Die Spitze schnappt sich ein größeres Stück vom Kuchen
Das zunehmende Maß an Ungleichheit zeigt sich an der Spitze, in der Mitte und am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala. Mit dem unteren Bereich und der Mitte haben wir uns bereits befasst. Jetzt schauen wir uns die Spitze genauer an.
Während wir heute für sozial schwache Familien, die sich durchkämpfen, Mitgefühl empfinden, ziehen die Reichen zunehmend unseren Zorn auf sich. Früher einmal, als ein breites gesellschaftliches Einvernehmen darüber bestand, dass die ganz oben verdienten, was sie bekamen, bewunderten wir diese Leute. Doch in der jüngsten Krise kassierten Bankmanager überhöhte Boni für überhöhte Verluste, und Unternehmen entließen Mitarbeiter mit der Begründung, sie könnten sich die Personalkosten nicht länger leisten, nur um die Einsparungen dazu zu verwenden, Führungskräften noch höhere Boni zu zahlen. So schlug Bewunderung für Tüchtigkeit in Wut wegen mangelnden Fingerspitzengefühls um. Die Zahlen über die Gesamtbezüge von Spitzenmanagern – einschließlich derjenigen, die uns die Krise eingebrockt haben – sprechen für sich. Auf die gewaltige Schere zwischen der Vergütung von CEOs und dem Lohn eines typischen Arbeiters habe ich schon hingewiesen: Erstere verdienen über zweihundert Mal mehr; diese Zahl übertrifft die Verhältnisse in anderen Ländern bei Weitem (in Japan beträgt die entsprechende Quote beispielsweise 16 zu 1)86 und auch jene in den Vereinigten Staaten vor 25 Jahren deutlich.87 Die alte US-Quote von 30 zu 1 wirkt im Vergleich dazu regelrecht idyllisch. Es ist unwahrscheinlich, dass die Spitzenmanager als Gruppe ihre Produktivität im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeiter seither so exorbitant gesteigert haben, dass das mehr als 200-Fache des Durchschnittslohns gerechtfertigt wäre. Die verfügbaren Daten über den Geschäftserfolg von US-Unternehmen bestätigen dies zumindest nicht.88 Schlimmer noch: Wir haben ein schlechtes Beispiel abgegeben, da Führungskräfte überall auf der Welt ihren amerikanischen Kollegen in der Beziehung nacheifern. Die britische High Pay Commission berichtete, dass die Vergütung von Führungskräften in britischen Großunternehmen – im Vergleich zur übrigen Gesellschaft – auf ein Ausmaß an Ungleichheit zusteuert, wie es in der viktorianischen Epoche üblich war (auch wenn die Disparität gegenwärtig erst so krass ist wie in den zwanziger Jahren).89 In dem Report heißt es: »Faire Bezahlung innerhalb von Unternehmen ist wichtig; sie wirkt sich auf die Produktivität, die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und das Vertrauen in unsere Unternehmen aus. Außerdem hat die Bezahlung in börsennotierten Unternehmen Vorbildfunktion, und wenn sie offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Geschäftsergebnissen steht oder sogar Misserfolge belohnt, dann sendet sie das falsche Signal und ist ein eindeutiges Symptom von Marktversagen.«90