[414; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
23. September 1980
Lieber Thomas Bernhard,
haben Sie Dank für Ihren Brief vom 15. 9. Es tut mir leid, daß die Infektion Sie so umgeworfen hat.
Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie Ihren Geburtstag unerwähnt lassen wollen. Ich bedaure das, denn meine Erinnerungen an Brüssel sind schön und lebhaft. Und man sollte sich zu seiner Existenz eben doch auch bekennen.1
Eher betroffen machte mich Ihre Haltung zu neuen Aufführungen des »Weltverbesserers«. Ich verstehe schon Ihre Bewunderung für Minetti, nicht jedoch diese Fixierung. Ich meine, wenn man »Minetti« Minetti ausschließlich zudächte, wäre das gut und richtig; andere Schauspieler aber den »Weltverbesserer« nicht erproben zu lassen scheint mir der von Ihnen bewunderten Schauspielkunst gegenüber unfair. Könnten Sie da nicht doch noch einmal umdenken?
Niemand versetzt Berge – Sie aber die Hohen Tauern. Wir hatten’s anders ausgemacht.
Nächste Woche mache ich endlich auch einmal fünf Tage Urlaub an den von Ihnen geliebten Stränden Portugals; ich habe da ein bestimmtes Foto-Bild im Kopf.2
Burgel Zeeh, die Sie grüßen läßt, fährt am 18. Oktober in Urlaub. Am Sonntag, dem 19., bin ich verlassen und frei. Könnte ich Sie nicht zu einem Flug und einem Abendessen in Frankfurt einladen?
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld