[406; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
8. April 1980
Lieber Thomas,
ich war ja voll guten Willens, aber als ich morgens abfahren wollte, in einem VW, der nur abgefahrene Sommerreifen hatte, rutschte ich schon bei der Ausfahrt, und dann erkundigte ich mich über den Straßenzustandsbericht, und das gab mir dann den Rest. Ich glaube, es wäre fahrlässig gewesen, unter diesen Umständen hin- und zurückzufahren. Und ich mußte am Sonntag abend wieder in Frankfurt sein, weil ich eben dringliche Arbeiten vor meiner USA-Reise erledigen mußte. So sahen wir uns also nicht, aber irgendwie habe ich das Gefühl, wir sprachen uns doch!1
Ich muß den Suhrkamp Verlag Boston in Fahrt bringen, am 5. Mai werde ich wieder zurück sein.2 Aber auch dann habe ich schon einige andere Reiseverpflichtungen. Vom 1. Juni an jedoch strahlt mein Kalender nur noch weiße Flächen aus. Wie wäre es, wenn wir uns irgendwo Mitte Juni oder Anfang Juli sehen? Ich wünschte mir das sehr.
Herzliche Grüße und die nochmalige Bitte um Verständnis für mein Nicht-Kommen,
Ihr
Siegfried U.
|Frau Zeeh fährt am 24. April zu mir nach New York. Sie kann einen
Brief von Ihnen oder auch Ihre Person mitbringen|3
1 S. U. hält sich am 5. April zu Gesprächen mit Peter Handke in Salzburg auf. Für Ostersonntag, den 6. April, ist ein Besuch bei Th. B. in Ohlsdorf geplant. S. U. hält in einem Zusätzlichen Bericht zum Reisebericht Salzburg, 5./6. April 1980 fest: »Morgens um 6.00 h […] ein ohrenbetäubendes Geräusch, das einen aus dem Bett riß. Die österreichische Armee probte den Brückenbau über die Salzach! Aber man konnte es nicht sehen, weil ein dichter Schneevorhang das verhüllte. Ich erkundigte mich: es seien sehr schlechte Straßenbedingungen, und ich konnte mir vorstellen, wie die Fahrt nach Ohlsdorf gewesen wäre. So entschied ich mich, nicht nach Ohlsdorf zu fahren und den Besuch bei Thomas Bernhard abzusagen. Glücklicherweise erreichte ich Frau Maleta, die ihm das ausrichten konnte.« Am 9. April fliegt S. U. nach Mexiko, anschließend reist er in die USA.
2 Eine Presseerklärung vom April 1980 hat den Wortlaut: »Der Suhrkamp Verlag Frankfurt und Zürich eröffnen am 1. Mai 1980 eine Neugründung in Boston, Massachusetts, USA:
SUHRKAMP PUBLISHERS BOSTON INC.
Der Suhrkamp Verlag möchte sich damit für die USA eine neue verlegerische Basis schaffen. Zunächst wird der Verlag in Verbindung mit der amerikanischen Niederlassung des Schweizer Birkhäuser Verlages als Auslieferungsstelle für die deutschsprachigen Bücher der Verlage Suhrkamp und Insel Frankfurt arbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt wird Suhrkamp Boston Publishers Inc. eine eigene Verlagsproduktion entwickeln, die sowohl Übersetzungen unserer deutschsprachigen Titel bringt wie auch Titel, die original englisch geschrieben sind und die dann im Programm des Suhrkamp Verlages Frankfurt und Zürich deutsch erscheinen. […] Die Eröffnung von Suhrkamp Publishers Boston Inc., zu der Professor Dr. Egon Schwarz von der Washington University St. Louis sprechen wird, findet am 1. Mai 1980 in den Räumen des Goethe Institutes Boston statt. Gleichzeitig wird im Goethe Institut Boston zum ersten Mal eine Ausstellung der originalen Aquarelle von Hermann Hesse eröffnet. In dieser Verbindung ist auch die erste Publikation von Suhrkamp Boston Publishers Inc. zu sehen. In limitierter Auflage von 1000 Exemplaren erscheint am 1. Mai ›Hesse as Painter. Painting for Pleasure‹. Translated by Ralph Manheim. With 20 water colours by Hermann Hesse. […]
Der Präsident von Suhrkamp Boston Publishers Inc. ist Dr. Klaus Peters, Chairman Dr. Siegfried Unseld.«3 Der Brief trägt am unteren Rand den handschriftlichen Zusatz von Burgel Zeeh: »Die Maschine geht um 13.30 h ab Ffm (LH 404), melden Sie sich? Ihre B. Zeeh.«