Vom Regen in die Traufe: Wie Blasen die Ungleichheit verschärfen

Der Rezession von 1991 suchte die US-Notenbank zum Beispiel mit der Senkung der Leitzinsen und der Ausweitung des Kreditangebots zu begegnen; damit trug sie zur Entstehung der sogenannten Dotcom-Blase bei, einem phänomenalen Kursanstieg bei Technologieaktien, der mit erheblichen Investitionen in diesen Sektor einherging. Dieser Blase lag selbstverständlich eine reale Veränderung zugrunde, ein technischer Wandel, der durch die Revolution in der Kommunikations- und Computertechnik herbeigeführt wurde. Das Internet wurde zu Recht als »transformative Innovation« betrachtet. Der irrationale Überschwang seitens der Investoren ging jedoch über jedes zu rechtfertigende Maß weit hinaus.

Unzureichende Regulierung, mangelhafte Buchführung und unlautere Bankgeschäfte sowie inkompetente Bankangestellte waren an der Entstehung der Blase ebenfalls beteiligt. Banken priesen Aktien an, von denen sie genau wussten, dass es »Nieten« waren. »Leistungszulagen« lieferten den CEOs Anreize, ihre Bilanzen zu frisieren und Gewinne auszuweisen, die weit höher waren als die tatsächlich erzielten. Die Regierung hätte diesem Treiben Einhalt gebieten können: durch stärkere Regulierung der Banken, Deckelung der Leistungszulagen, den Erlass besserer Rechnungslegungsvorschriften und das Einfordern höherer Einschüsse (der Bargeldbetrag, den Anleger aufbringen müssen, wenn sie Aktien kaufen). Aber die Nutznießer der Dotcom-Blase – und insbesondere die Konzernchefs und die Banken – wollten keine staatlichen Eingriffe. Da war eine Party am Laufen, und diese Party dauerte mehrere Jahre. Außerdem waren sie (zu Recht, wie sich zeigte) fest davon überzeugt, dass jemand anders einspringen und die Sache wieder in Ordnung bringen würde.

Allerdings profitierten auch die damaligen Politiker von der Blase. Die irrationale Nachfrage nach Kapitalanlagen während des Dotcom-Booms half, die ansonsten schwächelnde Nachfrage, die durch das hohe Maß an Ungleichheit verursacht wurde, so weit auszugleichen, dass die Regierungszeit von Präsident Bill Clinton zu einer des scheinbaren Wohlstandes wurde. Die Steuereinnahmen aus Veräußerungsgewinnen und anderen Einkommensarten, die durch die Spekulationsblase erzeugt wurden, erweckten sogar den Eindruck einer soliden Haushaltspolitik. Und bis zu einem gewissen Grad konnte die Regierung sich das, was geschah, sogar als »Verdienst« anrechnen: Clintons Politik der Finanzmarktderegulierung und der Senkung von Kapitalgewinnsteuern (was die Spekulation mit Technologie-Aktien rentabler machte) heizte das Ganze noch an.6

Als die Hightech-Blase schließlich platzte, ging die Nachfrage von Unternehmen (insbesondere Technologiefirmen) nach Kapital deutlich zurück. Die Wirtschaft glitt in eine Rezession ab. Nun musste sie durch etwas anderes wiederbelebt werden. George W. Bush gelang es, eine Steuersenkung für die Reichen durch den Kongress zu bringen. Das Gros kam den Superreichen zugute: eine Senkung des Steuersatzes auf Dividenden von 35 auf 15 Prozent, eine weitere Kürzung des Kapitalgewinnsteuersatzes von 20 auf 15 Prozent und eine schrittweise Abschaffung der Erbschaftsteuer.7 Doch da die Reichen einen so großen Teil ihrer Einkünfte sparen, kurbelten diese Steuersenkungen die Konjunktur nur in beschränktem Maße an. Wie ich im Folgenden zeigen werde, bewirkten sie sogar mitunter das Gegenteil dessen, was sie bewirken sollten.

