Wie man ein nachhaltiges Monopol schafft
Große Vermögen stellen Volkswirte vor ein Problem. Die Wettbewerbsgesetze besagen, dass Gewinne (die über die normale Kapitalrendite hinausgehen) schnell gegen null tendieren sollten. Aber wenn Gewinne auf null herabgedrückt werden, wie können dann Vermögen aufgebaut werden? Wettbewerbsfreie Nischen stellen eine Möglichkeit dar.26 Aber damit lassen sich nachhaltig überzogene Gewinne (die über dem Niveau liegen, das bei funktionierendem Wettbewerb erzielt wurde) nur zu einem geringen Teil erklären. Der Erfolg lockt neue Wettbewerber auf den Markt, und die Gewinne werden schnell verschwinden. Der wirkliche Schlüssel zum Erfolg besteht darin sicherzustellen, dass gar nicht erst Wettbewerber auftreten – beziehungsweise, dass es so lange keinen Wettbewerb gibt, bis man sich eine Monopolstellung verschafft hat, die potenziellen Konkurrenten keine Chance lässt. Der einfachste Weg zu einem nachhaltigen Monopol besteht darin, sich von der Regierung eines erteilen zu lassen. Die britische Krone gewährte etwa der Ostindien-Kompanie vom siebzehnten bis zum neunzehnten Jahrhundert ein Monopol auf den Handel mit Indien.
Doch man kann auch anders an staatlich sanktionierte Monopole kommen. Patente gewähren dem Erfinder in der Regel für eine befristete Zeit ein Monopol auf die Nutzung der Innovation; durch das Patentrecht lässt sich je nach Ausgestaltung die Laufzeit eines Patents verlängern, der Marktzugang für neue Firmen erschweren und die Monopolmacht stärken. Die US-amerikanischen Patentgesetze haben genau das bewirkt. Sie sollen nicht das Innovationstempo maximieren, sondern die Renten.27
Auch ohne staatliches Monopol können Firmen Zugangsschranken errichten. Eine Vielzahl von Praktiken schreckt vom Markteintritt ab, wenn etwa Überkapazitäten aufrechterhalten werden, so dass ein potenzieller neuer Konkurrent weiß, dass das etablierte Unternehmen jederzeit die Produktion steigern und die Preise so weit senken kann, dass sich ein Einstieg für ihn nicht mehr lohnt.28 Im Mittelalter schränkten Zünfte den Wettbewerb erfolgreich ein. Viele Berufe halten an dieser Tradition fest. Obwohl sie vorgeblich nur ein hohes Qualitätsniveau sichern sollen, tragen Zutrittsschranken (ein Numerus clausus für Medizin-Studienplätze oder Zuwanderungsbeschränkungen für ausländische Fachkräfte) dazu bei, Einkommen hoch zu halten.29
An der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert riefen Monopole, auf deren Grundlage viele der damaligen Vermögen zustande kamen, das Rockefellersche eingeschlossen, so große Befürchtungen hervor, dass der US-Kongress unter Präsident Theodore Roosevelt eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedete, die das Ziel verfolgten, Monopole zu zerschlagen und einige dieser Praktiken zu verhindern. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Monopole aufgebrochen – in der Erdöl-, der Tabak- und vielen anderen Branchen.30 Doch wenn wir uns heute in der amerikanischen Wirtschaft umsehen, entdecken wir viele Sektoren, darunter einige von zentraler Bedeutung, in denen mindestens eine Firma eine beherrschende Stellung einnimmt – etwa Microsoft bei den PC-Betriebssystemen oder AT&T, Verizon, T-Mobile und Sprint in der Telekommunikationsbranche.
