Kapitel 8 Der Kampf um den Staatshaushalt
Vgl. den Bericht der Kommission, <http://www.fiscalcommission.gov/sites/fiscalcommission.gov/files/documents/TheMomentofTruth12_1_2010.pdf>.
Der Bipartisan Policy Center Debt Reduction Task Force unter Leitung des ehemaligen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Senats Pete Domenici und der ehemaligen Budgetdirektorin des Weißen Hauses und stellvertretenden Vorsitzenden der US-Notenbank Alice Rivlin gehörten neunzehn ehemalige Regierungsmitglieder, ehemalige Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses, ehemalige Gouverneure und Bürgermeister, Unternehmer, Gewerkschafter und weitere führende Persönlichkeiten an. Ihr Bericht trägt den Titel »Restoring America’s Future«, vgl. <http://www.biparti-sanpolicy.org/sites/default/files/BPC%20FINAL%20REPoRT%20FoR%20PRINTER%2002 %2028%2011.pdf> [5. März 2012].
Unter dem Titel »Roadmap for America’s Future«; vgl. <http://www.roadmap.republicans.budget.house.gov/> [5. März 2012]. Das Repräsentantenhaus verabschiedete am 15. April 2011 einen alternativen Entwurf (http://budget.house.gov/UploadedFiles/PathToProsperityFY2012.pdf [5. März 2012]).
Die Schuldenbremse legt eine Obergrenze für die Staatsschulden fest. Aber der Kongress hatte auch Gesetze über Ausgabenpflichten und die Abschätzung bestimmter Steueraufkommen verabschiedet. Der Kongress legt zwar die Steuersätze gesetzlich fest, die Steuereinnahmen hängen jedoch von der Konjunktur ab. Wenn die Wirtschaft brummt, sind die Einnahmen hoch; in Rezessionen ist das Aufkommen niedrig. Da die US-Bundesregierung Jahr um Jahr mehr Kredite aufnimmt, steigt die Gesamthöhe der Schulden. Der Kongress legt auch eine Schuldenobergrenze fest, bis zu der die Regierung Kredite aufnehmen darf. Ohne eine Einigung über die Anhebung dieser Grenze müsste die Regierung ihre Arbeit einstellen, so meinten einige. Jedenfalls steckte sie in einem Dilemma: Entweder müsste sie das Gesetz über notwendige Ausgaben verletzen oder gegen das über die Schuldenobergrenze verstoßen.
Bei einer Anhörung im Kongress am 25. Januar 2001 bekundete Greenspan seine Unterstützung für baldige Steuersenkungen und seine Sorge darüber, dass die Regierung ihre Schulden zu schnell zurückzahlen könnte. »Wenn weiterhin Überschüsse erwirtschaftet werden sollten, und zwar über den Punkt hinaus, an dem die Bundesschulden auf null oder nahe null sinken, wird die entscheidende längerfristige fiskalpolitische Frage, ob die Bundesregierung große Mengen an privaten (technisch gesprochen: nicht-bundeseigenen) Vermögenswerten anhäufen sollte, ins Zentrum rücken. Bei einer Null-Verschuldung bringen die gegenwärtig prognostizierten Einheitsbudgetüberschüsse eine erhebliche Anhäufung privater Vermögenswerte durch die Bundesregierung mit sich. Diese Entwicklung sollte von Ihnen und der Regierung bei der weiteren Politikgestaltung maßgeblich berücksichtigt werden … Unter den heutigen Umständen, unter denen Steuersenkungen im Verlauf der nächsten Jahre anscheinend ohnehin erforderlich werden, um die Anhäufung privater Vermögenswerte [bei der Bundesregierung] zu verhindern, dürfte es dem glatten Übergang zu einem langfristig ausgeglichenen Haushalt dienlich sein, diesen Prozess eher früher als später in Gang zu setzen. Und sollte sich die aktuelle konjunkturelle Schwäche länger hinziehen, als es gegenwärtig wahrscheinlich zu sein scheint, könnten Steuersenkungen tatsächlich für merkliche Abhilfe sorgen.« Vgl. »Testimony of Chairman Alan Greenspan: Outlook for the Federal Budget and Implications for Fiscal Policy«, vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats, 25. Januar 2001, <http://www.federalreserve.gov/boarddocs/testimony/2001/20010125/default.htm> [5. März 2011].
