Kapitel 7 Gerechtigkeit für alle? Wie Ungleichheit den Rechtsstaat untergräbt
Es gibt zahlreiche Fälle, wo Gesetze Ungerechtigkeiten aufrechterhalten. Ein besonders aufschlussreiches Beispiel liefern die Gesetze zum Schutz und zur Bewahrung der Sklaverei. Obgleich Sklaven kein Wahlrecht besaßen, behandelte die US-Verfassung Sklaven als »Dreifünftel-Menschen«, was die (von der jeweiligen Einwohnerzahl abhängige) Sitzzuteilung für die einzelnen Bundesstaaten im US-Kongress betraf. Damit war garantiert, dass die weißen Sklavenhalter der Südstaaten in der Regierung überproportional vertreten waren. Im Anschluss an den Bürgerkrieg stellten die Rassentrennungsgesetze (Jim Crow Laws) sicher, dass Afroamerikaner abgesondert und ökonomisch ausgegrenzt wurden. Ähnlich wie im Feudalismus des europäischen Mittelalters konnten Grundbesitzer afroamerikanische Arbeitskräfte zu günstigeren Bedingungen beschäftigen: In diesem Fall wurde die Rechtsetzung dazu benutzt, Reichtum und Einkommen der weißen Grundeigner zu steigern. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen zum Arbeitszwang und den rechtlichen Bestimmungen, die seine Durchsetzung erleichtern sollten. Vgl. zum Beispiel S. Naidu, »Recruitment Restrictions and Labor Markets: Evidence from the Postbellum U.S. South«, Journal of Labor Economics 28 (2010), Nr. 2, S. 413 – 445; Stanley Engerman, »Economic Adjustments to Emancipation in the United States and British West Indies«, Journal of Interdisciplinary History 13 (1982), S. 191 – 220, sowie S. Naidu und N. Yuchtman, »How Green Was My Valley? Coercive Contract Enforcement in 19th Century Industrial Britain«, NBER Arbeitspapier Nr. 17051, 2011, <http://www.nber.org/papers/w17051> [4. März 2012].
Das bislang gänzlich ungelöste Problem der Atommüll(end)lagerung ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Kernkraftwerke ihre Betriebskosten nicht vollständig selbst tragen müssen. Da die radioaktiven Abfälle für Zehntausende von Jahren gefährlich bleiben, werden die Kosten für eine sachgerechte Entsorgung auf zukünftige Generationen abgewälzt, unabhängig von der Frage, ob die Betreibergesellschaft bis dahin überhaupt noch existiert.
Die versteckte und offene Subventionierung anderer Formen der Energieerzeugung etwa aus Kohle kompliziert die Frage weiter. Der Markt ist so verzerrt, dass sich kaum absehen lässt, was sich in einem effizienten Markt herausbilden würde.
Das Vergleichsverfahren läuft noch. BP stellte zwanzig Milliarden Dollar für die Gulf Coast Claims Facility bereit. Der von Kenneth Feinberg verwaltete Fonds hat bis Februar 2012 Auszahlungen in einer Gesamthöhe von 7,96 Milliarden Dollar bewilligt; vgl. die BP-Website <http://www.bp.com/sectiongenericarticle.do?categoryId=9036580&contentId=7067577> [4. März 2012]. Die Konstruktion des Fonds hat einige Kritik auf sich gezogen. Ein Rechtswissenschaftler kommt zu folgendem Schluss: »Die Gulf Coast Claims Facility steht für einen unbemerkten, schleichenden Trend zur außergerichtlichen, privaten Regulierung von Massen-Schadensersatzansprüchen. Dieser Regulierungsfonds wurde (im Fall des GCCF) von einem schuldhaft handelnden Beklagten eingerichtet, der nicht an Rechtsnormen gebunden ist, und er wird von einem Gerichtsbeauftragten verwaltet, der über unbegrenzte Ermessensspielräume verfügt, die keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegen, und der zudem im Dienst des Schadensverursachers steht. Was immer auch ansonsten für den GCCF ins Feld geführt wird, diese Entwicklung ist beunruhigend.« L. Mullenix, »Prometheus Unbound: The Gulf Coast Claims Facility as a Means for Resolving Mass Tort Claims – A Fund Too Far«, Louisiana Law Review 71 (2011), S. 823. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches wird ein außergerichtlicher Vergleich zwischen BP und den Anwälten der Kläger geprüft; vgl. »Accord Reached Settling Lawsuit over BP Oil Spill«, New York Times vom 3. März 2012, S. A1. ProPublica, eine gemeinnützige NGO für investigativen Journalismus, hat ausführlich über die Folgen der BP-Ölkatastrophe und auch über Korruption bei den Aufräumarbeiten berichtet; vgl. <http://www.propublica.org/topic/gulf-oil-spill/>.
