Insolvenzrecht
Eine Vielzahl weiterer Gesetze und Regelungen prägen den Markt und beeinflussen dadurch die Verteilung von Einkommen und Wohlstand. Das Konkurs- oder Insolvenzrecht (das regelt, was geschieht, wenn eine Privatperson oder eine Firma ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen kann) ist für zwei Gruppen unserer Gesellschaft von besonderer Bedeutung: für diejenigen an der Spitze (die Banker) und für diejenigen ganz unten, die kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen.
Das Insolvenzrecht soll überschuldeten Privatpersonen einen Neuanfang ermöglichen. Die Vorstellung, dass Schulden unter bestimmten Umständen erlassen werden sollten, hat eine lange Tradition, die zumindest bis zum 3. Buch Mose zurückreicht, in dem es heißt, dass in einem Jubeljahr alle Schulden erlassen wurden. Praktisch jede moderne Volkswirtschaft hat ein Insolvenzrecht. Die Gesetze können entweder schuldner- oder gläubigerfreundlich gestaltet sein und dementsprechend eine Schuldenbefreiung erleichtern oder erschweren. Ihre konkrete Ausgestaltung hat weitreichende Verteilungsfolgen, aber die Anreizeffekte können genauso wirkmächtig sein. Wenn es keine oder keine leichte Schuldenbefreiung gibt, haben Kreditgeber einen schwächeren Anreiz, bei der Kreditvergabe vorsichtig zu sein – und einen stärkeren Anreiz zu ausbeuterischen Kreditgeschäften.
Im Jahr 2005, gerade als der Hypothekenboom seinen Anfang nahm, verabschiedete der Kongress ein neues, gläubigerfreundliches Insolvenzrecht, das die Position der Banken weiter stärkte und es für Schuldner in einer Notlage noch schwieriger machte, sich von ihren Schulden zu befreien. Die Gesetzesänderung führte ein System der »partiellen Schuldknechtschaft« ein. Eine Person, deren Schulden sich beispielsweise auf 100 Prozent ihres Einkommens beliefen, konnte gezwungen werden, der Bank für den Rest ihres Lebens 25 Prozent ihres Bruttoeinkommens abzutreten. Und zwar deshalb, weil die Bank auf den geschuldeten Betrag jedes Jahr Zinsen von beispielsweise 30 Prozent draufschlagen konnte. Letztlich würden die Schulden eines Hypothekeninhabers ein Vielfaches der ursprünglichen Kreditsumme betragen. Der Schuldner würde so tatsächlich ein Viertel seiner Arbeitszeit für die Bank arbeiten.16
Bei jedem Kreditgeschäft steht ein (in den Vertrag) einwilligender Kreditgeber einem einwilligenden Kreditnehmer gegenüber; von den Banken nimmt man an, dass sie sich in Finanzierungsfragen auskennen und wissen, welche Schuldenlast Kreditnehmer tragen können. Aber in einem verzerrten Finanzsystem wurde größerer Wert auf die Vorausgebühren, die sich rasch im Gewinn der Banken niederschlugen, gelegt als auf die Verluste, die irgendwann in der Zukunft anfallen mochten. Ermutigt durch das neue Insolvenzrecht, glaubten die Banker, ihren glücklosen Kreditnehmern das Geld schon irgendwie abpressen zu können, ganz gleich, was mit dem Immobilienmarkt und der Arbeitslosigkeit passierte. Diese verantwortungslose Kreditvergabe hat in Verbindung mit arglistiger Täuschung und gelegentlichen Wucherzinsen viele Haushalte an den Rand des finanziellen Ruins gebracht. Trotz sogenannter Reformen berechnen Banken manchmal noch immer Zinsen von fast 30 Prozent pro Jahr (was bedeutet, dass aus hundert Dollar Schulden in nur neun Jahren tausend Dollar werden können). Außerdem können sie erdrückende Gebühren verlangen. Auch wenn einige der schlimmsten Missbräuche eingedämmt wurden, etwa die horrenden Überziehungszinsen (die den Banken jährlich Milliardengewinne einbrachten,17 Geld, das einfachen Bürgern aus der Tasche gezogen wurde), gehen viele andere weiter.
Mit der Verabschiedung des neuen Insolvenzrechts wurden die Eigentumsrechte geändert, und zwar in einer Weise, die die Banken begünstigte. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Kreditnehmer verschuldeten, galt ein humaneres Insolvenzgesetz, das ihnen eine Chance zu einem Neuanfang eingeräumt hätte, wenn die Schuldenlast allzu drückend wurde. Die Banken beklagten sich nicht über diese Änderung der Eigentumsrechte; schließlich hatten sie lautstark darauf gedrängt. Wenn es andersherum läuft, beklagen die Banken als Immobilieneigentümer natürlich, die Spielregeln würden unvermittelt geändert, und verlangen Schadensersatz.18