Vgl. den CBO-Bericht »Current Budget Projections: Selected Tables from CBO’s Budget and Economic Outlook: An Update«, August 2010, S. 9f., <http://www.cbo.gov/sites/default/files/cbofiles/ftpdocs/117xx/doc11705/budgetprojections.pdf> [22. Februar 2012]. In dieser Schätzung sind Anpassungen wegen der Steuersenkungen der Jahre 2001 und 2003 enthalten.
Economic Policy Institute, »Economic Snapshot«, 18. Mai 2011, <http://www.epi.org/publication/what_goes_into_a_budget_deficit/> [5. März 2012], basierend auf CBO-Daten. 2010 wurden die Steuersenkungen von Präsident Bush nicht nur um zwei Jahre verlängert, der Kongress erließ auch weitere Entlastungen. Nach Schätzung der CBO schlagen diese 2011 mit 390 Milliarden Dollar und 2012 mit 407 Milliarden Dollar zu Buche. Vgl. »The Budget and Economic Outlook: Fiscal Years 2011 to 2021«, CBO 2011, <http://budget.senate.gov/democratic/index.cfm/files/serve?File_id=94312aeb-8a73-41cd-b774-8533403f83a6> [5. März 2012]. Im Januar 2012 erwartete das CBO für das laufende Haushaltsjahr ein Defizit von 1,1 Billionen Dollar. Vgl. »The Budget and Economic Outlook: Fiscal Years 2012 to 2022«, CBO 2012, <http://cbo.gov/sites/default/files/cbofiles/attachments/01-31-2012_Outlook.pdf> [5. März 2012].
Abgezinst auf die Gegenwart, in Dollar von heute. Vgl. J. E. Stiglitz und Linda Bilmes, Aussage anlässlich der Anhörung des US-Kongresses über die wirtschaftlichen Kosten des Irakkriegs vom 24. Oktober 2007, <http://www.hks.harvard.edu/news-events/news/testimonies/linda-bilmes-testifies-before-us-house-of-representatives-commitee-on-the-budget-on-the-economic-costs-of-the-iraq-war>, sowie dies., Die wahren Kosten des Krieges. Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak-Konflikts, München 2008. Andere haben noch höhere Zahlen errechnet. Das Eisenhower Study Group Research Project schätzt, dass bis zum Juni 2011 im Irak, in Afghanistan und in Pakistan 3,2 bis vier Billionen Dollar ausgegeben oder als Verpflichtungen eingegangen wurden. Vgl. »The Costs of War since 2001: Iraq, Afghanistan, and Pakistan«, <http://costsofwar.org/sites/default/files/Costs%20of%20War%20Executive%20Summary.pdf> [5. März 2012].
Der »Finanzmittelbedarf für Operationen in Afghanistan und im Irak sowie für verwandte Aktivitäten« wurde für 2012 auf 145 Milliarden Dollar geschätzt. Vgl. »The Budget and Economic Outlook: Fiscal Years 2012 to 2022«, CBO 2012, <http://cbo.gov/sites/default/files/cbofiles/attachments/01-31-2012_Outlook.pdf> [5. März 2012]. Vgl. auch Anm. 10.
Bilmes und Stiglitz veranschlagen in Die wahren Kosten des Krieges (siehe Anm. 8) den Gesamtbetrag, um den die Verteidigungsausgaben für den Zeitraum zwischen 2003 und 2008 über die dem Krieg zugeschriebenen Kosten hinaus erhöht wurden, auf 600 Milliarden Dollar. Ein erheblicher Teil davon waren in Wirklichkeit versteckte Kriegsausgaben.