R.H. Coase, »The Problem of Social Cost«, Journal of Law and Economics 3 (1960), S. 1 – 44.
Dies ist insbesondere bei Informationsasymmetrien der Fall, wenn also eine Seite leichteren Zugang zu Informationen hat als die andere. Ist eine Gruppe über das Schadensrisiko schlechter informiert als eine andere (eine häufige Situation), dann sind die besser Informierten eher in der Lage, den Schaden zu verhüten. Auch andere Marktunvollkommenheiten können sich auf die Effizienz alternativer Zuweisungen von Eigentumsrechten auswirken. Wenn beispielsweise eine Gruppe keine Kredite bekommt, kann sie möglicherweise nicht zahlen.
In vielen Fällen ist nicht klar, wer einen externen Effekt auf wen ausübt. Der Fahrer, der mit einem anderen Fahrzeug zusammenstößt, hätte den Unfall nicht gebaut, wenn der andere Fahrer sich nicht zu diesem Zeitpunkt an der Stelle befunden hätte. Das Rauchen anderer könnte bei einem Nichtraucher nicht zu Krebs führen, wenn sich der Nichtraucher nicht den »Nebenwirkungen« von Rauchern ausgesetzt hätte, indem er sich in deren Nähe aufhielt. In diesen und den meisten anderen Fällen besteht ein allgemeiner Konsens: Diejenigen, die vorsichtig fahren, sollten das Recht haben, Auto zu fahren, ohne sich über das Risiko eines Unfalls, der von einem rücksichtslosen Fahrer verursacht wird, den Kopf zu zerbrechen; die gewöhnlichen Bürger sollten das Recht haben, saubere Luft zu atmen.
John Stuart Mill unterscheidet in On Liberty (1869) zwischen fremd- und selbstbezogenen Handlungssphären. In seiner Theorie hat jeder das Recht, zu tun, was er will, solange er andere nicht schädigt.
Und um Überzeugungen und Wahrnehmungen zu prägen, die ihrerseits die Vermutungen prägen, die eine so wesentliche Rolle spielen, wenn Richter und Geschworene die Stichhaltigkeit der Verdienste beider Seiten in einem Prozess beurteilen.
Vgl. G. Morgenson und Joshua Rosner, Reckless Endangerment: How Outsized Ambition, Greed, and Corruption Led to Economic Armageddon, New York 2011. Konkret behaupteten die Ratingagenturen, sie könnten keine RMBS (durch Hypotheken auf private Wohnimmobilien gesicherte Wertpapiere) auf der Basis von Hypotheken, die in New Jersey und Georgia ausgestellt wurden, bewerten, und zwar deshalb, weil RMBS-Inhaber nach dem Consumer Protection oder Predatory Lending Law der Bundesstaaten haftbar wären. Dem Gesetz gegen ausbeuterische Kreditgeschäfte des Bundesstaates Georgia (Georgia Fair Lending Act) zufolge würde die Pflicht zur Schadensersatzleistung in unbegrenzter Höhe für ausbeuterische Kreditgeschäfte zur gegebenen Zeit auch RMBS-Inhaber treffen. Dies führte 2003 zur Novellierung des Gesetzes. Eine ähnliche Kette von Ereignissen spielte sich in New Jersey ab und führte im Juni 2004 zur Abänderung des New Jersey Homeownership Security Act von 2002, um die Kreditgeber zu beschwichtigen. Vgl. auch die Diskussion in: B. Keys, T. Mukherjee, A. Seru und V. Vig, »Did Securitization Lead to Lax Screening? Evidence from Subprime Loans«, Quarterly Journal of Economics 125 (2010), Nr. 1, S. 307 – 362.
