¹  In der Chronik von S. U. heißt es dazu unter dem Datum des 16. August 1974:
»Merkwürdige Begegnung mit Thomas Bernhard. Er hatte sich durch ein Telegramm angemeldet, er war in Frankfurt als Zwischenaufenthalt auf seinem Flug von Lissabon nach Linz. Ich schaute sein mitgebrachtes Gepäck an, aber darin waren Süßigkeiten für meine Frau und Frau Zeeh. Kein Manuskript ›Korrektur‹. Das bedrückte meine Stimmungslage, und so war die Stunde, die wir im Verlag verbrachten, eher krampfhaft. Wir kamen zum Punkt Finanzen: ich hatte ihm auf zwei Blättern in meiner Handschrift die Endziffern dargelegt; das machte ihm Eindruck. ›Wenn der Verleger das selbst schreibt, so stimmt es.‹ Die Zahlungen waren ja auch imponierend. [Auf dem ersten Blatt fixiert S. U. Erlöse für Aufführungen von Die Macht der Gewohnheit in Höhe von 76 000 DM, die die an Th. B. geleisteten Zahlungen übersteigen, sowie die Vorauszahlung, siehe Brief 283 für Der Präsident; auf dem zweiten Blatt Honorarguthaben für Th. B. in Höhe von ca. 100 000 DM.] [. . .]
Dann gingen wir in die Klettenbergstraße, tranken Tee, er erzählte von Lissabon, dann fragte er nach Wein, wir tranken eine, dann zwei Flaschen, und sichtlich löste sich die Stimmung. Er berichtete von seinem neuen Stück ›Der Präsident‹, das an der Burg und in Österreich einen Skandal auslösen würde. Das Thema hat sich nun verschoben; es ist nicht mehr der Präsident der Salzburger Festspiele, sondern es ist der österreichische Bundespräsident bzw. Bernhard gestaltet jene konkreten Details, die er von Herrn Dr. Maleta gehört hat, als dieser, zweiter Vizepräsident des österreichischen Parlaments, eine Zeitlang österreichisches Staatsoberhaupt in Vertretung des erkrankten Bundespräsidenten Jonas war. Das Stück soll 4 Akte haben. Im 1. Akt das Aufwachen des Präsidentenpaares in kleinbürgerlicher mieser Umgebung. In diese Atmosphäre dringt dann eine Stafette; in Unterhosen unterschreibt der Präsident ein Gnadengesuch. Der 2. Akt soll den Präsidenten in hohler Staatspose bei seinen Repräsentationspflichten zeigen. Der 3. Akt: mit einem Flittchen ist der Präsident inkognito nach Lissabon gefahren und treibt dort im Casino Estoril so große Späße, daß er daran stirbt. 4. Akt: pompöse Aufbahrung; das Volk zieht ergriffen am Sarg vorbei, voran die Gemahlin, die Kinder, die Minister etc. Wenn Bernhard dieses Stück gelingt, so ist es das erste Stück, mit dem er aus seiner monologischen Struktur ausbricht. Man muß wirklich gespannt sein.
Er will am 28. September kommen und dann, vielleicht, das Manuskript mitbringen.«
Am 28. September 1974 feiert S. U. seinen 50. Geburtstag in Kronberg bei Frankfurt am Main. Th. B. nimmt an der Feier teil.