Wie man die Regeln festlegt und zugleich den Schiedsrichter aussucht
Es ist eine Sache, in einem »fairen« Spiel zu gewinnen. Eine ganz andere Sache ist es, die Spielregeln schreiben zu dürfen, und zwar so, dass sie die eigenen Gewinnaussichten verbessern. Noch schlimmer ist es, wenn man sich seine Schiedsrichter selbst auswählen kann. Heute sind in vielen Bereichen Regulierungsbehörden für die Kontrolle eines Wirtschaftssektors zuständig (das heißt, sie erlassen Rechtsvorschriften und setzen sie um): die Federal Communications Commission für die Telekommunikationsbranche, die Securities and Exchange Commission für den Wertpapierhandel, und die US-Notenbank für viele Bereiche des Bankengeschäfts. Das Problem besteht darin, dass führende Akteure in diesen Sektoren ihren politischen Einfluss geltend machen, damit Personen mit der Leitung dieser Behörden betraut werden, die ihnen wohlgesinnt sind. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von »regulatory capture«, Voreingenommenheit zugunsten des zu regulierenden Sektors.44 Manchmal ist diese Einflussnahme mit pekuniären Anreizen verbunden: Die Spitzenkräfte der Regulierungsbehörde stammen aus dem Sektor, den sie beaufsichtigen sollen, und kehren später dorthin zurück. Ihre Anreize und die der Branche sind also weitgehend deckungsgleich, selbst wenn ihre Anreize sich kaum mit den Interessen der Allgemeinheit decken. Vertreten die Entscheidungsträger in der Regulierungsbehörde die Interessen des Sektors gut, werden sie nach ihrer Tätigkeit im Staatsdienst mit lukrativen Pöstchen reichlich belohnt.
Doch manchmal ist nicht nur Geld im Spiel. Vielmehr wird die Denkweise der Regulierer von denjenigen beeinflusst, die sie regulieren, was zu einer kognitiven Voreingenommenheit führt, ein eher soziologisches Phänomen. Auch wenn weder Alan Greenspan noch Timothy Geithner für eine Großbank gearbeitet hatten, ehe sie die Leitung der US-Notenbank übernahmen, bestand doch so etwas wie eine natürliche Verbundenheit, und sie haben möglicherweise deren Einstellung übernommen. Nach Auffassung der Banker bestand – trotz des Chaos, das sie angerichtet hatten – keine Notwendigkeit, den Banken im Rahmen der Rettungspakete strenge Auflagen zu erteilen.
Die Banken schickten Heere von Lobbyisten los, um jeden, der ein Wort bei der Regulierung mitzureden hat, davon zu überzeugen, dass ihre Geschäfte nicht reguliert werden sollten – auf jeden US-Abgeordneten kommen schätzungsweise 2,5 Lobbyisten.45 Aber die Überzeugungsarbeit fällt leichter, wenn das Ziel der Bemühungen dem eigenen Standpunkt von vornherein wohlwollend gegenübersteht. Aus diesem Grund setzen Banken und ihre Lobbyisten alles daran, dass die Regierung Aufseher einsetzt, die bereits auf die eine oder andere Weise kognitiv beeinflusst sind, und erheben gegen jeden Kandidaten Einspruch, der ihre Überzeugungen nicht teilt. Ich habe dies aus erster Hand während der Clinton-Administration erlebt, als Namen für den Vorsitz der US-Notenbank in Umlauf gebracht wurden, einige von interessierten Bankkreisen selbst. Wich einer der Kandidaten von der »Parteilinie« ab – wonach Märkte sich selbst regulieren und Banken ihre Risiken selbst kontrollieren können –, wurde so lautstark protestiert, dass der Betreffende gar nicht erst vorgeschlagen wurde oder, wenn doch, abgelehnt wurde.46