Vgl. »Defence Costs«, Economist vom 8. Juni 2011. Als weiterführende Darstellung siehe Bilmes und Stiglitz, Die wahren Kosten des Krieges (siehe Anm. 8).
Vgl. »Lockheed F-35 Cost Controls in $662 Billion Defense Bill«, Businessweek vom 15. Dezember 2011.
Zu den geschätzten Kosten dieser Gesetzesbestimmung vgl. Kapitel 3.
CBO-Schätzung, vgl. S. 117 des »The Budget and Economic Outlook: Fiscal Years 2012 to 2022«, CBO 2012, <http://cbo.gov/sites/default/files/cbofiles/attachments/01-31-2012_outlook.pdf> [5. März 2012].
Die US-Regierung profitierte eine Zeitlang von der Blase, die ihre wahre Finanzlage – wie die des amerikanischen Durchschnittsbürgers – verschleierte: Ein Teil der Einnahmen stammte aus künstlichen Vermögenszuwächsen und Gewinnen aus aufgeblähten Vermögenspreisen, so dass selbst dann, wenn die vier oben beschriebenen Maßnahmen rückgängig gemacht würden, womöglich immer noch ein Defizit vorhanden wäre. Überdies lag der Preisauftrieb im Gesundheitswesen über der allgemeinen Inflationsrate, so dass für Medicare und Medicaid zusätzliche Ausgaben anfielen.
Selbstverständlich war die Senkung der Steuer auf Veräußerungsgewinne nur ein Faktor von mehreren, die an der Entstehung der Blase beteiligt waren. Lasche Regulierung und niedrige Zinsen spielten ebenfalls eine Rolle.
Vgl. Anton Korinek und J. E. Stiglitz, »Dividend Taxation and Intertemporal Tax Arbitrage«, Journal of Public Economics 93 (2009), S. 142 – 159. Die Befürworter einer steuerlichen Vorzugsbehandlung von Dividenden brachten ein weiteres Argument vor: Es sei unfair, sowohl Unternehmensgewinne als auch Dividenden zu besteuern. Ursprünglich sollten nur solche Firmen von der steuerlichen Vorzugsbehandlung profitieren, die tatsächlich Steuern zahlen; doch diese Beschränkung wurde in einer dieser so häufigen Volten in letzter Minute fallengelassen. So steht am Ende eine noch größere Ungerechtigkeit: Gewinne, die der Körperschaftsteuer entzogen sind und dann, wenn sie ausgezahlt werden, auch noch niedriger besteuert werden als das vergleichbare Einkommen von Lohn- und Gehaltsempfängern.
Diese Steuerregelung für Kommunalanleihen ist weniger ineffizient, als dieses hypothetische Beispiel suggeriert. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass etwa »20 Prozent des Vorteils aus der Steuerbefreiung von Zinserträgen aus Kommunalobligationen unabsichtlich Anleihekäufern aus höheren Einkommensteuerklassen zufließt«. Vgl. Jordan Eizenga und Seth Hanlon, »Tax Expenditure of the Week: Tax-Exempt Bonds«, 2. März 2011, Website des Center for American Progress, <http://www.americanprogress.org/issues/2011/03/te030211.html> [5. März 2012]; dort wird T. J. Atwood, »Implicit Taxes: Evidence from Taxable, AMT, and Tax-Exempt State and Local Government Bond Yields«, Journal of the American Taxation Association 25 (2003), Nr. 1, S. 12 – 20, zitiert.