Unter anderem durch Einschaltung der Bankaufsichtsbehörden des Bundes, insbesondere des Office of the Controller of the Currency (OCC), jener Abteilung innerhalb des US-Finanzministeriums, die für die Bankenaufsicht zuständig ist, und des OTS (Office of Thrift Supervision, einer Behörde, die ursprünglich zur Beaufsichtigung der Bausparkassen gegründet worden war). Beide Behörden machten gegen strengere einzelstaatliche Vorschriften den Vorrang von Bundesrecht geltend, wenn es um die Regelungskompetenz für bundesweit tätige Banken ging. Dies bedeutete, dass, falls ein Bundesstaat versuchen sollte, die Banken auf seinem Hoheitsgebiet strenger zu regulieren, die strengeren Standards nur für einzelstaatlich konzessionierte Banken gelten würden, die dann weniger wettbewerbsfähig wären als die vom Bund konzessionierten Finanzinstitute. Schlimmer noch, »einige Bundesstaaten wie etwa Georgia haben Gleichstellungs- oder ›Joker‹-Gesetze, die einzelstaatlich konzessionierte Banken und Sparkassen und ihre Tochtergesellschaften im gleichen Umfang von einzelstaatlichen Gesetzen gegen unlautere Kreditgeschäfte ausnehmen wie landesweite Banken und Bundessparkassen«; vgl. P. McCoy und E. Reunart, »The Legal Infrastructure of Subprime and Nontraditional Home Mortgages«, Joint Center for Housing Studies Harvard University, UCC08-05. Der Leiter der staatlichen Bankenaufsicht versuchte Bedenken wegen dieser Geltendmachung vorrangiger Bundesbefugnisse zu zerstreuen: »Wir … schützen Verbraucher, wo immer wir auf missbräuchliche Praktiken stoßen«; vgl. <http://www.occ.gov/static/news-issuances/news-releases/2003/nr-occ-2003-57. pdf>. Vgl. auch die umfassende Diskussion des Rechtsgrundsatzes Bundesrecht bricht Landesrecht in: Mike Konczal, <http://rortybomb.wordpress.com/2010/03/01/cfpa-i-preemption-or-what-a-bad-cfpa-would-look-like//2010/03/01/cfpa-i-preemption-or-what-a-bad-cfpa-would-look-like/>.
In meinem Buch Im freien Fall, München 2010, gehe ich ausführlich auf die breite Palette minderwertiger Finanzprodukte und ihre Konsequenzen ein.
Genauso wie die Arzneizulassungsbehörde FDA Verbraucher vor gefälschten, gesundheitsgefährdenden und wirkungslosen Medikamenten schützt.
Wie die Tatsache belegt, dass eine der größeren Banken Europas pleiteging, kurz nachdem sie den »Stresstest« der europäischen Regulierungsbehörden – mit dem man herausfinden wollte, wie es ihr in einem ungünstigen Marktumfeld erginge – mit Bravour bestanden hatte. Private Ratingagenturen haben ebenfalls bewiesen, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen sind.
Bei den ersten Rettungspaketen bekam der Steuerzahler etwa 65 Cents von jedem Dollar zurück, aber bei späteren Deals, insbesondere mit dem Versicherer AIG und der Citibank, nur noch etwa 41 Cents pro Dollar zurück. Vgl. Congressional Oversight Panel, »Valuing Treasury’s Acquisitions«, February Oversight Report, 6. Februar 2009, <http://cop.senate.gov/reports/library/report-020609-cop.cfm>. Obwohl das Rechtssystem den einfachen Bürger benachteiligt, hatte das Fehlverhalten der Banken solche Ausmaße angenommen, dass sie in einem gewissen Umfang zur Rechenschaft gezogen wurden – wenn auch nicht ausreichend, um die gewaltigen Profite abzuschöpfen, die sie mit ihren ausbeuterischen Kreditgeschäften machten, die sie oftmals mittellosen Afroamerikanern und Latinos angedreht hatten. Dies wird ausführlich in Kapitel 3 erläutert.
Obwohl viele Hypotheken rückgriffslos waren (die Gläubiger lediglich Anspruch auf die Immobilie erheben, nicht die übrigen Vermögenswerte des Schuldners pfänden konnten) und daher von dieser Bestimmung möglicherweise nicht betroffen waren, war der Großteil der zweitklassigen Hypothekendarlehen mit zweiten Hypotheken besichert, auf die Regress genommen werden konnte. Die Änderung im Insolvenzgesetz betraf solche Kredite.
