[444; Anschrift: Hotel MeliÄ Mallorca, Palma de Mallorca]
Frankfurt am Main
16. Februar 1982
Lieber Thomas,
ein großartiges Stück Prosa! Ich bin sicher, daß auch die Kritiker das sehen werden. Und vielleicht auch einmal die Buchhändler. Jedenfalls werde ich alles versuchen, meine Faszination und Begeisterung auch auf andere zu übertragen.
Nach genauer Durchsicht des Manuskripts (ich lasse doch noch zwölf Seiten für den Setzer abschreiben) geht das Ganze nun in Satz und Umbruch. Ich nehme an, daß Sie bei Ihrer Rückkehr in Ohlsdorf dann den Umbruch vorliegen haben. Es gibt nun ein paar stilistische Quisquilien.
Seite 10: Hier heißt ein Nebensatz
»obwohl es sie abstoßen hätte müssen«. Dieses nachgestellte
Hilfsverb kommt häufig bei Ihnen vor; die korrekte und gängige
Formel ist »obwohl es sie hätte abstoßen müssen«.1 — Das kommt auch an
anderen Stellen vor, S. 36, z. B., 5. Zeile von unten: »Auch
wenn ich das niemals wahrhaben hatte wollen.« Auch hier müßte es
wohl heißen: »niemals hatte wahrhaben wollen«.2
Ist das bewußt, daß der Ich-Erzähler seine Schwester auf Seite 12
per Telegramm, auf Seite 13 per Telefon und auf Seite 16 wieder per
Telegramm herbeizitiert?3
Seite 31a, zweites Drittel, ist von »Mistübeln« die Rede. Doch müßte es nicht »Mistkübel« heißen?
Seite 36: Hier haben Sie hineinkorrigiert oben »Farce«. Mir ist dieser Satz, in den Sie das hineinkorrigiert haben, unklar. Könnten Sie vielleicht diesen Satz doch noch einmal abschreiben?
S. 55: Da ist ein Zitat von »Zadig«, und es geht um den entzückendsten Busen. Dann folgt ein Satz »Über einen Gegenstand, unter welchem ich mich nicht zu schämen brauchte.« Ich verstehe nicht, was damit gemeint ist. Könnte man das nicht doch verdeutlichen?4
Nun zwei gravierende Dinge.
Seite 54 ist ein seniler Dummkopf, ein ordinär gewordener Kanzler erwähnt. Das könnte ein Verbot einbringen, da der Gemeinte evident ist. Ich würde sehr raten, den Satz zu streichen, zumindest darf das Wort Bundeskanzler nicht vorkommen. |Sie hatten auch Mitleid mit ihm.|5
Seite 75: Hier ist die Firma Sony angeführt. Diese Firma gibt es, und sie könnte ganz klar eine Verfügung erlassen. Sollte man nicht eine Verfremdung einfügen, z. B. die Firma Soby? Jedermann könnte imaginieren, welche Firma gemeint ist, aber es würde eben nicht klar gesagt und wäre kein juristisches Delikt. Und im übrigen ist es ja auch nicht so wichtig.6
Ich hoffe, Sie sehen mir diese Rückfragen nach. Das Ganze, wie gesagt, schlechterdings faszinierend.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Th. B. übernimmt den Vorschlag von S. U.; siehe Th. B.: Werke 5, S. 21.
2 Th. B. übernimmt den Vorschlag von S. U.; siehe Th. B.: Werke 5, S. 65.
3 In der Buchfassung wird einheitlich telegrafiert.
4 Der Satz erscheint unverändert in der Druckfassung.
5 In der Druckfassung lautet die Passage: »Ein renitenter, perfider Dummkopf als alter Kanzler, größenwahnsinnig, unberechenbar, gemeingefährlich.« Siehe Th. B.: Werke 5, S. 93.
6 In der Druckfassung ist von einer »amerikanischen Firma« die Rede; siehe Th. B.: Werke 5, S. 129.