[38; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
7. November 1967
Lieber Herr Bernhard,
Frau Botond gibt mir eine Notiz, die dreierlei enthält.1 Einmal erfahre ich zu meiner Freude, daß Sie eine neue Erzählung fertig haben, sie jedoch erst im Herbst 1968 veröffentlicht wissen wollen. Das verstehe ich gut, doch erhebt sich die Frage, ob die Veröffentlichung dann vielleicht nicht doch besser im Rahmen der edition suhrkamp erfolgen soll. Wir werden mit Sicherheit 10.-12.000 Exemplare mit einer neuen Erzählung erreichen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß wir uns jetzt, in den nächsten 14 Tagen, entscheiden müssen, denn wir legen dann das Programm für das nächste Jahr fest. Wie denken Sie darüber? Vielleicht könnten Sie uns dann doch den Text der Erzählung schicken?
Sie möchten gern nach Amerika und möchten eingeladen sein. Diese Sache ist ein bißchen schwierig, weil die Amerikaner zur Zeit ihre Einladungen stark gedrosselt haben. Die Einladung durch deutsche Kulturstellen hat bei Ihnen Schwierigkeiten, die in Ihrem österreichischen Paß begründet sind. Ich fahre nun diese Woche nach Bonn und spreche hier mit einigen Kulturleutchen der Regierung. Vielleicht kann ich etwas erreichen. Und das Dritte:
Ich erfahre, daß Sie den Vertrag über »Verstörung« noch nicht unterzeichnet haben, und zwar stoßen Sie sich an der Optionsklausel. Ich verstehe Sie durchaus, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Sie etwa nicht bereit sind, Ihre nächsten Manuskripte dem Insel Verlag anzubieten. Und ich weiß auch aus meiner großen Erfahrung in diesem Punkt, daß ein Zwang dieser Art in der Regel keine förderliche Wirkung hat. Doch bin ich mit meinen Autoren immer so verblieben, daß ich sagte, es gibt eine gegenseitige Treue, und die bekundet sich darin, daß ich mich verpflichte, mich für die kommenden Bücher einzusetzen, und dem gegenüber steht auch dann die freiwillige Verpflichtung des Autors, das nächste Manuskript dem Verlag zu übergeben. Sie wissen, daß eine Option, die nicht mit einer Optionssumme unterbaut ist, keine einklagbare Kraft hat. Insofern sind Sie durchaus frei, und ich kann Ihnen noch folgendes versichern, daß es bisher keinen Fall gegeben hat, daß ein Autor, der wegwollte, von mir aus wegen einer solchen Optionsklausel nicht freigegeben worden wäre. Das hat es nie gegeben, und ich hoffe, es wird auch für die Zukunft so bleiben. Und, lieber Herr Bernhard, ich darf Sie erinnern, daß der Insel Verlag Ihnen gegenüber gewaltige Vorleistungen aufgebracht hat. Ich wäre ein schlechter Wahrer der Interessen des Hauses, wenn ich in diesem Ihrem speziellen Fall leicht darüber hinwegsehen könnte. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Im übrigen kann ich nur immer wieder sagen, wie sehr ich mich freue, daß ich Sie verlegen kann, und Sie dürfen sicher sein, daß sich das ganze Haus auch sehr um die Verbreitung Ihres Werkes bemüht hat und bemühen wird.
Schönste Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Anneliese Botond hält in einer Aktennotiz vom 6. November 1967 fest: »Die Erzählung ist fertig, doch würde Bernhard sie lieber erst im Herbst 1968 veröffentlicht wissen (Veröffentlichungen nicht so rasch nacheinander), den Roman dann im Herbst 1969. Er glaubt, den Roman in diesem Sommer abschließen zu können. Bernhard möchte gern in der ersten Hälfte des kommenden Jahres für ein paar Monate nach Amerika. Er fragt, ob wir ihm zu einer Einladung verhelfen können (durch das Goethe-Haus, Victor Lange oder andere Germanisten in Amerika, Ford-Foundation?). Er will den Vertrag über ›Verstörung‹ sofort unterzeichnen – aber ohne die Optionsklausel. Er will seine nächsten Bücher sowieso und auf jeden Fall dem Insel Verlag geben, aber aus freien Stück[en]. Der Zwang sei ihm schrecklich.« Der Vertragsentwurf für Verstörung hält im Paragraph 11 fest: »Der Autor räumt dem Verlag eine Option auf sein Werk ein.« Th. B. akzeptiert bei der Vertragsunterzeichnung am 22. November 1967 die Optionsklausel.