Als die Verantwortlichen in den Aktiengesellschaften erkannten, dass die Dividendensteuer wahrscheinlich nicht so niedrig bleiben wird, hatten sie einen starken Anreiz, ihre Ausschüttungsquote zu maximieren – das heißt so viel von den Unternehmensgewinnen auszuschütten, wie sie konnten, ohne die Überlebensfähigkeit ihres Unternehmens zu gefährden. Dadurch verringerten sich indes die Barreserven, die ihnen zur Verfügung standen, um sich bietende Investitionschancen zu ergreifen. Die Investitionstätigkeit ging jenseits des Immobiliensektors sogar zurück,8 entgegen den Vorhersagen mancher Konservativer.9 (Eine Ursache für die Investitionsschwäche war selbstverständlich die Tatsache, dass viele Firmen während der Spekulationsblase am Technologiemarkt überinvestiert hatten.) Aus dem gleichen Grund hat die Kürzung der Erbschaftsteuer möglicherweise die Ausgabebereitschaft gedämpft; die Reichen konnten jetzt mehr Geld für ihre Kinder und Enkel zurücklegen und hatten damit weniger Anreize, Geld für wohltätige Zwecke zu spenden.10

Bemerkenswerterweise zogen die US-Notenbank und ihr damaliger Präsident Alan Greenspan aus der Dotcom-Blase keine Lehren. Das hing zum Teil mit der Politik der »Ungleichheit« zusammen, die keine alternativen Strategien zuließ, mit denen sich die Konjunktur wieder hätte ankurbeln lassen, ohne eine weitere Blase zu erzeugen – etwa durch Steuersenkungen für die Armen oder erhöhte Ausgaben für dringend benötigte Infrastrukturprojekte. Diese Alternative zu der leichtfertigen Politik, die die Regierung betrieb, war für all jene ein rotes Tuch, die den Staat zurückstutzen und so weit schwächen wollten, dass er keine progressive Besteuerung oder Umverteilungspolitik mehr durchsetzen konnte. Franklin Delano Roosevelt hatte solche Alternativstrategien im Rahmen seines New Deal ausprobiert und war vom Establishment dafür an den Pranger gestellt worden. Tatsächlich retteten niedrige Zinsen, eine laxe Regulierung und ein verzerrter und dysfunktionaler Finanzsektor die Wirtschaft – für kurze Zeit.

Die US-Notenbank produzierte, unabsichtlich, eine weitere Blase, die vorübergehend effektiver war als die letzte, langfristig aber zerstörerischer. Die Notenbanker konnten keine spekulative Aufblähung erkennen, weil aus ihrer ideologisch geprägten Überzeugung, Märkte seien immer effizient, notwendigerweise folgte, dass es keine Blase geben konnte. Die Immobilienblase war effektiver, weil sie nicht nur einige wenige Technologiefirmen, sondern viele Millionen Haushalte, die sich für vermögender hielten, als sie waren, zu Mehrausgaben veranlasste. Binnen eines einzigen Jahres wurde fast eine Billion Dollar an erst- und zweitstelligen Hypothekendarlehen aufgenommen, und ein Großteil davon floss in den Konsum.11 Aber unter anderem deshalb war diese Blase auch zerstörerischer: Als sie platzte, gerieten Zigmillionen Familien an den Rand des finanziellen Ruins. Bevor das Debakel vorüber ist, werden noch Millionen von Amerikanern ihre Häuser verlieren und weitere Millionen ihr ganzes Leben lang darum kämpfen müssen, über die Runden zu kommen.

Überschuldete Haushalte und ein Überangebot an Immobilien belasten die Konjunktur schon seit Jahren und werden es wohl auch noch auf Jahre hinaus tun; das eine wie das andere trägt zu Arbeitslosigkeit und damit einer massiven Ressourcenverschwendung bei. Die Dotcom-Blase hinterließ zumindest etwas Nützliches: Glasfasernetze und neue Technologien, die sich als Motor für die Wirtschaft erweisen sollten. Die Immobilienblase dagegen hinterlässt schlecht gebaute Häuser, die sich in den falschen Regionen befinden und für die Bedürfnisse eines Landes, in dem es den meisten Menschen wirtschaftlich immer schlechter geht, ungeeignet sind. Sie markiert den Höhepunkt einer Dreißigjahresperiode, in der man sich von Krise zu Krise hangelte und einige ausgesprochen naheliegende Lehren nicht zog.

In einer Demokratie mit einem hohen Grad an Ungleichheit kann auch die Politik unausgewogen sein, und wenn eine unausgewogene Politik eine unausgewogene Wirtschaft steuern soll, sind die Folgen potenziell tödlich.

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht
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