.«
3 Die Anlage hat sich im Nachlaß von Th. B. nicht erhalten.