Die durchschnittlichen Überziehungszinsen pro Transaktion belaufen sich auf 30 bis 35 Dollar, und sie sind in den letzten fünf Jahren um fast 20 Prozent gestiegen. Im Jahr 2011 steuerten sie geschätzte 30 Milliarden Dollar zu den Gewinnen der Banken bei. 90 Prozent der Gebühren werden von 10 Prozent der Kunden – überwiegend Geringverdiener – gezahlt. Der Versuch, die Gebühren 2010 zu begrenzen, scheiterte auch deshalb, weil die Kunden von den Banken in die Irre geführt wurden. Richard Cordray, der Leiter der neuen Verbraucherschutzbehörde, kritisierte Bankenpraktiken, die auf die Verschleierung der anfallenden Gebühren abzielten. In einem Leitartikel in der New York Times wurden die Geschäftsmethoden von Banken geschildert, die »bewusst Informationen versteckten und die Verbraucher dazu zwangen, drei Websites aufzusuchen und 50 Seiten Text durchzublättern, ehe sie die Angaben über die Gebühren finden«. Vgl. »A Further Look at Overdraft Fees«, New York Times vom 27. Februar 2012, S. A16. Der Artikel nimmt unter anderem auf Daten von Moebs Services Bezug, einem Forschungsunternehmen, das sowohl für die Regierung als auch für einige Banken Studien durchgeführt hat. Vgl. auch FDIC Study of Bank Overdraft Programs, November 2008, Executive Summary, <http://www.fdic.gov/bank/analytical/overdraft/FDIC138_ExecutiveSummary_v508.pdf> [22. Februar 2012].
Sie nennen das dann »regulatorische Enteignung«. Aber jede Gesetzesänderung, die sich auf Verträge oder Immobilien auswirkt, hat Umverteilungswirkungen.
Vgl. zum Beispiel »Where the Jobs Are, the Training May Not Be«, New York Times vom 2. März 2012, S. A1. In dem Artikel heißt es: »Technisches, ingenieurwissenschaftliches und medizinisches Fachwissen gehört zu den wenigen Qualifikationen, die selbst auf dem heutigen flauen Arbeitsmarkt heiß begehrt sind. Leider gehören die entsprechenden Fächer auch zu den Studiengängen, die sehr hohe Investitionen erfordern.« Daher, so heißt es weiter, hätten sieben Bundesstaaten die Fachbereiche für Ingenieurwissenschaften und Informatik abgeschafft. In einem Community College in North Carolina – einem Bundesstaat, in dem händeringend nach Pflegekräften gesucht wird – »kommen auf die verfügbaren Studienplätze im Pflegebereich so viele Bewerber, dass es eine ›Warteliste für die Warteliste‹ gibt«.
In Kapitel 4 präsentierte ich Daten, die die hohe Verschuldung jenes Zweidrittels der Studenten zeigten, die bei ihrem Abschluss verschuldet waren – im Schnitt mit über 25 000 Dollar. Wenn man Darlehen der Eltern einrechnet, liegen die Zahlen sogar noch um ein Drittel höher. Die Verbindlichkeiten von Studenten an gewinnorientierten Hochschulen lagen durchschnittlich um 45 Prozent höher als die von Studenten an anderen Hochschulen. Diese Durchschnittszahlen verschleiern die Tatsache, dass viele Studenten insbesondere an gewinnorientierten Hochschulen extrem hohe Studentendarlehensschulden hatten. Fast ein Viertel der Studenten, die 2008 an gewinnorientierten Hochschulen einen Bachelor-Abschluss machten, hatten über 40 000 Dollar an Krediten aufgenommen, gegenüber 5 Prozent an öffentlichen Einrichtungen und 14 Prozent an gemeinnützigen Colleges. Die Schuldenlast hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Studenten, die 2008 einen Bachelor-Abschluss machten, hatten, inflationsbereinigt, um 50 Prozent höhere Verbindlichkeiten als Absolventen im Jahr 1996; diejenigen, die ein Associate Degree (Abschluss nach zweijährigem Studium an einem Community oder Junior College) machten, hatten jetzt eine doppelt so hohe Schuldenlast. Vgl. »Subprime Opportunity: The Unfulfilled Promise of For-Profit Colleges and Universities«, Education Trust, November 2010, <http://www.edtrust.org/sites/edtrust.org/files/publications/files/Subprime_report.pdf>; »The Rise of College Student Borrowing«, Studie des Pew Research Center, veröffentlicht am 23. November 2010, <http://www.pewsocialtrends.org/files/2010/11/social-trends-2010-student-borrowing. pdf> [4. März 2012], sowie das Project on Student Debt, »Student Debt and the Class of 2010«, November 2011, <http://projectonstudentdebt.org/pub_view.php?idx=791> [4. März 2012]. Als hervorragende journalistische Darstellung dieser Fragen vgl. Tamar Lewin, »Report Finds Low Graduation Rates at For-Profit Colleges«, New York Times vom 23. November 2010, sowie dies., »College Graduates’ Debt Burden Grew, Yet Again, in 2010«, New York Times vom 2. November 2011.