Vgl. Henry George, Progress and Poverty: An Inquiry into the Cause of Industrial Depressions and of Increase of Want with Increase of Wealth: The Remedy (1879). Gemeinsam mit Richard Arnott habe ich gezeigt, dass es Bedingungen gibt, unter denen eine 100-prozentige Steuer auf solche Renten tatsächlich die optimale Steuer ist. Vgl. unseren Aufsatz »Aggregate Land Rents, Expenditure on Public Goods and Optimal City Size«, Quarterly Journal of Economics 93, Nr. 4 (November 1979), S. 471 – 500. Es gibt eine wichtige Einschränkung, wenn Produzenten sich nicht ausreichend gegen die Risiken, die sie tragen, versichern können. Der Staat sollte sich nicht allzu sehr auf eine Grundsteuer oder eine andere Steuer stützen, die sich auf unveränderliche Bemessungsgrundlagen bezieht, weil er das Einkommen dann in schlechten Jahren hoch und in guten Jahren niedrig besteuert. Vgl. K. Hoff, »Land Taxes, Output Taxes, and Sharecropping: Was Henry George Right?« World Bank Economic Review 5 (1991), S. 93 – 112, sowie X. Meng, N. Qian und P. Yared, »The Institutional Causes of China’s Great Famine«, Manuskript, Yale University 2010, <http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm? abstract_id=1671744> [5. März 2012].
Der Preis solcher Ressourcen lässt sich in zwei Teile zerlegen: Rente plus Abbaukosten.
Es ist sogar möglich, Subventionen zu versteigern, um sicherzustellen, dass sie dorthin fließen, wo ihnen der größte Nutzen zugeschrieben wird. Eine Klausel, die dem Landwirtschaftsministerium eine entsprechende Ermächtigung erteilt, wurde in das US-Agrargesetz von 1995 aufgenommen, aber nie angewandt.
Diese Subventionen werden unter anderem mit dem Argument gerechtfertigt, sie erhöhten die Beschäftigung. Die Verantwortung für Vollbeschäftigung liegt jedoch bei der makrökonomischen Politik (Geld- und Fiskalpolitik). Eine klug gehandhabte makroökonomische Politik kann auch ohne diese Subventionen für Vollbeschäftigung sorgen; wird sie ineffizient gestaltet, rückt die Vollbeschäftigung trotz Subventionen in weite Ferne.
Die Multiplikatorwirkung eines ausgeglichenen Haushalts wird normalerweise auf etwa eins veranschlagt. Aber wenn die Reichen stärker besteuert werden, die andernfalls einen Großteil ihres Einkommens gespart hätten, und wenn sich die Ausgabenerhöhungen auf Aktivitäten mit einem hohen Multiplikatorfaktor konzentrieren, etwa auf Bildungsinvestitionen, dann kann ein ausgeglichener Haushalt eine sehr viel größere Multiplikatorwirkung entfalten.
Mitglieder der Kommission legen Lippenbekenntnisse zu der Notwendigkeit ab, das Steuersystem progressiver zu gestalten, aber ihre Empfehlungen laufen letztlich darauf hinaus, die Progression einzuschränken. Sie präsentieren eine anschauliche Analyse der Verteilungsfolgen (die sich ausschließlich auf Änderungen der Einkommensteuer konzentriert, die Folgen von Änderungen der Körperschaftsteuer oder von Ausgabenkürzungen dagegen unberücksichtigt lässt). In dieser Analyse erlegen sie die stärkste prozentuale Erhöhung der Bundessteuern dem zweiten Quintil auf – 13,5 Prozent gegenüber 10,4 Prozent für das oberste Quintil. Gleichzeitig leisten einige ihrer Reformvorschläge zur Schließung von Schlupflöchern einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Progression. Fast die Hälfte der von ihnen angesetzten zusätzlichen Steuereinnahmen stammen vom obersten einen Prozent – im Einklang mit den in diesem Kapitel unterbreiteten Empfehlungen.
Für kleine Kapitalgesellschaften würden sich die Steuern durch diesen Vorschlag erhöhen.
Als Darstellung dieses Problems im Rahmen eines konventionellen Lehrbuchs vgl. J. E. Stiglitz, The Economics of the Public Sector, 3. Aufl., New York 2000. Zur ursprünglichen theoretischen Analyse vgl. Joseph E. Stiglitz, »Taxation, Corporate Financial Policy, and the Cost of Capital«, Journal of Public Economics 2 (Februar 1973), S. 12 – 34.
