[402; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
4. März 1980
Lieber Thomas Bernhard,
schönen Dank für Ihren Brief vom 23. Feber. Der Betrag nach Freilassing ist abgegangen.
Ich nehme an, daß wir den »Weltverbesserer« und das Stück »Über allen Gipfeln ist Ruh« zu den früheren Bedingungen und auch mit unserem Anteil übernehmen. Könnte ich »Über allen Gipfeln ist Ruh« bald lesen? Ich bin sehr gespannt!
Ich höre gerne, daß Sie so konzentriert an Ihren Arbeiten sitzen; ich tue das auch. Die Neue Folge der edition suhrkamp ist angekündigt; die Hunde bellen, die Karawane aber zieht weiter.1
Falls wir uns wieder einmal um 13.00 Uhr auf dem Corvatsch treffen wollen; ich werde in den Tagen vom 23.-29. dort sein.2
Herzlich, wie immer
Ihr
Siegfried Unseld
1 Am 28. Februar hat S. U. auf einer Pressekonferenz in Frankfurt das erste Jahresprogramm der edition suhrkamp Neue Folge (48 Bände) vorgestellt. Im Vorfeld, seit Juli 1979, beurteilt die Öffentlichkeit die neue Konzeption der Reihe skeptisch. Günther Busch, der Lektor der Reihe seit 1963, scheidet mit Wirkung zum 31. März 1980 aus dem Verlag aus. In einem Brief vom 2. April 1979 an Jürgen Habermas faßt S. U. die geplante Schwerpunktverlagerung innerhalb der Reihe so zusammen: »Wir wollen weniger Soziologie, dafür wieder mehr Literatur bringen, nach dem Prinzip, unter dem ursprünglich die edition suhrkamp angetreten ist.« Die Feuilletons reagieren zwiespältig: Zwar findet das neue Programm Anerkennung, ob es sich jedoch unter den veränderten Bedingungen durchsetzen könne, sei zweifelhaft. (Siehe Raimund Fellinger, Kleine Geschichte der edition suhrkamp, S. 61ff.)
2 Unter dem Datum des 22.-30. März notiert S. U. in der Chronik: »St. Moritz. Skifahren. Besuch bei Wolfgang Hildesheimer in Poschiavo, Telefonate mit Muschg, Pedretti […].«