Genauer gesagt, erweiterte es das Verbot der Schuldbefreiung auf Forderungen privatwirtschaftlicher Kreditgeber, und hier kommt es dann zu ganz massiven Fehlanreizen.
Wenn dieses Segment des Bildungsmarktes besser funktionierte, würden Reputationseffekte disziplinierend wirken und Anreize schaffen. U.S. News veröffentlicht sogar die Kreditausfallquoten großer gewinnorientierter Online-Hochschulen, wobei die Kaplan University bemerkenswerte 17,2 Prozent erreicht (im Gegensatz zu privaten, gemeinnützigen Hochschulen, deren Durchschnitt 4 Prozent beträgt). Die University of Phoenix verzeichnet eine Ausfallquote von 12,9 Prozent. Und doch schrecken diese Zahlen nicht von der Einschreibung ab oder jedenfalls nicht ausreichend; vgl. <http://www.usnews.com/education/online-education/articles/2010/09/15/loan-default-rates-at-prominent-online-universities> [5. März 2012].
Nur 22 Prozent der Vollzeit-Bachelor-Studenten (im Erststudium) an gewinnorientierten Colleges machen ihren Abschluss innerhalb von sechs Jahren, im Vergleich zu 55 Prozent bei öffentlichen Institutionen und 65 Prozent an privaten, gemeinnützigen Colleges. Vgl. »Subprime Opportunity«, Education Trust, 2010 (siehe Anm. 20).
Die Hochschulen haben nicht nur hohe Abbrecherquoten, sondern, aufgrund dessen, auch hohe Ausfallquoten. Etwa 8,8 Prozent der Studentendarlehensnehmer, die 2009 mit der Rückzahlung begannen, waren Ende 2010 in Verzug, gegenüber 7 Prozent bei der vorherigen Kohorte, und die Hälfte der Zunahme kommt von gewinnorientierten Hochschulen. Vgl. Eric Lichtblau, »With Lobbying Blitz, For-Profit Colleges Diluted New Rules«, New York Times vom 9. Dezember 2011, und Project on Student Debt, »Sharp Uptick in Federal Student Loan Default Rates«, 12. September 2011. Ein Leitartikel in der New York Times (»Fraud and Online Learning« vom 5. Oktober 2011) verweist auf den grassierenden Betrug im gewinnorientierten Bildungssektor: »Die Abteilung des Generalinspekteurs des Bildungsministeriums behauptet, seit 2005 hundert Ermittlungsverfahren eingeleitet zu haben und 49 Beschwerden zu prüfen.«
Aufgrund des von Präsident Obama im März 2010 unterzeichneten Gesetzes dürfen Privatbanken keine vom Bund geförderten Studentendarlehen mehr vergeben. Das CBO bezifferte die Nettoeinsparungen auf über 60 Milliarden Dollar über zehn Jahre – diese Summe hatte der Steuerzahler den Banken letztlich zum Geschenk gemacht. CBO, »Costs and Policy Options for Federal Student Loan Programs«, März 2010, <http://www.cbo.gov/sites/default/files/cbofiles/ftpdocs/110xx/doc11043/03-25-student-loans.pdf> [22. Februar 2012].
Hohe Zinsen führen aus mehreren Gründen zu erhöhten Risiken. Nur diejenigen, die hochriskanten Geschäften nachgehen, sind bereit, die hohen Zinsen zu zahlen (der »Selektionseffekt«); um die Erträge zu erwirtschaften, die notwendig sind, um den Kredit samt Zinsen zurückzuzahlen, muss der Kreditnehmer hochriskanten Aktivitäten nachgehen (der Anreizeffekt); und Kreditgeber, die höchst zufrieden sind mit den hohen Erträgen, die sie mit den zurückgezahlten Krediten erwirtschaften, werden Antragsteller möglicherweise weniger sorgfältig prüfen. Vgl. J. E. Stiglitz und A. Weiss, »Credit Rationing in Markets with Imperfect Information«, American Economic Review 71, Nr. 3 (Juni 1981), S. 393 – 410. Seit 1990 hat das US-amerikanische Bundesrecht in zunehmendem Maße einzelstaatliche Gesetze, die Zinswucher einzuschränken versuchten, de facto außer Kraft gesetzt.
Vgl. Der Reichtum der Dritten Welt. Wie wir die Armut mit Gewinnen besiegen können, München 2006.
Der ehemalige Gouverneur der Reserve Bank of India – der indischen Notenbank – stellte ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen Mikrokrediten in Indien und dem Geschäft mit zweitklassigen Hypotheken in den USA her; vgl. Y. V. Reddy, »Microfinance in India Is like Subprime Lending«, Economic Times vom 23. November 2010.
