Die dringenden Probleme
Ich habe eine langfristige Agenda für Wirtschaftsreformen skizziert, aber momentan sind die Hauptursachen für das Leid der 99 Prozent im Arbeits- und Immobilienmarkt zu suchen.
Was den Wohnungsmarkt angeht, so haben wir gesehen, dass mangelhafte Bilanzierungsgrundsätze ein Haupthindernis für die Umschuldung darstellen und dass staatliche Umschuldungsprogramme nicht darauf zielten, Darlehensabschreibungen zu erzwingen oder auch nur zu fördern. Die Spielregeln begünstigen die Banken gegenüber den Hausbesitzern, und diese Regeln müssen geändert werden. Das wurde in der Diskussion über die Zwangsversteigerungen in Kapitel 7 deutlich.
Wir müssen den Banken Anreize dafür liefern, Hypotheken umzustrukturieren, und ihnen das vielleicht sogar auferlegen. Die gesetzliche Verpflichtung, die Verluste bei ihren Hypotheken auszuweisen – und diese mit ihrem aktuellen Marktwert zu bilanzieren –, würde ein Haupthindernis für die Umschuldung beseitigen. Steuerliche Anreize – eine steuerliche Begünstigung von Verlusten, sofern diese im Rahmen einer aktuellen Umschuldung auflaufen, und eine weniger günstige steuerliche Behandlung von Verlusten infolge von Zwangsversteigerungen – wären vielleicht ein Zuckerbrot. Und wenn das nicht funktioniert, kann es notwendig sein, eine Umstrukturierung zu erzwingen.
In unserem Insolvenzrecht gibt es einen Abschnitt – Chapter 11 –, der Unternehmen, die überschuldet sind (selbst wenn dies die Folge abenteuerlicher Managementfehler ist), die Chance zu einem Neuanfang einräumt; wir halten es für wichtig, das Unternehmen fortzuführen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Aber wenn es wünschenswert ist, Unternehmen die Chance zu einem Neuanfang zu geben, ist es erst recht wünschenswert, Familien die Chance zu einem Neuanfang zu geben. Die gegenwärtige Gesetzeslage wirkt sich auf Familien und Gemeinden verheerend aus. Wir brauchen ein Chapter 11 für Hausbesitzer: Der Darlehensgeber schreibt die Darlehensschulden des Eigenheimbesitzers ab, wenn er im Gegenzug einen Anteil am Veräußerungsgewinn erhält, sollte das Haus verkauft werden.
Über die beiden privaten Hypothekengesellschaften Fannie Mae und Freddie Mac,21 die die Regierung Obama übernahm, als sie zu Beginn der Krise zusammenbrachen, verwaltet sie einen erheblichen Teil aller Hypotheken. Es ist ein Skandal, dass die von ihnen gehaltenen Hypotheken nicht restrukturiert wurden.22 Steuerzahler, Hausbesitzer und unsere Wirtschaft würden besser dastehen.
Die Lösung des Hypothekenproblems ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um unsere Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Auch der Arbeitsmarkt funktioniert nicht richtig, denn beinahe jeder sechste Arbeitnehmer, der eine Vollzeitstelle sucht, findet keine. Eine aggressivere Ankurbelung der Konjunktur mit Hilfe der Fiskalpolitik, wie sie in Kapitel 8 beschrieben wurde, könnte die Arbeitslosenrate deutlich senken, und eine aktivere Arbeitsmarktpolitik könnte Arbeitnehmer fit für die neuen Stellen machen, die beim nächsten Aufschwung geschaffen werden – und die womöglich ganz andere Qualifikationen verlangen als die vernichteten alten Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe und im Immobiliensektor.