Die Wahrnehmungen von Ungleichheit und individuelles Verhalten
Wie in Kapitel 4 beschrieben, neigen Arbeitskräfte, die sich von ihrem Arbeitgeber unfair behandelt fühlen, dazu, sich vor Arbeitsaufgaben zu drücken. Wenn Arbeitskräfte, die einer sozialen Minderheit angehören, niedrigere Löhne erhalten als andere, gleich qualifizierte Personen, werden und sollten sie sich unfair behandelt fühlen – aber die daraus resultierende niedrigere Produktivität kann und wird Arbeitgeber wahrscheinlich dazu veranlassen, noch niedrigere Löhne zu zahlen. Es kann sich ein »Diskriminierungsgleichgewicht« herausbilden.20
Die Wahrnehmung von Rassen- und Kastenzugehörigkeiten sowie von Geschlechtsidentitäten kann sich ebenfalls erheblich auf die Produktivität auswirken. In einer Reihe brillanter Experimente in Indien sollten Kinder aus niederen und hohen Kasten Aufgaben lösen, wobei sie mit kleinen Geldbeträgen belohnt wurden, wenn ihnen dies gelang. Lösten sie die Aufgaben anonym, gab es zwischen den Kasten keine Leistungsunterschiede. Doch wenn Angehörige niederer und hoher Kasten in einer gemischten Gruppe waren, in der bekannt war, wer der niederen Kaste angehörte (die Betreffenden wussten es, und sie wussten, dass die anderen es wussten), schnitten die Angehörigen der niederen Kaste viel schlechter ab als die der hohen Kaste.21 Das Experiment veranschaulicht die Bedeutung sozialer Wahrnehmungen: Angehörige niederer Kasten wurden auf irgendeine Weise von der Überzeugung beeinflusst, dass Menschen aus niederen Kasten unterlegen seien – aber nur in Gegenwart derer, die dieser Überzeugung waren.