Die Abteilung für Hypothekenbetrug des FBI berichtet, dass die Zahl der Betrugsfälle auch im Jahr 2010 hoch blieb. Die Anzahl der Meldungen über Hypothekenbetrug-Verdachtsfälle versechsfachte sich zwischen 2003 und 2007. (Nach dem Platzen der Immobilienblase waren Käufer auch stärker sensibilisiert für die Möglichkeit, arglistig getäuscht worden zu sein.) Vgl. FBI Mortgage Fraud Reports, Daten über die Berichte von 2007 und 2010, <http://www.fbi.gov/stats-services/publications/mortgage-fraud-2010> und <http://www.fbi.gov/stats-services/publications/mortgage-fraud-2007/mortgage-fraud-2007>.
Einen Überblick über die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen bietet Christopher L. Peterson, »Two Faces: Demystifying the Mortgage Electronic Registration System’s Land Title Theory«, William and Mary Law Review 53 (2011), Nr. 1, S. 111 – 161 (das Zitat stammt von S. 138), <http://scholarship.law.wm.edu/wmlr/vol53/iss1/4> [4. März 2012].
Wie es der Oberste Gerichtshof im Citizens-United-Verfahren offenkundig forderte; vgl. Kapitel 5.
Phil Angelides, Leiter der Financial Crisis Inquiry Commission, die die Ursachen der Finanzkrise aufdecken sollte, stellte fest: »Heute werden weniger als halb so viele Bundesstrafverfahren wegen Finanzbetrugs durchgeführt« wie während des Bausparkassendebakels. Er wies auch daraufhin, dass sein Budget für die Untersuchung der Krisenursachen einschließlich des Fehlverhaltens der Banken 9,8 Millionen Dollar betrage – etwa ein Siebtel des Budgets von Oliver Stones Film Wall Street: Money Never Sleeps. Vgl. »Will Wall Street Ever Face Justice«, New York Times vom 2. März 2012. Vgl. auch W. K. Black, K. Calavita und H.N. Pontell, »The Savings and Loan Debacle of the 1980s: White-Collar Crime or Risky Business?«, Law and Policy 17 (1995), Nr. 1, S. 23 – 55. Zu unserer gegenwärtigen Krise vgl. Matt Stoller, »Treat Foreclosure as a Crime Scene«, Politico vom 15. Dezember 2011. Jamie Galbraith von der University of Texas hat nachdrücklich im gleichen Sinne argumentiert. Die Banken verstießen auch gegen andere Gesetze – wobei sie ebenfalls nur begrenzt strafrechtlich belangt wurden. Das Office of the Controller of the Currency, die Bankenaufsichtsbehörde des Bundes, berichtete im November 2011, gegen 5000 Angehörige der US-Streitkräfte im aktiven Dienst sei möglicherweise unrechtmäßig die Zwangsversteigerung aus einer Hypothek erwirkt worden (dies war das Ergebnis einer Studie über gerade einmal zehn Banken). Vgl. S. Nasiripour, »US Lenders Review Military Foreclosures«, Financial Times vom 28. November 2011.
Der Umstand, dass die Banken nicht strafrechtlich belangt wurden, ist nur eine Facette des grundsätzlicheren Versagens, das darin besteht, dass der Finanzsektor nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Financial Inquiry Commission beschrieb, dass die Firma Clayton Holdings, die von über zwanzig großen Finanzinstituten damit beauftragt worden war zu prüfen, ob man bei der Vergabe und der Bestandsverwaltung von Hypotheken die verkehrsübliche Sorgfalt hatte walten lassen (um sicherzustellen, dass die Hypothekennehmer nicht arglistig getäuscht wurden und alle einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten wurden), dass also Clayton Holdings stichprobenartig zwei bis drei Prozent der Transaktionen überprüfte und selbst in dieser kleinen Stichprobe eine erhebliche Zahl mangelhafter Kredite entdeckte. Aber die Banken verlangten nun nicht etwa, dass auch die übrigen 97 Prozent überprüft würden, und sie legten auch gegenüber Investoren keinerlei Informationen über mangelhafte Kredite offen, wie es das Wertpapiergesetz verlangt. Ganz offensichtlich werden diese Rechtsverstöße noch immer nicht geahndet. Vgl. Angelides, »Will Wall Street Ever Face Justice« (siehe Anm. 32).
