Zurück zur Rolle des Staates
Diese kursorische Darstellung der Veränderungen, die auf dem Markt stattfanden, und des Beitrags, den die Marktkräfte zur wachsenden Ungleichheit leisten, lässt jedoch außer Acht, welche Rolle der Staat bei der Gestaltung des Marktes spielt. Viele der Arbeitsplätze, die nicht mechanisiert wurden, und wahrscheinlich auch in naher Zukunft nicht mechanisiert werden, sind Stellen im öffentlichen Bildungswesen, in staatlichen Krankenhäusern und so weiter. Wenn wir beschlossen hätten, unsere Lehrer besser zu bezahlen, hätten wir vielleicht bessere Lehrer rekrutiert und dauerhaft gebunden, und dies hätte möglicherweise die ökonomische Leistungsfähigkeit der USA nachhaltig gesteigert. Es war eine politische Entscheidung zuzulassen, dass die Löhne im öffentlichen Sektor unter die Löhne vergleichbarer Stellen in der Privatwirtschaft sinken.14
Die wichtigste Aufgabe des Staates besteht jedoch darin, die grundlegenden Spielregeln festzulegen – durch Gesetze, die die gewerkschaftliche Organisierung von Arbeitnehmern fördern oder hemmen, durch Corporate-Governance-Gesetze, die die Entscheidungsbefugnisse von Führungskräften regeln, und durch Wettbewerbsgesetze, die die Höhe von Monopolrenten beschränken sollten. Wie bereits erwähnt, hat jedes Gesetz Verteilungsfolgen, wobei manche Gruppen, in der Regel auf Kosten von anderen, profitieren.15 Und diese Verteilungsfolgen sind oft die wichtigsten Wirkungen eines Gesetzes oder eines politischen Maßnahmenkatalogs.16
Konkursgesetze liefern dafür ein Beispiel. In Kapitel 7 werde ich beschreiben, wie »Reformen« unserer Konkursgesetze »partielle Schuldknechte« hervorbringen. Zusammen mit dem Gesetz, das es verbietet, bei einer Privatinsolvenz Schulden aus Studentendarlehen zu löschen,17 ist diese Reform für die Verelendung weiter Bevölkerungsgruppen in den USA verantwortlich. Nicht nur die Verteilungsfolgen, sondern auch die Auswirkungen auf die Effizienz waren negativ. Die »Reform« des Konkursrechts verringerte die Anreize für Kreditgeber, die Kreditwürdigkeit eines Studenten sorgfältig zu prüfen beziehungsweise festzustellen, ob die Bildungsrendite des Betreffenden in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten des Studiums steht. Sie verstärkte stattdessen die Anreize für ausbeuterische Kreditvergabepraktiken, da die Kreditgeber sich jetzt ziemlich sicher sein konnten, dass sie ihre Forderungen eintreiben durften, ganz gleich, wie schwer die Konditionen den Schuldner belasteten und wie unproduktiv der Verwendungszweck des aufgenommenen Kredits war.18 In späteren Kapiteln werden wir noch weitere Beispiele staatlicher »Marktgestaltung« kennenlernen, die zur Folge haben, dass einige auf Kosten anderer profitieren. Und allzu oft sind die Begüterten die Nutznießer dieser Eingriffe.
Nicht nur Gesetze, sondern auch andere politische und behördliche Maßnahmen haben weitreichende Umverteilungsfolgen. Im vorigen Kapitel habe ich einige davon erläutert, etwa was die Durchsetzung von Gesetzen gegen wettbewerbswidriges Verhalten angeht. In Kapitel 9 wird es um die Geldpolitik gehen, die sich auf den Beschäftigungsgrad und die Stabilität der Wirtschaft auswirkt. Wir werden sehen, wie mittels Geldpolitik das Einkommen von Arbeitnehmern geschmälert und das von Kapitaleignern erhöht wurde.
Schließlich beeinflusst die Politik auch die Zielrichtung von Innovationen. Der technische Fortschritt begünstigt nicht zwangsläufig hohe Qualifikation. Er könnte zum Beispiel auch den sparsameren Umgang mit natürlichen Ressourcen begünstigen. Auf politische Alternativen, mit denen sich Innovationen in eine neue Richtung lenken ließen, werde ich noch eingehen.