Die Bowles-Simpson Commission war in ihrem Abschlussbericht vorsichtiger. Sie erklärte, das neue Steuerrecht »sollte Bestimmungen (in einigen Fällen dauerhafte, in anderen zeitlich befristete) über die steuerliche Absetzbarkeit für Hypothekenzinsen nur für den Hauptwohnsitz, für betriebliche Krankenversicherungen, gemeinnützige Spenden sowie für Aufwendungen zur Altersvorsorge enthalten«.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass in dicht besiedelten Gebieten – eben dort, wo der Erwerb von Wohneigentum die kommunale Lebensqualität durch eine höhere Wahlbeteiligung und eine verstärkte Bürgerbeteiligung heben soll – die Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen die Zahl der Wohnungseigentümer nicht erhöht, sondern möglicherweise sogar verringert. Da sich das Angebot an Wohnimmobilien in diesen Gebieten im Wesentlichen nicht verändert, ist die Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen dort bereits in die Immobilienpreise eingepreist. Bei höheren Immobilienpreisen sinkt aber der wirtschaftliche Vorteil des Wohneigentums gegenüber der Miete gerade für Haushalte mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Vgl. C. A. Hilber und T. M. Turner, »The Mortgage Interest Deduction and Its Impact on Homeownership Decisions«, SERC Diskussionspapiere, 55, London School of Economics, 2010, <http://personal.lse.ac.uk/hilber/hilber_wp/Hilber_Turner_2010_08.pdf> [5. März 2012].
In den meisten Vorschlägen wurde dies zumindest teilweise berücksichtigt, indem die Umsetzung der empfohlenen Kürzungen erst später erfolgen soll, aber nicht viel später, da die Verfasser die konjunkturelle Erholung allzu optimistisch einschätzten. Nach dem Bowles-Simpson-Entwurf soll 2012 mit den (auf die geplanten öffentlichen Ausgaben bezogenen) Kürzungen begonnen werden. Doch zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches geht das Congressional Budget Office davon aus, dass wir nicht vor dem Jahr 2018 wieder Vollbeschäftigung erreichen werden, und die Notenbank ist so pessimistisch, dass sie erklärte, die Zinssätze würden vermutlich bis Ende 2014 nahe null bleiben.
Eine Steuergutschrift für Aktiengesellschaften, die investieren, stellt beispielsweise einen Investitionsanreiz für diese Unternehmen dar und verschafft ihnen gleichzeitig die Mittel dafür.
In einer Welt mit vollkommenem Wettbewerb werden Preise durch die Grenzkosten gnadenlos gedrückt, und zwar auf das niedrigste Niveau, das dem gegenwärtigen Stand der Technik entspricht. Doch aus unterschiedlichsten Gründen ist der Wettbewerb im Gesundheitssektor und insbesondere unter den Krankenversicherungen alles andere als vollkommen. Eine Ursache für die hohen Transaktionskosten im Privatsektor liegt darin, dass sich die Unternehmen große Mühe geben, den »Rahm abzuschöpfen«, das heißt nur Personen zu versichern, die gesund oder zumindest gesünder als der Durchschnitt sind. Ein weiterer Grund ist, dass sie angesichts von Übergewinnen erhebliche Mittel für die Rekrutierung »profitabler« Kunden etwa durch Werbung aufwenden.
Viele dieser Empfehlungen stimmen mit denjenigen des Bowles-Simpson-Konzepts überein.
Gary Engelhardt und Jonathan Gruber zeigen, dass sich der Rückgang der Armut um 17 Prozent zwischen 1960 und 2000 allein mit dem Ausbau dieser staatlichen Leistung erklären lässt; vgl. »Social Security and the Evolution of Elderly Poverty«, NBER Arbeitspapier 10466 (2004).
Thomas Ferguson und Robert Johnson, »A World Upside Down? Deficit Fantasies in the Great Recession«, Roosevelt Institute Arbeitspapier Nr. 7, 2010.
Die Gesundheitsreform von Obama enthält eine Reihe von Vorschriften zur Kostensenkung im Gesundheitswesen. Es ist zu früh, um zu beurteilen, wie wirksam sie sein werden.
