[464; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
8. September 1983
Lieber Thomas,
Sie waren damit einverstanden, daß Friedrich Cerha einen Teil aus »Gehen« vertont und unter dem Titel »Requiem für Hollensteiner« aufführt. Wir haben da einen Vertrag mit der Universal Edition Wien gemacht. Wir hören nun heute von der Universal Edition, daß die Uraufführung in Graz stattfindet, und zwar in dem Eröffnungskonzert des Steirischen Herbstes 1984. Dies zu Ihrer Information.
Ich hoffe, bald von Ihnen zu hören.1
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
1 Th. B. reagiert
am 11. September auf diesen Brief durch ein Telefonat mit Burgel
Zeeh. Sie notiert dessen Äußerungen:
»Er läßt Sie sehr herzlich grüßen. Er hat ein großes Problem: er
habe Ihnen immer noch nicht geschrieben und für dieses schöne
Unternehmen gedankt, jetzt seien schon fünf Wochen ins Land
gegangen. Sie hätten ihm geschrieben, das sei zudem ein großartiger
Brief, auf den könne man eigentlich nicht antworten. Aber er habe
einen halben Tag damit zugebracht, Ihnen zu schreiben, er wollte
das nämlich handschriftlich mit seinem neuen Füllhalter tun. Aber
nach einer halben Seite habe er seine Handschrift nicht mehr
ansehen mögen, so seien denn 15 Versuche in den Ofen geraten und
der Brief noch immer nicht geschrieben. Nun räche sich dieser
Füller [mit dem er die Jubiläumsausgabe Frost signierte]: er könne seinem Verleger damit
nicht schreiben!! Ich riet ihm, doch halbe Bogen zu nehmen – das
will er jetzt ernsthaft noch einmal versuchen! Aber er bat mich
dringend, Ihnen gleich von dieser grauenhaften Vergeblichkeit zu
berichten, mit seinen herzlichen Grüßen.«
Auch im weiteren Verlauf des Jahres 1983 kommt es zu keinem Brief
von Th. B. an S. U. Man trifft sich jedoch zwischen dem 2. und 4.
Oktober in Venedig. Darüber hat S. U. eine Notiz verfaßt:
»Er unterzeichnete den Verlagsvertrag für ›Untergeher‹ und
›Theatermacher‹. Gleichzeitig war er damit einverstanden, daß der
›Theatermacher‹ im Rahmen des 1000er Programms der suhrkamp
taschenbücher erscheinen kann.
Zum Erscheinungstermin des ›Theatermachers‹: die Aufführung wird
Juli / August bei den Salzburger Festspielen sein. Bernhard
überläßt uns ganz den Erscheinungstermin, ja, ihm wäre es fast
recht, wenn es früh käme, aber Peymann bittet dringlich um die
Koordinierung des Erscheinungstermins mit der Aufführung. Ihm wäre
es überhaupt lieber, wenn das Buch erst viel später erschiene. Ich
finde, wir sollen es so machen, daß das Buch wirklich acht Tage vor
der Premiere ausgeliefert werden kann, man kann in Salzburg die
Buchhandlungen anhalten, nicht früher als zum Premierentermin
selbst zu verkaufen.
Im November 1984 wird Peymann den ›Theatermacher‹ in Bochum
aufführen, dies dann als Westdeutsche Erstaufführung.
Im Anschluß daran geht das Stück auf Tournee, und zwar veranstaltet
von dem Berliner Tournee-Unternehmen Greve.
Das Stück ›Der Schein trügt‹: vorgesehener Termin der Uraufführung
in Besetzung mit Minetti / Buhre ist Anfang Dezember 1983. Es ist
jedoch möglich, daß wegen Minettis Gesundheitszustand die Premiere
doch später stattfinden wird.
Die zweite Aufführung wird in Berlin herauskommen, Boy Gobert
möchte das Stück mit Schellow / Bollmann inszenieren.
Das ›Yale Theater Magazine‹ wird ›Der Schein trügt‹ in der
Übersetzung von Gitta Honegger (›Appearances are Deceiving‹)
abdrucken. Die Zeitschrift bietet ganze 100 Dollar für Autor und
Übersetzer an. Bernhard ist einverstanden, daß die 100 Dollar an
Gitta Honegger gehen.
Bernhard will nach Palermo reisen, um den ›Mondello‹-Preis
entgegenzunehmen. Es ist der bedeutendste Literaturpreis in
Italien. Bernhard wird damit zum ersten Male Millionär, 10
Millionen Lire – das sind umgerechnet DM 16.500.—. Wenn er
nicht anwesend ist, wird die Preissumme an den zweitplacierten
Autor gegeben, und das ist Yves Bonnefoy.
Bernhard war sehr angetan von der Faksimile-Ausgabe ›Frost‹. In das
mir gewidmete Exemplar trug er die Stationen der Widmungsreise
Baden-Baden, Strasbourg, Venedig ein.«