[385; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
16. Juli 1979
Lieber Thomas,
ich habe im Hause Ihre Entscheidung bekanntgegeben, und es ging ein wahres Geheul los!1 Die Vertreter verkaufen den Band hervorragend. Unsere Werbeleute haben sich schon auf eine große Werbekampagne festgelegt. Die Herstellung hat DM 10.000.— für Satzkosten ausgegeben. Der Vertriebsleiter will sich das Leben nehmen, weil 1200 Buchhändler von der Ausgabe wissen, und sie soll nun nicht kommen!
Folgende Lösung böte sich an: Wir nennen den Band nicht mehr »Die Erzählungen«. Wir lassen die Ihnen anstößig erscheinenden frühen Erzählungen weg und beginnen nur mit den Texten, die Sie selbst in Buchausgaben mit hineingegeben haben. Es wäre dann ein Band mit Erzählungen von Thomas Bernhard und, wie ich meine, keine Gesamtausgabe und eine Konzentration auf das Wichtigste.
Schreiben Sie mir doch noch eine Zeile, oder schicken Sie mir ein Telegramm, bevor hier im Hause Verzweiflungen und eine Serie von Selbstmorden ausbrechen.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
1 Unter dem Datum des 6. August [gemeint ist Juli] notiert S. U. in der Chronik:
»Aufregung mit Thomas Bernhard. Plötzlich ist er mit dem Plan ›Die Erzählungen‹ nicht einverstanden, er will nicht mehr ›Die Erzählungen‹, d. h. nicht mehr die frühen Erzählungen, dafür will er aber doch den Titel beibehalten.«