[16; Anschrift: Wien]
Frankfurt am Main
25. Oktober 1965
Lieber Herr Bernhard,
schönsten Dank für Ihr Telegramm. Ich werde Dienstag, den 2. November, am Spätnachmittag nach Wien kommen. Könnten wir uns abends im Hotel Royal, Singergasse 3, treffen? Wir könnten von dort aus zu einem gemeinsamen Abendessen gehen.1
Mit herzlichen Grüßen und auf Wiedersehen
Ihr
(für Herrn Dr. Unseld, der vor Übertragung des Diktats fortmußte)
1 S. U. hält in seinem Reisebericht Wien, 2.-4. November 1965 über das Gespräch mit Th. B. fest: »Ich hatte mit ihm mehrere erfolgreiche Begegnungen, die nun doch den Schatten der ersten Begegnung [siehe Anm. 3 zu Brief 5] auslöschten. Er wird Ende Januar der Insel sein Roman-Manuskript einreichen. Er hat jetzt etwa 400 Seiten geschrieben, 100 weitere kommen noch hinzu, ich nehme an, daß das Ganze einen Umfang von 300 Seiten haben wird. Der jetzige Titel ›Die Ruhe‹ wird wohl kaum bleiben. Sein Stück ›Die Jause‹ ist fertiggestellt und liegt bei der Direktion der Salzburger Festspiele, in deren Auftrag das Stück entstanden ist. Bernhard übergibt alle Aufführungsrechte dem Theaterverlag Suhrkamp, er hat dies auch schon nach Salzburg berichtet und gebeten, man möchte sich wegen des Vertrages mit uns in Verbindung setzen. Wie ich die Salzburger Leute kenne, werden sie das wohl kaum machen. [. . .] Wir selbst werden das Manuskript ebenfalls bis Ende November erhalten. Wir wollen es dann sogleich lesen, um die weiteren Fragen der Vervielfältigung und eventueller Publikation zu entscheiden.«
Über die Veranstaltung in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur berichtet Die Presse am 4. November 1965 unter der Überschrift Buchpremiere für Tumler: »Was die Gesellschaft für Literatur seit Jahren vergebens versuchte, gelang ihr Mittwoch anläßlich eines Presseempfangs und einer Buchpremiere im Palais Wilczek: den österreichischen Schriftsteller Franz Tumler nicht nur nach Wien zu locken, sondern ihn sogar zum Lesen zu bewegen. [. . .] Siegfried Unseld, der als Verleger nicht nur Franz Tumlers Werk betreut, sondern unter anderem ebenso jenes des ebenso hervorragenden jungen Österreichers Thomas Bernhard, berichtete vor der Lesung über die Arbeit seiner Verlage Suhrkamp und Insel.« An dem Abendessen mit den Inhabern der österreichischen Auslieferung der beiden Verlage und Wiener Buchhändlern nehmen neben Th. B. teil: Peter Handke, Zbigniew Herbert und Franz Tumler.