Es ist schwer, an genaue Zahlen zu kommen. Zum Zeitpunkt des im Januar 2012 zwischen Banken und Regierung geschlossenen Vergleichs wegen der missbräuchlichen Praktiken im Zusammenhang mit Hypotheken wurde die Zahl der Zwangsversteigerungen seit dem Platzen der Immobilienblase auf fast acht Millionen beziffert. Vgl. D. Kravitz, »Banks’ Agreement to Overhaul Mortgage Industry Sent to States«, Associated Press vom 24. Januar 2012. Der Gouverneur der New Yorker Regionalbank der US-Notenbank, William Dudley, behauptete, die Zahl der Zwangsversteigerungen könne 2012 und 2013 steigen (das heißt genau genommen, dass Immobilien den Banken übereignet werden) – bis auf 1,8 Millionen pro Jahr, gegenüber etwa 1,1 Millionen 2011 und etwa 600 000 im Jahr 2010. Vgl. Dudley, »Housing and the Economic Recovery«, Remarks at the New Jersey Bankers Association Economic Forum, Iselin, NJ, <http://www.newyorkfed.org/newsevents/speeches/2012/dud120106.htmlA [29. Januar 2012].
Die Wahlkampfspenden bei den Direktwahlen von Richtern haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt: Sie stiegen von 83,3 Millionen im Zeitraum 1990 bis 1999 auf 206,9 Millionen Dollar 2000 bis 2009. Hohe Richter wurden von finanzkräftigen Herausforderern besiegt; immer mehr aggressive, verunglimpfende Werbespots finden den Weg ins Fernsehen. Vgl. J. Sample, A. Skaggs, J. Blitzer und L. Casey, »The New Politics of Judicial Elections, 2000 – 2009: Decade of Change«, Brennan Center for Justice, New York University School of Law. Auch setzt sich immer mehr der Eindruck durch, die Justiz sei käuflich: Während Bürger, erwartungsgemäß, befürchten, dass »Wahlkampfspenden das Ergebnis von Gerichtsentscheidungen beeinflussen«, stimmt ihnen darin bemerkenswerterweise »fast die Hälfte der Richter an einzelstaatlichen Gerichten« zu; vgl. <http://www.brennancenter.org/content/resource/the_new_politics_of_judicial_elections/> [7. März 2012].
Ally, vormalig GMAC, an der die Bundesregierung eine Beteiligung in Höhe von 74 Prozent hält.
Zitiert in: Gretchen Morgenson, »Massachusetts Sues 5 Major Banks over Foreclosure Practices«, New York Times vom 2. Dezember 2011, S. B1 und B9. Der Generalstaatsanwalt von New York State, Eric Schneiderman, verklagte die Bank of America, Wells Fargo und JPMorgan Chase, und er beschrieb ihr Vorgehen als einen »arglistigen und raffinierten« Versuch, das traditionelle öffentliche Grundbuchsystem auszutricksen. Das Motiv dafür lag auf der Hand: zwei Milliarden Dollar Eintragungsgebühren sparen. MERS bestritt die Anschuldigungen natürlich. Vgl. »New York Sues 3 Big Banks Over Mortgage Database«, New York Times vom 4. Februar 2012, S. B6.
Die Darstellung stützt sich auf eine Datenanalyse von Lender Processing Services. Die Durchschnittsdauer bei großen Krediten betrug 792 Tage, bei kleinen 611 Tage. Die Unterschiede waren besonders eklatant in US-Bundesstaaten, die ein Gerichtsverfahren vorschreiben. In Kalifornien, einem Bundesstaat, der dies nicht tut, dauerten Zwangsvollstreckungen bei großen Hypotheken trotzdem 50 Prozent länger als solche bei kleinen Hypotheken, nämlich 671 Tage gegenüber 445 Tagen. Vor der Hypothekenkrise, als sämtliche Verfahren genauso abliefen, wie es gesetzlich geregelt ist, gab es interessanterweise praktisch keinen Unterschied: Während die Zwangsvollstreckung bei großen Hypotheken 251 Tage dauerte, waren es bei kleinen Hypotheken 260 Tage. Vgl. Shelly Banjo und Nick Timiraos, »For the Costliest Homes, Foreclosure Comes Slowly«, Wall Street Journal, vom 28. Februar 2012.
