Wahrnehmungen beeinflussen das Verhalten und das Marktgleichgewicht
Überzeugungen und Wahrnehmungen beeinflussen das Verhalten, ganz unabhängig davon, ob sie der Wirklichkeit entsprechen oder nicht. Wenn Menschen den »Marlboro Man« als den Typ von Mann ansehen, der sie selbst gern wären, werden sie diese Marke vielleicht Konkurrenzprodukten vorziehen. Wenn jemand ein Risiko überbewertet, trifft er vielleicht überzogene Sicherheitsvorkehrungen. Aber noch stärker als auf das individuelle Verhalten wirken sich Wahrnehmungen und Überzeugungen auf das kollektive Verhalten aus, zu dem auch wirtschaftspolitische Entscheidungen gehören. Ökonomen wissen seit Langem, dass Ideen die Politik beeinflussen. Von John Maynard Keynes stammt das berühmte Diktum:
[…] die Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen [aber sind], sowohl wenn sie im Recht, als auch wenn sie im Unrecht sind, einflussreicher, als gemeinhin angenommen wird. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes regiert. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen.17
Sozialwissenschaften wie die Wirtschaftswissenschaften unterscheiden sich dadurch von den exakten Wissenschaften, dass hier Überzeugungen die Wirklichkeit verändern: Ansichten über das Verhalten von Atomen wirken sich nicht auf das tatsächliche Verhalten von Atomen aus, aber Ansichten darüber, wie das Wirtschaftssystem funktioniert, wirken sich auf dessen Funktionsweise aus. Der große Finanzier George Soros bezeichnet dieses Phänomen als »Reflexivität«,18 und die Tatsache, dass er dieses Phänomen erkannt hat, mag zu seinem Erfolg beigetragen haben. Keynes, der nicht nur ein bedeutender Ökonom, sondern auch ein exzellenter Investor war, beschrieb Märkte als einen Schönheitswettbewerb, bei dem derjenige gewinnt, der richtig beurteilt, was die anderen Juroren für das Schönste halten.
Märkte erschaffen manchmal ihre eigene Wirklichkeit. Wenn die Überzeugung vorherrscht, Märkte seien effizient und jegliche staatliche Regulierung beeinträchtige die Effizienz, dann wird die Regierung wahrscheinlich die rechtliche Reglementierung abbauen, was wiederum Folgen für das Verhalten der Märkte hat. In der jüngsten Krise führte die Deregulierung zu allem anderen als Effizienz, aber selbst in diesem Fall tobt eine Deutungsschlacht. Anhänger der politischen Rechten machten die Regierung für das scheinbare Marktversagen verantwortlich: Ihres Erachtens war der Versuch der Regierung, Menschen mit niedrigen Einkommen zum Erwerb von Wohneigentum zu drängen, die Ursache des Problems. Obwohl diese Auffassung in konservativen Kreisen verbreitet ist, lassen die empirischen Daten eine solche Schlussfolgerung kaum zu. Aber trotz der mangelnden Plausibilität ihres Erklärungsansatzes hielten diejenigen, die glaubten, Märkte könnten nichts Böses und Regierungen könnten nichts Gutes tun, ihre Ansichten für zutreffend – ein weiteres Beispiel für einen »Bestätigungsfehler«.19