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Ohlsdorf
22. Feber 81
Lieber Siegfried Unseld,
wir haben die Krankheit genau unter Kontrolle und werden sie vertreiben, wir haben sie in die Flucht geschlagen.
Ich habe diese Wochen, wie ich jetzt sehe, bestens hinter mich gebracht und die ganzen Turbulenzen haben sich ausgezahlt.
In dieser Phase tätig und nicht untätig zu sein, war das beste und der aufgewirbelte Staub setzte sich auf die nützlichste Weise und liess mich an meinem Schreibtisch ungeschoren.
Ich arbeite und komme besser voran, denn je.
Mitten in den Geburtstagswehen öffnete ich ein geheimnisvolles Paket aus Wien und nachdem es vollkommen auseinandergenommen war, entdeckte ich Ihre Aufforderung zu einem neuen Goethe, wie mir schien, in seinem Innern. Die Welt kann sich tatsächlich lustig machen über mich und mich an die hundert Jahre alt werden lassen. Heute habe ich nichts dagegen. Das Tintenfass mit seinem magischen Lichtspiel, werde ich naturgemäss nicht mit Tinte, sondern nur mit meinen Ideen füllen und diese Ideen verarbeiten und nach Frankfurt schicken, möge es sich um einen Ideenstrom handeln in der Zukunft, eine Donau und einen Main meines Kopfes zurück.
Wenn ich jetzt schreibe, dass ich in bester Verfassung bin, so ergibt das einen ganz natürlichen Widerspruch, der die Wahrheit ist.1
Der »Sohn« wird gepflegt, gleichzeitig habe ich mich um einen Hanswurst zu kümmern, der auf die Bühne soll im nächsten Jahr.
Ich werde in zwei Wochen kurz nach Wien fahren und wieder zurück, vielleicht Ende März ebenso kurz nach Bochum, dann aber meine Ruhe in meinem Haus bewahren, das mich im Augenblick sehr glücklich macht. Es ist jetzt alles ideal hier und ich habe einen perfekten Arzt.
Die »Kälte« ist ein unerfreuliches Buch, das aber notwendig ist, wenn ich weiterkommen will und ich habe ganz einfach die Hemmungen des Stiefvaters was dieses Buch betrifft und schicke es nicht, sondern bringe es einmal mit. Und vielleicht bin ich einmal auch gern gesehen in der Lindenstrasse und lasse mich dort auf eine Österreichstunde nieder.
Ein kurzer Satz für meinen (besten!) Verleger: wir werden alle Bücher schreiben und alle Verträge einhalten!
Sehr herzlich
Thomas B.
P. S.: Ich will im |*|Herbstprogramm ein mir sehr wichtiges Buch veröffentlichen mit dem Titel »Krieg« und mit dem Untertitel »Verletzungen«, das ich am 31. April abliefere, wenn Sie einverstanden sind!!!
|* im Normalprogramm
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Haupt-
1 Am selben Tag schreibt Th. B. an Burgel Zeeh: »Ich war doch recht unvorsichtig, meine Kalamität zu erwähnen, aber über alles herrscht eben der schwache Menschenkopf doch nicht und so ist es passiert mit der Mitteilung, dass ich krank sei. Tatsächlich war über ein Jahr gesucht worden von den verschiedensten Kapazitäten und ganz natürlich, haben die verschiedensten Kapazitäten den Kern der Sache nicht gefunden – bis mein Bruder genau diesen Punkt traf. Nun haben wir genau am 9. Feber mit der sogenannten gezielten Behandlung eingesetzt und haben genau den erhofften Erfolg, das heisst, die Bestätigung, dass wir genau getroffen haben, was wir treffen wollten. Ich glaube, das Rennen ist gelaufen und, abgesehen von der Genauigkeit der Behandlung, werden wir das Böse vertreiben, die Krankheit ist voll auf der Flucht und der Thomas Bernhard fühlt sich wie neugeboren, so, als hätte er schon jahrelang keine Ahnung mehr gehabt, wie angenehm leben ist, wie gut es tut, er atmet aufeinmal wieder tief durch und will dieses Durchatmen sich für die nächsten zehn Jahre mindestens erhalten.
Das Angenehme ist ja, zu wissen, dass ich vor dreizehn Jahren dieselbe Behandlung gehabt habe und dann eben weit über zehn Jahre Ruhe gewesen ist, so sollte es auch jetzt sein und kommen.«