Märkte gestalten

Ich werde unten auf einige der Praktiken eingehen, die private Finanzinstitute anwenden, damit die Märkte nicht richtig funktionieren. Wie schon Adam Smith bemerkte, gibt es beispielsweise Anreize für Firmen, die Marktkonkurrenz zu verringern. Außerdem versuchen Firmen, strenge Gesetze gegen wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern beziehungsweise, wenn es solche Gesetze gibt, dafür zu sorgen, dass sie nicht konsequent angewendet werden. Geschäftsleuten geht es natürlich nicht primär darum, das gesamtgesellschaftliche Wohl im weitesten Sinne zu steigern oder auch nur den Wettbewerb auf den Märkten zu verbessern; sie wollen schlichtweg, dass die Märkte für sie arbeiten, ihre Geschäfte noch einträglicher machen. Die Folge aber ist ein oftmals vielschichtiger Effizienzverlust einer Wirtschaft, die durch ein höheres Maß an Ungleichheit gekennzeichnet ist. Einstweilen möge ein Beispiel genügen. Auf Wettbewerbsmärkten (Märkten mit vollständiger Konkurrenz) lassen sich Gewinne, die über der normalen Kapitalverzinsung liegen, langfristig nicht aufrechterhalten. Denn wenn ein Unternehmen bei einem Verkauf höhere Gewinne erzielt, werden seine Rivalen versuchen, ihm durch Preissenkungen den Kunden abzujagen. Der intensive Wettbewerb zwischen den Firmen lässt die Preise so stark fallen, dass die (über der normalen Kapitalrendite liegenden) Gewinne auf null gedrückt werden – ein Desaster für alle, die nach satten Gewinnen streben. In betriebswirtschaftlichen Seminaren bringen wir den Studenten bei, wie man Wettbewerbsbeschränkungen  – einschließlich Marktzutrittsschranken –, die mit dazu beitragen, dass der Gewinn nicht erodiert, erkennt und hervorbringt. Wie wir gleich sehen werden, ging es bei einigen der bedeutendsten ökonomischen Innovationen der letzten dreißig Jahre nicht darum, die Wirtschaft effizienter zu gestalten, sondern darum, die eigene Monopolmacht besser abzusichern oder gesetzliche Vorschriften effektiver zu umgehen, mit denen der Staat soziale Renditen und private Belohnung aneinander anpassen wollte.

Verschleierung ist dabei ein besonders gern genutztes Instrument. Je transparenter Märkte sind, umso besser funktioniert der Wettbewerb. Banker wissen das. Aus diesem Grund haben Banken darum gekämpft, ihr lukratives Geschäft mit dem Handel von Finanzderivaten – den riskanten Produkten, die maßgeblich zum Zusammenbruch des US-Versicherungsgiganten AIG beitrugen – im Schatten des außerbörslichen Marktes abzuwickeln.8 In diesem Markt können Kunden kaum wissen, ob ein Geschäft für sie günstig ist. Alles wird ausgehandelt, anders als in offeneren und transparenteren modernen Märkten. Und da die Verkäufer unentwegt handeln, während Käufer nur hin und wieder Geschäfte tätigen, besitzen Verkäufer mehr Informationen als Käufer, und sie nutzen diesen Informationsvorsprung zu ihrem Vorteil. Dies bedeutet, dass Verkäufer (diejenigen, die Finanzderivate auflegen, also die Banken) im Schnitt aus ihren Kunden mehr Geld herausholen können. Gut geplante, offene Auktionen dagegen sorgen dafür, dass Güter an diejenigen gehen, die ihnen den höchsten Wert beimessen, was ein Kennzeichen von Markteffizienz ist. Es gibt öffentlich verfügbare Preise, die als Richtschnur für Entscheidungen dienen.

Während mangelnde Transparenz zu höheren Gewinnen für die Banken führt, vermindert sie die ökonomische Leistungsfähigkeit. Ohne sachdienliche Informationen können Kapitalmärkte keine Disziplin ausüben. Geld fließt nicht dorthin, wo die Erträge am höchsten sind, oder an die Bank, die das Geld am profitabelsten verwaltet. Niemand kennt heute die tatsächliche Finanzlage einer Bank oder eines anderen Finanzinstituts  – und undurchsichtige Geschäfte mit Derivaten sind ein Grund dafür. Man hätte sich gewünscht, die jüngste Krise hätte in dieser Hinsicht Veränderungen bewirkt, doch die Banken widersetzten sich erfolgreich. So wehrten sie sich zum Beispiel gegen Forderungen nach mehr Transparenz bei Derivaten und gesetzlichen Vorschriften zur Einschränkung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Diese Rent-Seeking-Aktivitäten brachten ihnen Zusatzgewinne in Höhe von mehreren Zehn Milliarden Dollar ein. Auch wenn sie nicht jede Schlacht gewannen, haben sie doch so oft gewonnen, dass die Probleme uns noch immer begleiten. Ende Oktober 2011 zum Beispiel ging ein großes US-Finanzinstitut auch wegen seiner komplexen Derivate pleite (die achtgrößte Insolvenz überhaupt).9 Offensichtlich hatte der Markt diese Transaktionen nicht durchschaut, zumindest nicht rechtzeitig.

