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Ohlsdorf
8. August 87
Lieber Siegfried Unseld,
Monate nach meiner Unterredung mit Herrn Schaffler, meine Kindheits- und Jugendbiografie betreffend, ersuchte mich Herr Doktor Jung um eine Unterredung, die in Salzburg stattgefunden hat – vor drei Wochen – und in der mich der Dr. Jung darauf aufmerksam gemacht hat, dass er allein für den Residenzverlag entscheidend und Herr Schaffler keinerlei Entscheidungsgewalt, eben den Residenzverlag betreffend, mehr habe. Herr Jung erklärte mir, dass der Residenzverlag die Rechte an meinem in Frage stehenden Werk unter keinen Umständen mehr abgeben werde und meine Verhandlungen mit Wolfgang Schaffler null und nichtig seien. Dagegen machte ich meinen, mit Ihnen besprochenen Standpunkt deutlich – in aller Freundlichkeit. Herrn Jung verliess ich (aus dem schönen Garten im Schlosswirt in Anif!) mit meiner nachdrücklichen Feststellung, dass für mich nach wie vor die mit Wolfgang Schaffler getroffene Abmachung gelte.
Herr Jung schrieb Ihnen bald darauf einen Brief, in dem er von einem Einverständnis meinerseits, die Herausgabe eines kommenden Bandes oder mehrerer Bände meiner Biografie spricht, jedenfalls gibt er in seinem Brief an Sie diesen Anschein. Ich habe keinerlei Einverständnis gegeben. Wie gesagt, wünschte und wünsche ich, dass auch meine Biografie im Suhrkampverlag erscheint künftig.
Wie das zu machen ist, weiss ich nicht, nachdem ich ja jetzt keinerlei Möglichkeit einer solchen Wunschbetreibung mehr habe, ausser einer gerichtlichen, auf die ich mich niemals einlassen werde, denn das wäre ja das Absurdeste.
Meine Arbeit an sich ist mir wichtiger als alle Querelen um Da oder Dort und es müsste von jetzt ab nurmehr noch Sache der Verlage und der Verleger sein, sich in diesem wie mir scheint, schon ziemlich lächerlichen Punkt zu einigen – oder nicht. Ich selbst werde dazu nichts mehr veranlassen. Sollten Sie die Biografie in die Rechte des Suhrkampverlags einbringen wollen, so kann es nur Ihre Versuche in dieser Richtung wert sein.
Im Übrigen geht es mir ausgezeichnet und ich arbeite, gewürzt von tageslächerlichen Kapriolen da und dort, wie es mir recht ist.1 Vor ein paar Tagen habe ich den Feltrinelli-Preis der römischen Akademie der Wissenschaften abgelehnt, wie alle andern Preise und Ehrungen, die auf mich zugekommen sind, auch. Einen ehrenvollen Th. B. werden Sie bei Lebzeiten nicht erleben.2
Ihr
Thomas B.
1 Die Presse veröffentlichte am 6. August 1987 einen offenen Brief von Th. B. an Claus Peymann, in dem er sich gegen ein Gastspiel von Der Theatermacher in Brüssel wandte, da dies eine Veranstaltung des österreichischen Staates sei.
2 Wie aus einer Telefonnotiz von Burgel Zeeh vom 7. September 1987 hervorgeht, hat sich die Ablehnung des Preises offenbar nicht so einfach gestaltet:
»Er bat um Hilfe! Die italienische Akademie der Wissenschaften hat ihm im Juni geschrieben, die Jury habe ihm den Antonio-Feltrinelli-Preis verliehen. Er hat daraufhin am 9. Juli einen Brief geschrieben und den Preis abgesagt. Den Text des Briefes gab er mir durch:
›Hochverehrte Akademie,
da ich seit vielen Jahren weder Preise noch Auszeichnungen und Titel jeder Art angenommen habe, muß ich zu meinem allergrößten Bedauern auch Ihren Antonio-Feltrinelli-Preis ablehnen.
Ich bin mir der Außerordentlichkeit Ihres Preises sehr wohl bewußt und bitte Sie, der Jury Ihres Preises meine Bewunderung und meinen ganz besonderen Dank zu übermitteln für die Hochschätzung meiner Arbeit.
Als Schüler und Freund Italiens grüße ich Sie mit dem allerhöchsten Respekt.
Ihr Thomas Bernhard‹
Daraufhin kamen Briefe und Telegramme, er möge Angaben zur Vita machen etc., ohne daß auf seinen Brief Bezug genommen worden wäre. Jetzt erhielt er ein Telegramm: der Preis ist verliehen, wohin soll das Geld überwiesen werden?«