Das ist nicht ganz zutreffend: Auch das Versprechen künftiger Kürzungen dämpft, sofern es glaubwürdig ist, die Konjunktur womöglich schon heute, da die Haushalte in dem Wissen, dass diese staatlichen Leistungen gekürzt werden, schon jetzt mehr sparen müssen, um das Absicherungsniveau zu halten; und obwohl höhere Ersparnisse langfristig positiv sind, sind sie auf kurze Sicht – da sie den Konsum dämpfen – der wirtschaftlichen Erholung abträglich.
Eine Variante dieses Mythos, der erstaunlicherweise auch von einigen Ökonomen vertreten wird, lautet: Die Arbeitslosen wären nicht wirklich arbeitslos, vielmehr würden sie das »süße Nichtstun genießen«. Jemand, der das süße Nichtstun genießt, sollte normalerweise glücklich sein, was die allermeisten Arbeitslosen nicht sind. Aber nach dieser Sichtweise ist das ein Problem für die Psychologen, nicht für die Wirtschaftswissenschaft.
Auf dem Tiefpunkt der Rezession kamen auf jede freie Stelle sogar sieben Bewerber; vgl. US-Amt für Arbeitsmarktstatistik <http://www.bls.gov/news.release/jolts.htm>. Als McDonald’s bekanntgab, dass es 50 000 Mitarbeiter einstellen wolle, meldeten sich angeblich eine Million Bewerber! Vgl. Leslie Patton, »McDonald’s Hires 62,000 in U.S. Event, 24 % More Than Planned«, Bloomberg, 28. April 2011, <http://www.bloomberg.com/news/011-04-28/mcdonald-s-hires-62-000-during-national-event-24-more-than-planned.html> [5. März 2012].
Es gibt sogar ein Argument dafür, dass die Arbeitslosenversicherung die Effizienz des Arbeitsmarktes verbessert, da diejenigen, die am wenigsten motiviert sind, sich eine Stelle zu suchen, und die schlechtesten Beschäftigungschancen haben, als Erste aus dem Markt ausscheiden. Dadurch sinken die Suchkosten für andere, und diejenigen, die eine Stelle bekommen, sind vermutlich besser dafür geeignet. Ich danke George Akerlof für Gespräche über diesen Punkt.
Das Wachstum des realen BIP (die prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr) betrug 2010 in den Vereinigten Staaten 2,9, in Schweden 5,3, in Deutschland 3,5. Die Zunahme der Beschäftigung (die prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr) betrug 2010 in den Vereinigten Staaten – 0,6, in Schweden 1,0, in Deutschland 0,5. Vgl. OECD, <http://www.oecd.org/document/22/0,3746,en_2649_39023495_43221014_1_1_1_1,00. html#taxes.>. In Kapitel 4 gehe ich auf eine Vielzahl kurz- und langfristiger Vorteile einer höheren sozialen Absicherung ein: größere Risikobereitschaft, größere Stabilität und mehr politische Unterstützung für Maßnahmen wie die Liberalisierung des Handels, die, klug ins Werk gesetzt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern kann. Durch all diese Vorteile kann sich die langfristige Wachstumsperspektive verbessern.
Deren Standpunkt ist nur dann stichhaltig, wenn man zusätzlich annimmt, dass es keine öffentlichen Investitionsmöglichkeiten mit hohen Renditen gibt. Aber darüber, dass die Bereiche Infrastruktur, Bildung und Forschung viele Gelegenheiten für hochrentierliche Investitionen bieten, besteht weitgehend Einigkeit.
Zudem beziehen sich die meisten Beispiele auf Länder mit flexiblen Wechselkursen. Niedrigere Wechselkurse kurbeln den Export an. Der US-Wechselkurs entzieht sich weitgehend der Kontrolle der USA: Wenn sich zum Beispiel die Krise in Europa verschärft, dann könnte der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verlieren, worunter die Ausfuhren der USA leiden könnten.