Der Preis der Ungleichheit: Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht
titlepage.xhtml
part0001.html
part0002.html
part0003_split_000.html
part0003_split_001.html
part0003_split_002.html
part0003_split_003.html
part0003_split_004.html
part0003_split_005.html
part0003_split_006.html
part0003_split_007.html
part0003_split_008.html
part0003_split_009.html
part0003_split_010.html
part0003_split_011.html
part0004_split_000.html
part0004_split_001.html
part0004_split_002.html
part0004_split_003.html
part0004_split_004.html
part0004_split_005.html
part0004_split_006.html
part0004_split_007.html
part0004_split_008.html
part0004_split_009.html
part0004_split_010.html
part0004_split_011.html
part0004_split_012.html
part0004_split_013.html
part0004_split_014.html
part0005_split_000.html
part0005_split_001.html
part0005_split_002.html
part0005_split_003.html
part0005_split_004.html
part0005_split_005.html
part0005_split_006.html
part0005_split_007.html
part0005_split_008.html
part0006_split_000.html
part0006_split_001.html
part0006_split_002.html
part0006_split_003.html
part0006_split_004.html
part0006_split_005.html
part0006_split_006.html
part0006_split_007.html
part0006_split_008.html
part0006_split_009.html
part0006_split_010.html
part0006_split_011.html
part0006_split_012.html
part0006_split_013.html
part0006_split_014.html
part0006_split_015.html
part0007_split_000.html
part0007_split_001.html
part0007_split_002.html
part0007_split_003.html
part0007_split_004.html
part0007_split_005.html
part0007_split_006.html
part0007_split_007.html
part0007_split_008.html
part0007_split_009.html
part0007_split_010.html
part0007_split_011.html
part0007_split_012.html
part0007_split_013.html
part0007_split_014.html
part0007_split_015.html
part0008_split_000.html
part0008_split_001.html
part0008_split_002.html
part0008_split_003.html
part0008_split_004.html
part0008_split_005.html
part0008_split_006.html
part0008_split_007.html
part0008_split_008.html
part0008_split_009.html
part0008_split_010.html
part0008_split_011.html
part0008_split_012.html
part0008_split_013.html
part0009_split_000.html
part0009_split_001.html
part0009_split_002.html
part0009_split_003.html
part0009_split_004.html
part0009_split_005.html
part0009_split_006.html
part0009_split_007.html
part0009_split_008.html
part0009_split_009.html
part0009_split_010.html
part0009_split_011.html
part0009_split_012.html
part0009_split_013.html
part0009_split_014.html
part0009_split_015.html
part0009_split_016.html
part0009_split_017.html
part0009_split_018.html
part0009_split_019.html
part0009_split_020.html
part0009_split_021.html
part0009_split_022.html
part0010_split_000.html
part0010_split_001.html
part0010_split_002.html
part0010_split_003.html
part0010_split_004.html
part0010_split_005.html
part0010_split_006.html
part0010_split_007.html
part0010_split_008.html
part0010_split_009.html
part0011_split_000.html
part0011_split_001.html
part0011_split_002.html
part0011_split_003.html
part0011_split_004.html
part0011_split_005.html
part0011_split_006.html
part0011_split_007.html
part0011_split_008.html
part0011_split_009.html
part0011_split_010.html
part0011_split_011.html
part0011_split_012.html
part0011_split_013.html
part0011_split_014.html
part0011_split_015.html
part0011_split_016.html
part0012_split_000.html
part0012_split_001.html
part0012_split_002.html
part0012_split_003.html
part0012_split_004.html
part0012_split_005.html
part0012_split_006.html
part0012_split_007.html
part0012_split_008.html
part0012_split_009.html
part0012_split_010.html
part0012_split_011.html
part0012_split_012.html
part0012_split_013.html
part0012_split_014.html
part0013_split_000.html
part0013_split_001.html
part0013_split_002.html
part0013_split_003.html
part0013_split_004.html
part0013_split_005.html
part0013_split_006.html
part0013_split_007.html
part0013_split_008.html
part0013_split_009.html
part0013_split_010.html
part0013_split_011.html
part0013_split_012.html
part0014.html
part0015_split_000.html
part0015_split_001.html
part0015_split_002.html
part0015_split_003.html
part0015_split_004.html
part0015_split_005.html
part0015_split_006.html
part0015_split_007.html
part0016_split_000.html
part0016_split_001.html
part0016_split_002.html
part0016_split_003.html
part0016_split_004.html
part0017.html
part0018.html
part0019.html
part0020.html