Unser komplexes Rechtssystem trägt zu den Kosten und den Unsicherheiten bei. Die Erdölkonzerne haben (zum Teil mit Erfolg) versucht, ihre Haftung zum Beispiel bei Ölkatastrophen zu begrenzen. Gerichte haben Schadensersatzansprüche für ökonomische Schäden zum Beispiel im Gefolge einer Ölkatastrophe, auf die unmittelbar Betroffenen begrenzt. Im Fall der Ölpest nach dem Untergang der Exxon Valdez führte dies dazu, dass viele derer, die durch die Vernichtung der Fischereiwirtschaft geschädigt wurden, keinen Ersatz für ihre entgangenen Gewinne erhielten. Im Oil Pollution Act von 1990 versuchte man einige dieser Haftungsbeschränkungen zu korrigieren. Aber es wird Jahre dauern, ehe wir wissen, ob die geltenden Rechtsvorschriften den Härtetest bestanden haben – angesichts der Legionen von Anwälten, die BP wahrscheinlich mobilisieren wird, in dem Bemühen, seine Schadensersatzleistungen zu beschränken. Die Komplexität der Rechtsfragen verdeutlicht Ronen Perry, »The Deepwater Horizon Oil Spill and the Limits of Civil Liability«, Washington Law Review 86 (2011), Nr. 1, S. 1 – 68.
Das Patentrecht wird schon seit Langem unfair und diskriminierend eingesetzt. So haben etwa die Patentgebühren in Großbritannien von Anfang an dafür gesorgt, dass nur Vermögende Zugang zum Patentsystem hatten. Vgl. Z. Kahn und K. Sokoloff, »Patent Institutions, Industrial Organization and Early Technological Change: Britain and the United States, 1790 – 1850«, in: Technological Revolutions in Europe, hg. von M. Berg und K. Bruland, Cheltenham, UK, 1998. B. Zorina Kahn schreibt: »Unerschwinglich hohe Kosten … beschränkten den Zugang zu Eigentumsrechten bei Erfindungen. Diese Beschränkungen begünstigten die Eliten der Vermögenden beziehungsweise derer, die über außergewöhnliche technische Fähigkeiten verfügten. Erfinder, die ihre Erfindungen im gesamten Königreich schützen lassen wollten, mussten sich mit der Bürokratie dreier Patentsysteme herumschlagen und Gebühren zahlen, die von 100 Pfund für ein englisches Patent bis zu 300 Pfund für Eigentumsrechte reichten, die sich darüber hinaus auch auf Irland und Schottland erstreckten.« Vgl. Khan, »Intellectual Property and Economic Development: Lessons from American and European History«, unveröff. Manuskript, 2003. Vgl. auch dies., The Democratization of Invention: Patents and Copyrights in American Development, 1790 – 1920, New York 2005.
Auf den unteren Ebenen entscheiden Gerichte anders als die übergeordneten Gerichte, so dass sich das gesamte Verfahren sehr lange hinziehen kann. Außerdem wird das Patent vielleicht in einigen Gerichtsbezirken anerkannt, in anderen dagegen nicht. Vgl. S. Decker, »NTP Wins Court Ruling on 7 Patents from Apple, AT&T Cases«, Bloomberg, 1. August 2011. Als ältere und umfassendere Diskussion dieser Fragen vgl. J. E. Stiglitz, Die Chancen der Globalisierung, Berlin 2006.
Das Patentsystem ließe sich auch so ausgestalten, dass es keinen Spielraum für Erpressung bietet, etwa als Haftpflichtsystem, bei dem jemand nach Zahlung einer »angemessenen« Gebühr das Recht bekommt, jedes beliebige Patent zu nutzen. Alternative Modelle für den Schutz geistigen Eigentums ermöglichen einen gerechteren Interessenausgleich. Schon kleine Änderungen an den geltenden Vorschriften können weitreichende Verteilungswirkungen haben. In den Vereinigten Staaten gab es eine hitzige Debatte über die Umstellung auf ein System, das demjenigen das Patent gewährte, der als Erster »ein Patent anmeldet«, statt demjenigen, der als Erster »die Erfindung gemacht« hat. Das Anmeldeprinzip verschafft Großunternehmen einen gewaltigen Vorteil, denn sie beschäftigen ein Heer von Patentanwälten, die in der Lage sind, unmittelbar nachdem eine patentierbare Erfindung gemacht wurde, ein Patent anzumelden. Vgl. die Arbeit von Jerome H. Reichman u.a., »Saving the Patent Law from Itself: Informal Remarks Concerning the Systemic Problems Afflicting Developed Intellectual Property Regimes«, Advances in Genetics 50 (2003), S. 289 – 303, und die dort zitierte Literatur.
Edward Wyatt, »Judge Blocks Citigroup Settlement with S.E.C.«, New York Times vom 28. November 2011.