Vgl. Arjun Jayadev und Mike Konczal, »The Boom Not the Slump: The Right Time for Austerity«, Roosevelt Institute, 23. August 2010, und ihre heftige Kritik an Alberto Alesina und Silvia Ardagna, »Large Changes in Fiscal Policy: Taxes Versus Spending«, NBER Arbeitspapier Nr. 15438, 2009. Der IWF ist zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt. Vgl. auch Olivier J. Blanchard, David Romer, Michael Spence und Joseph E. Stiglitz (Hg.), In the Wake of the Crisis: Leading Economists Reassess Economic Policy, Cambridge 2012, und insbesondere den Artikel von Robert Solow, »Fiscal Policy«, S. 73 – 76. Vgl. ferner Jaime Guajardo, Daniel Leigh und Andrea Pescatori, »Expansionary Austerity: New International Evidence«, IWF Arbeitspapier, Juli 2011.
Vgl. Domenico Delli Gatti, Mauro Gallegati, Bruce C. Greenwald, Alberto Russo und Joseph E. Stiglitz, »Sectoral Imbalances and Long Run Crises«, Referat auf der Tagung der International Economic Association, Peking, Juli 2011, und demnächst in dem Tagungsband erscheinend. Als allgemeinverständlichere Version vgl. J. E. Stiglitz, »The Book of Jobs«, Vanity Fair vom Januar 2012, S. 28 – 32.
Vgl. Sumner H. Slichter, »The Downturn of 1937«, Review of Economic Statistics 20 (1938), S. 97 – 110; Kenneth D. Roose, »The Recession of 1937 – 38«, Journal of Political Economy 56, Nr. 3 (Juni 1948), S. 239 – 248, sowie E. Cary Brown, »Fiscal Policy in the Thirties: A Reappraisal«, American Economic Review 46, Nr. 5 (Dezember 1956), S. 857 – 879.
Wie andernorts dargelegt, hat sich der Finanzsektor noch nicht wieder völlig erholt. Viele der kleineren Banken, die insbesondere für die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft so wichtig sind, kämpfen noch immer mit Problemen. Dennoch haben die Investitionen außerhalb des Immobiliensektors wieder weitgehend das Niveau vor der Krise erreicht. Die Nicht-Wohnungsbauinvestitionen und sonstigen Anlageinvestitionen des privaten Sektors betrugen in Prozent des BIP im zweiten Quartal 2011 etwa 10,0 Prozent, während der historische Durchschnitt in der Nachkriegszeit bei 10,7 Prozent lag (es sei allerdings darauf hingewiesen, dass das Wachstum des BIP unter die Trendrate gefallen ist). Die Ausrüstungs-und Software-Investitionen von Unternehmen betrugen, inflationsbereinigt, Anfang 2011 etwa 8,2 Prozent des BIP gegenüber einem Höchststand von 8,4 Prozent 2007 und 6,6 Prozent auf dem Höhepunkt der Krise im vierten Quartal 2008.
Und sie wirkte sich darauf aus, wie man den Nutzen eines politischen Ringens um ein größeres, längerfristiges und sorgfältiger konzipiertes Konjunkturpaket beurteilte. Eine zentrale Schwäche des Konjunkturpakets bestand darin, dass ein Drittel der bereitgestellten Mittel in Steuersenkungen für die privaten Haushalte floss, die schon früher relativ wirkungslos verpufft waren (wie die Steuersenkungen von Präsident Bush 2008). Als ausführliche Diskussion der konzeptionellen Mängel vgl. J. E. Stiglitz, Im freien Fall, München 2010.
Mit der Dauer der Krise sind die Regierungsvertreter vorsichtiger geworden. Vgl. etwa die Ankündigung der US-Notenbank, dass sie damit rechnet, dass die Zinsen mindestens bis Ende 2014 nahe null liegen werden; damit sagte sie tatsächlich, dass der Abschwung, zu dem ihre geldpolitischen Maßnahmen vor der Krise maßgeblich beigetragen hatten, mindestens sieben Jahre dauern werde. (Die Rezession begann im Dezember 2007.)
