[61; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
3. Februar 1969
Lieber Herr Bernhard,
die Nachricht, daß Herr Dr. Braun aus dem Suhrkamp Verlag ausscheidet, ist sicherlich zu Ihnen gedrungen. Ich habe von mir aus den wirklichen Versuch unternommen, Herrn Dr. Braun zum Hierbleiben zu bewegen, und mit mir haben dies auch in eingehenden Gesprächen Günther Busch, Karl Markus Michel und Martin Walser versucht. Doch Herr Dr. Braun blieb bei seiner Entscheidung, obschon er mir ausdrücklich bestätigte, daß er in all den verflossenen Jahren seine Arbeit vollkommen selbständig und ohne jegliche Behinderung meinerseits durchführen konnte.
Für mich entsteht dadurch eine schwierige Situation. Mein vollkommenes Vertrauen in die Arbeit von Herrn Dr. Braun und damit das Delegieren aller Aufgaben an ihn erweist sich nun als eine Art Bumerang, weil es so scheinen könnte, als läge mir wenig an der Entwicklung des Theaterverlages und wenig auch an den Beziehungen zu den Autoren des Theaterverlages. Das ist nicht der Fall, aber der Theaterverlag war eben die Domäne von Herrn Dr. Braun. Um so mehr möchte ich Ihnen jetzt sagen, daß ich die allergrößten Anstrengungen unternehmen werde, die Entwicklung des Theaterverlages Suhrkamp so fortzusetzen, wie dies in den letzten Jahren geschehen ist. Für den administrativen Fortgang wird Frau Bothe bürgen, die das Metier nun seit Jahren kennt. Martin Walser hat sich bereit erklärt, für eine Übergangszeit die dramaturgische Leitung zu übernehmen. Das ist eine Zwischenlösung, die dazu dienen soll, in Ruhe einen Nachfolger suchen zu können und diesem die Gelegenheit zu geben, sich einzuarbeiten. Es ist selbstverständlich, daß wir als definitiven Nachfolger für Herrn Dr. Braun nur einen Mann bestimmen werden, der das Vertrauen der Autoren des Verlages hat.
Lieber Herr Bernhard, das ist wiederum eine absurde Geschichte. Ich verstehe die Motive von Herrn Dr. Braun nicht. Doch Sie können sicher sein, daß wir alles daransetzen, die Arbeit ungestört fortzuführen, und für Ihr Stück und auch die hoffentlich folgenden werden wir alle und ich persönlich im besonderen uns mit großer Aktivität und Passion einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Siegfried Unseld