[509; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
13. August 1987
Lieber Thomas Bernhard,
haben Sie Dank für Ihren Brief vom 8. August. Ich habe das leidige Problem nun noch einmal direkt mit Herrn Jung diskutiert und lege Ihnen hier die Kopie meines Briefes bei. Ich meine wirklich, das ist ein fairer Vorschlag. Wenn wir beide hart bleiben, d. h., Sie die Zusage für den »Zweifel« nicht geben und ich auf unserer Option bestehe, können wir doch wahrscheinlich in dieser Weise die Sache schaffen, und der Residenz Verlag wahrt sein Gesicht. Und sollte er nach fünf Jahren die Titel immer noch in seiner Liste führen wollen, so läßt sich ja dann auch darüber sprechen. Mir käme es jetzt einfach darauf [an], die Rechtslage definitiv zu klären.
Ich verfolge die »tageslächerlichen Kapriolen«. Man muß halt zu seiner Sache stehen.
Mit allen guten Wünschen und herzlichen Grüßen —
Ihr
Siegfried U.
Anlage
[Anlage; Brief von S. U. an Jochen Jung]
Frankfurt am Main
13. August 1987
Lieber Herr Jung,
ich bestätige den Eingang Ihres Briefes vom 24. Juli. Ich konnte wegen einer Reise erst jetzt mit Thomas Bernhard Verbindung aufnehmen. Es ist gut, daß wir einmal über die fünf jugendbiographischen Bände sprechen. Es ist verständlich, daß der Autor die Sammlung seiner Arbeiten im Suhrkamp Verlag wünscht, verständlich ist es, daß ich diesem Wunsche gerne folge, und ebenso verständlich ist es, daß Sie um Ihre Rechte ringen. Über der Gefahr einer »Selbstverstümmelung des Verlages« sollte jedoch immer Wunsch und Wille des Autors stehen. Wir sollten deshalb als Verlagsleute zu einer Lösung kommen.
Ich fasse einmal die Fakten zusammen:
Am Anfang bestand ein Buch; ich war damit einverstanden, daß es bei Herrn Schaffler und im Residenz Verlag erscheint. Es kamen dann die anderen vier Bücher. Thomas Bernhard brauchte meine Zustimmung, denn wir haben in unserem Autorenvertrag eine klare und mit einer fünfstelligen Summe bezahlte Option auf das nächste Werk. Das heißt: ohne meine Einwilligung hätte nie ein Buch bei Residenz erscheinen können. Das ist der erste Punkt.
Zweitens:
Thomas Bernhard und ich haben, seitdem die »Folge« der Bände klar wurde, stets vereinbart, daß eine geschlossene Zusammenfassung dieser jugendbiographischen Schriften in einem Band im Suhrkamp Verlag erfolgen sollte. Nie und nimmer hat der Residenz Verlag ein Recht, diese fünf Bücher in einem Band herauszugeben.
Drittens:
Ich rühre an einen wunden Punkt: Der Residenz Verlag hat seinen Besitzer gewechselt. Der neue Besitzer ist durch den Bundesverlag der österreichische Staat. In der Rechtsprechung ist zumindest umstritten, ob bei einem so fundamentalen Eigentümerwechsel die Rechte so einfach mitverkauft werden können. Und ich gehe noch gar nicht auf den Punkt der besonderen Haltung Thomas Bernhards zum österreichischen Staat ein. Diesen Punkt in der Öffentlichkeit zu explizieren dürfte auch für den Residenz Verlag nicht angenehm sein.
Viertens:
Bei unserem Gespräch in Sintra habe ich Thomas Bernhard gesagt, daß ich noch einmal bereit bin, auf meine Option zu verzichten, und einverstanden bin, daß die neue, sechste autobiographische Arbeit »Der Zweifel« als Einzelausgabe bei Ihnen veröffentlicht werden kann, aber es war deutlich gemacht, daß diese Übergabe an Sie nur erfolgen kann, wenn von Ihrer Seite aus definitiv der Wunsch des Autors respektiert wird, daß die Rechte an uns gehen. Wenn diese Bedingung nicht eingehalten wird, so werde ich von meinem »Recht« Gebrauch machen, auf der bezahlten Option beharren, und dann wird es Ihnen unmöglich sein, den Text »Der Zweifel« herauszugeben.
Das, lieber Herr Jung, sind die Fakten. Wie lösen wir das Problem? Mein Vorschlag:
- Sie veröffentlichen im Frühjahr 1988 den sechsten Band »Der Zweifel«.
- Gleichzeitig erscheint bei uns die Sammlung aller sechs Texte in einem Band.
- Sie sind berechtigt, noch auf die Dauer von fünf Jahren diese einzelnen Ausgaben zu den jetzt angegebenen Ladenpreisen zu führen.
- Sie erklären sich bereit, ab sofort keine weiteren Lizenzen zu vergeben, das gilt für Taschenbuch-Lizenzen wie für Übersetzungs-Lizenzen.
- Wir sind ebenfalls auf die Dauer von fünf Jahren bereit, in alle Taschenbuch-Verträge einzutreten, d. h., Ihnen weiterhin für die Taschenbuch-Ausgaben dieser sechs Titel Lizenzen zu bezahlen.
Lieber Herr Jung, mir scheint das ein vernünftiger Vorschlag zu sein, der Ihre Interessen wie die von Thomas Bernhard und Suhrkamp wahrt. Wir haben damit auf dieser Linie eine freundliche und friedliche Vereinbarung und müssen uns nicht mit unangenehmen Dingen herumschlagen.
Ich möchte noch einmal erwähnen: wir legen Wert darauf, mit Ihnen in Verbindung zu sein, und es gibt ja eine Reihe von Beziehungen zwischen unseren Häusern, die wir doch aufrechterhalten wollen. Ich möchte Sie bitten, mir und Thomas Bernhard, dem ich eine Kopie dieses Briefes schicke, bald zu antworten.1
Mit besten Grüßen
Ihr
Siegfried Unseld
1 Burgel Zeeh hält in einer Telefonnotiz am 31. August fest: »Den Brief von Dr. Unseld an den Residenz Verlag findet er ›unglücklich‹, aber ihm sei das egal, das sei eine Sache zwischen den Verlegern, seine ›Biographie‹ interessiere ihn nicht mehr.«