In einer Phase anhaltender Unterauslastung (der Produktionskapazitäten) interessiert man sich nicht nur für die unmittelbaren Wirkungen von Ausgaben, sondern auch für die Effekte in zwei oder drei Jahren, wenn die konjunkturelle Flaute andauert. Ein Teil dessen, was heute nicht ausgegeben wird, wird in diesen zukünftigen Jahren ausgegeben und belebt die Konjunktur, und allein das Wissen, dass dies so ist, mag der Wirtschaft vielleicht schon heute einen zusätzlichen Impuls geben. Vgl. P. Neary und J. E. Stiglitz, »Toward a Reconstruction of Keynesian Economics: Expectations and Constrained Equilibria«, Quarterly Journal of Economics 98 (1983), Ergänzungsband, S. 199 – 228. Eine der Ursachen dafür, dass Geld nicht »recycelt« wird – um das BIP sogar noch stärker zu erhöhen –, sind »Sickerverluste«, Abflüsse ins Ausland. Aber wenn andere Länder (wie etwa die europäischen) ebenfalls schwächeln, erhöhen Ausgaben im Ausland deren Volkseinkommen, und sie erwidern dies, indem sie mehr für Einfuhren ausgeben, einschließlich Importen aus den Vereinigten Staaten. Entsprechend kommt es auf die langfristigen globalen, nicht auf die kurzfristigen nationalen Multiplikatoren an. Diese Multiplikatoren sind wahrscheinlich groß, viel größer als die für gewöhnlich angesetzte Zahl von 1,5. Vgl. United Nations, »Report of the Commission of Experts of the President of the United Nations General Assembly on Reforms of the International Monetary and Financial System« (auch Stiglitz-Kommission genannt), New York, United Nations, September 2009, veröffentlicht unter dem Titel The Stiglitz Report, New York 2010. Als neuere Überblicksdarstellung vgl. Jonathan A. Parker, »On Measuring the Effects of Fiscal Policy in Recessions«, Journal of Economic Literature 49 (2011), Nr. 3, S. 703 – 718. Viele der statistischen Studien, auf die sich diejenigen beziehen, die von einem kleineren Multiplikator ausgehen, sind mit gravierenden Mängeln behaftet, da sie vor allem Zeiträume betrachten, in denen Vollbeschäftigung oder Quasi-Vollbeschäftigung herrscht und/oder in denen die Währungsbehörden Gegenmaßnahmen ergriffen, beispielsweise die Zinsen erhöhten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass Phasen langer und tiefer Abschwünge wie die Große Depression und die Weltwirtschaftskrise relativ selten sind, und dies erschwert die Anwendung statistischer Verfahren.
Die Konservativen bringen ein Standardargument gegen das Deficit-Spending vor: Die Erwartung höherer zukünftiger Steuerschulden beflügele die Sparneigung derart – weil sich die Arbeitnehmer für diese zukünftigen höheren Steuerbelastungen wappnen –, dass die Gesamtnachfrage unverändert bleibe. Das Argument wird Barro-Ricardo-Äquivalenzproposition genannt, nach dem Harvard-Professor Robert Barro, der es in einem Aufsatz diskutierte: »On the Determination of the Public Debt«, Journal of Political Economy 87 (1979), Nr. 5, S. 940 – 971. Aber in anschließenden Arbeiten, darunter meinem Aufsatz »On the Relevance or Irrelevance of Public Financial Policy«, in: The Economics of Public Debt: Proceedings of a Conference Held by the International Economic Association at Stanford, California, London 1988, S. 42 – 76, wird erläutert, dass die These nur unter sehr ungewöhnlichen Bedingungen gilt, etwa bei vollkommenen Kapitalmärkten und vollkommenem generationenübergreifendem Altruismus. Als Bush sein Steuergeschenk an die Reichen machte und das Defizit in die Höhe schnellte, sank die Sparquote der privaten Haushalte und bewegte sich damit genau entgegengesetzt zu der Richtung, die Barros Theorie vorhersagte.