Drei Faktoren trugen zu dieser stärkeren Monopolisierung von Märkten bei. Erstens gab es erbitterte Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen ökonomischen Denkschulen über die Rolle, die der Staat spielen sollte, um den Wettbewerb zu gewährleisten. Ökonomen der Chicagoer Schule (wie Milton Friedman und George Stigler), die an freie und unregulierte Märkte glauben,31 behaupten, dass auf Märkten per se vollkommener Wettbewerb herrsche32 und dass scheinbar wettbewerbswidrige Praktiken in Wirklichkeit die Effizienz verbessern. Eine massive Kampagne zur »Unterweisung«33 von Menschen und insbesondere Richtern in diesen neuen juristischen und ökonomischen Lehren, die zum Teil von konservativen Stiftungen wie der Olin Foundation finanziert wurde, war erfolgreich. Der Zeitpunkt entbehrte nicht einer gewissen Ironie: Amerikanische Gerichte machten sich die Auffassung zu eigen, Märkte seien »von Natur aus« kompetitiv, also vollkommene Wettbewerbsmärkte, und erlegten jedem, der dies bestritt, eine hohe Beweislast auf, obgleich sich Volkswirte just zu dieser Zeit mit Theorien befassten, die erklären, weshalb Märkte oftmals nicht kompetitiv sind, selbst wenn scheinbar viele Firmen miteinander konkurrieren. So präsentierte beispielsweise ein neues Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaften, die sogenannte Spieltheorie, überzeugende Antworten auf die Frage, warum geheime Absprachen über längere Zeiträume stillschweigend aufrechterhalten werden können. Neue Theorien über unvollständige und asymmetrische Information zeigten unterdessen, wie Unvollkommenheiten in puncto Information den Wettbewerb beeinträchtigen, und neue empirische Befunde unterstrichen die Wichtigkeit und Bedeutung dieser Theorien.
Der Einfluss der Chicagoer Schule sollte nicht unterschätzt werden. Selbst eklatante Verstöße – etwa Verdrängungswettbewerb, bei dem eine Firma ihren Preis senkt, um einen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, und dann ihre Monopolmacht dazu benutzt, um die Preise zu erhöhen – wurden kaum juristisch geahndet.34 Die Chicagoer Schule unterstellt einfach, dass Märkte kompetitiv und effizient sind. Wenn der Marktzutritt leicht wäre, hätte die marktbeherrschende Firma nichts davon, einen Rivalen zu verdrängen, weil die verdrängte Firma sehr schnell durch eine andere Firma ersetzt würde. Aber in Wirklichkeit ist der Markteintritt nicht so leicht, und Verdrängungswettbewerb findet statt.
Ein zweiter Faktor, der die Entstehung von Monopolen begünstigt, hängt mit Veränderungen in unserer Wirtschaft zusammen. In einigen der neuen Wachstumsindustrien fiel die Schaffung von Monopolen vergleichsweise leicht. Viele dieser Sektoren zeichneten sich durch sogenannte Netzwerkexternalitäten aus. Ein offensichtliches Beispiel ist das Computer-Betriebssystem: So, wie es sehr praktisch ist, wenn alle die gleiche Sprache sprechen, so ist es auch sehr praktisch, wenn alle das gleiche Betriebssystem benutzen. Die zunehmende engmaschige Vernetzung weltweit führt von selbst zu Standardisierung. Diejenigen, die ein Monopol auf den ausgewählten Standard besitzen, profitieren.
Wettbewerb wirkt automatisch der Anhäufung von Marktmacht entgegen. Bei hohen Monopolgewinnen streben Konkurrenten danach, sich einen Teil davon anzueignen. Hier kommt der dritte Faktor, der die Monopolmacht in den Vereinigten Staaten gestärkt hat, ins Spiel: Unternehmen haben neue Wege gefunden, um sich potenzieller Konkurrenten zu erwehren und so den Konkurrenzdruck zu verringern. Microsoft ist das Beispiel par excellence. Aufgrund seines Quasi-Monopols bei PC-Betriebssystemen lief Microsoft Gefahr, viel zu verlieren, sollte sein Monopol mittels alternativer Technologien untergraben werden. Die Entwicklung des Internets und des Webbrowsers, mit dem man darauf zugreifen kann, stellte eine ebensolche Bedrohung dar. Netscape brachte den Browser auf den Markt, wobei es sich auf staatlich finanzierte Forschungen stützte.35 Microsoft beschloss, diesen potenziellen Konkurrenten auszuschalten. Das Unternehmen bot ein eigenes Produkt, den Internet Explorer, an, der jedoch auf dem freien Markt nicht wettbewerbsfähig war. Also beschloss Microsoft, mithilfe seiner Monopolstellung bei PC-Betriebssystemen unfaire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Zu diesem Zweck setzte die Firma eine Strategie namens FUZ ein (Furcht, Unsicherheit und Zweifel), mit der sie unter Usern Zweifel hinsichtlich der Kompatibilität streute, indem sie Fehlermeldungen programmierte, die unsystematisch auftauchten, wenn Netscape auf einem Windows-Rechner installiert wurde. Das Unternehmen weigerte sich außerdem, die Angaben zu machen, die notwendig gewesen wären, um volle Kompatibilität herzustellen, als neue Windows-Versionen entwickelt wurden. Und in einem besonders raffinierten Schachzug bot es den Internet Explorer gratis an – als integralen Bestandteil seines Betriebssystems. Es ist schwer, gegen einen Preis von Null zu konkurrieren. Netscapes Schicksal war damit besiegelt.36 Selbstverständlich ist es keine ertragsmaximierende Strategie, etwas kostenlos zu verkaufen – nicht auf kurze Sicht. Aber Microsoft hatte eine langfristige Vision: die Aufrechterhaltung seines Monopols. Dafür war das Unternehmen bereit, kurzfristig Opfer zu bringen. Microsoft hatte Erfolg, aber das Unternehmen ging dabei so unverfroren vor, dass es vor Gerichten auf der ganzen Welt wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens verklagt wurde. Und doch blieb Microsoft letztlich siegreich – denn das Unternehmen erkannte, dass ein einmal erreichtes Monopol in einer vernetzten Volkswirtschaft schwer zu zerschlagen ist. Angesichts seiner beherrschenden Stellung auf dem Markt für Betriebssysteme verfügte Microsoft über die Anreize und die Fähigkeiten, bei einer Vielzahl anderer Anwendungen ebenfalls eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen.37
Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Microsoft gigantische Gewinne erwirtschaftete – in den letzten 25 Jahren durchschnittlich sieben Milliarden Dollar pro Jahr, in den letzten zehn Jahren 14 Milliarden Dollar jährlich und im Jahr 2011 sogar 23 Milliarden Dollar38 – und so diejenigen, die rechtzeitig Microsoftaktien gekauft hatten, reich machte. Nach weit verbreiteter Auffassung ist Microsoft trotz seiner marktbeherrschenden Stellung und seiner enormen Finanzkraft kein wirklich innovatives Unternehmen. Es hat weder das erste, breit genutzte Textverarbeitungssystem noch das erste Tabellenkalkulationsprogramm, den ersten Mediaplayer oder die erste marktbeherrschende Suchmaschine entwickelt. Die Innovation fand andernorts statt. Dies deckt sich mit den theoretischen Vorhersagen wie mit den historischen Befunden: Monopolisten sind keine guten Innovatoren.39
In der US-Wirtschaft tummeln sich in zahlreichen Sektoren sehr viele Firmen, und daraus folgern wir, dass dort Wettbewerb herrschen müsse. Aber dem ist nicht immer so. Nehmen wir den Bankensektor. Obgleich es Hunderte von Banken gibt, entfällt auf die vier größten fast die Hälfe der gesamten nationalen Bankaktiva,40 was den Konzentrationsgrad von vor fünfzehn Jahren deutlich übertrifft. In den meisten kleineren Orten gibt es nur noch eine oder zwei Bankfilialen. Bei einem so stark eingeschränkten Wettbewerb liegen die Preise höchstwahrscheinlich weit über dem Wettbewerbspreis.41 Aus diesem Grund erwirtschaftet der US-Bankensektor jährlich über 115 Milliarden Dollar Gewinn, der zu einem großen Teil dann den Topmanagern der Banken und anderen Bankern zufließt – und zu den Hauptursachen der ungleichen Einkommensverteilung an der Spitze zählt.42 Bei einigen Produkten, etwa außerbörslich gehandelten Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps), wird der Markt von vier oder fünf sehr großen Banken beherrscht, und eine solche Marktkonzentration gibt immer Anlass zu der Sorge, dass sich die Anbieter insgeheim absprechen. (Aber manchmal stimmen sie sich gar nicht heimlich, sondern ganz offen ab. Die Banken setzen einen maßgeblichen Referenzzinssatz fest, den sogenannten Londoner Interbanken-Angebotssatz, kurz Libor. Hypothekendarlehen und viele Finanzprodukte sind an den Libor gekoppelt. Es scheint, als hätten die Banken den Zinssatz gemeinsam manipuliert, um anderen, die nichts von diesen Schummeleien ahnten, noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen.)
Gesetzliche Verbote monopolistischer Praktiken müssen natürlich auch durchgesetzt werden. Insbesondere aufgrund der von der Chicagoer Schule erfundenen Geschichte über die Effizienz des Marktes besteht eine Tendenz, diesen »frei« walten zu lassen, auch wenn dies zu wettbewerbschädigenden Ergebnissen führt. Und es gibt gute politische Gründe dafür, nicht allzu entschlossen vorzugehen, denn schließlich ist es »unternehmensfeindlich« – und daher Wahlkampfspenden nicht unbedingt zuträglich –, Microsoft beispielsweise allzu hart anzufassen.43