|32|NOTIZ
Darin beleuchtet wird, wie das Haus der Medici die Sodomie sowohl zum Vergnügen als auch aus Dünkel und um der Staatsraison willen praktiziert hat: Ersteres durch Taten, das zweite in ihren Überzeugungen, Letzteres durch Worte.
Unser geliebter Großherzog Ferdinando de’ Medici, welcher früh den Vater verlor und allein mit seiner Mutter lebte, der verbitterten, eiskalten Maria Magdalena von Österreich, ward in seiner Jugend plötzlich von einem so starken Fieber heimgesucht, dass er tagelang im Delirium lag. Nach seinem Erwachen überfiel ihn eine widernatürliche Zuneigung zu jedem schönen Pagen in seiner Umgebung. Von demselben mysteriösen Fieber mit nämlichen unglückseligen sodomitischen Auswirkungen waren offenbar sämtliche Mitglieder des Hauses Medici seit der Zeit von Lorenzo dem Prächtigen und seinem Bruder Giuliano befallen worden. Auch diese beiden hatten jene schändliche Leidenschaft für ihre Freunde empfunden, zu denen auch der treffliche Maler Sandro Botticelli und der sanftmütige Dichter Agnolo Poliziano gehörten. Vergebens erklärten die wenigen tugendhaften Geistlichen der Familie, welche nicht selbst an diesem elenden Laster teilnahmen, dass es sich um eine Besessenheit vom Teufel handle, und boten Hilfe durch Gebete an. Doch ihr Angebot wurde belächelt und verschmäht. Man erzählt, dass einer dieser heiligen Männer die Gelegenheit einer Messe im Hause Medici nutzte, um ohne Ankündigung einige besondere Gebete zum Aufstöbern der Teufel zu sprechen, welche er in den Seelen des Großherzogs Ferdinando und seines Bruders Mattias verborgen sah. Und tatsächlich wurden beide Fürsten augenblicklich von einem Unwohlsein ergriffen und erbrachen vor der entsetzten Versammlung gewaltige Mengen übelriechender Säfte, ja sogar den Kopf einer Kröte. Der Priester wurde dennoch mit Gewalt gehindert, fortzufahren, und die einzige dauerhafte Folge des versuchten Exorzismus war, dass der Geistliche wenige Tage später von unbekannter Hand gemeuchelt aufgefunden wurde.
In seinen Jugendjahren hatte der Großherzog sich vor allem mit dem blutjungen Fürsten von Venosa vergnügt. Sie waren kreuz und quer durch Europa gereist, wo sie Verwandte und Bekannte der Familie |33|besucht hatten: Ferdinandos Onkel, den Kaiser; einen anderen Onkel in Österreich, der Erzherzog war; und sogar den Papst in Rom. Nach der Rückkehr von dieser ergötzlichen Lustreise hatte der junge Ferdinando die Regierung des Großherzogtums der Toskana übernommen, und er regierte, wie es ihm passte. Eines Abends war seine Mutter, die Erzherzogin, unerwartet in sein Zimmer getreten, als er sich gerade vor dem Kamin wärmte. In heller Aufregung berichtete die Frau, ihr seien Fälle heimlicher, widernatürlicher Unzucht in der Stadt Florenz gemeldet worden. Sie zog eine Liste mit den Namen der beteiligten Personen hervor, sämtlich mächtige Männer in hohen Ämtern, und forderte ihren Sohn in scharfem Ton auf, sie zu bestrafen.
Der Großherzog las die Liste, ohne mit der Wimper zu zucken, und entgegnete seiner Mutter, sie sei nicht gut informiert: Auf der Liste fehlten die Namen weiterer Personen, die derselben Verirrung erlegen waren. Er stand auf, nahm eine Feder vom Tisch, tunkte sie in das Tintenfass und schrieb in aller Ruhe seinen eigenen Namen mit großen Buchstaben an oberster Stelle auf die Liste. Sodann gab er das Papier seiner Mutter zurück.
Die Erzherzogin rief aus: »Das tut Ihr nur, um jene anderen zu schützen!« Der Großherzog: »Welche Strafe wünscht Ihr für diese Leute?« Und sie: »Sie sollen bei lebendigem Leib verbrennen!«
Da nahm Ferdinando die Liste wieder an sich, knüllte sie zu einem Ball zusammen und schleuderte ihn in die Flammen im Kamin. Darauf sagte er: »Bitte, Euer Wille ist geschehen. Fürderhin befasst Ihr Euch nicht mehr mit den Angelegenheiten des Hofes und legt mir keine solchen Fälle mehr vor, die nur dazu taugen, Unruhe in meinen Staaten hervorzurufen.«
Die Erzherzogin nahm diesen Vorfall sehr übel auf. Sie raffte all ihre Juwelen, ihr Gold und Silber zusammen und verließ Florenz in Richtung Deutschland. Doch in den Bergen bei Trient angekommen, erkrankte sie in einem Gasthaus und starb kurze Zeit darauf.
Acht Jahre später heiratete Ferdinando die schwerreiche Herzogin Vittoria della Rovere. Sie gebar ihm den kleinen Cosimo, der Ferdinando eines Tages auf dem Thron nachfolgen wird. Doch das hat nicht viel an den Neigungen des Vaters geändert, und man sagt, zwischen den Eheleuten habe es bereits ein endgültiges Zerwürfnis gegeben, sodass zumindest vorerst keine weiteren Kinder zu erwarten sind.
|34|Die Großherzogin hat ihren Gatten im Schlafzimmer mehrmals mit jungen Pagen entdeckt, an denen er sich auf die unterschiedlichsten Weisen ergötzte. Er aber tut so, als bemerke er den Zorn seiner Frau nicht, und fährt mit seinem Laster fort. So vergnügt er sich damit, die Nächte der Florentiner zu stören, indem er seine gierigsten Liebhaber (das sind jene, die ihn besonders reizen) anstachelt, in die Häuser der Bürger einzusteigen, um die eine oder andere Magd zu verführen, während er hinter der Tür lüstern das Schauspiel genießt und, nur um seine Begierden zu befriedigen, ein ums andere Mal das Leben riskiert.
Denn als Ferdinando eines Nachts aus einem Alkoven einen seiner Günstlinge bei der körperlichen Vereinigung mit einem Mägdelein beobachtete, zu der er den jungen Mann angestachelt hatte, fingen die Vorhänge des Bettes an einer Kerze Feuer und ein Brand brach aus, bei dem der Großherzog fast umgekommen wäre. Ein anderes Mal hatten seine Gefährten ihn einen Augenblick lang auf der Straße allein gelassen, als zwei Räuber mit Messern über ihn herfielen, und hätte er kein Korsett unter dem Wams getragen, wäre er sicherlich nicht mit dem Leben davongekommen.
Woher nahm er diese Dreistigkeit? Wie konnte ein Adliger von solchem Ruhm seinen Hintern auf der Straße entblößen, ohne sich entwürdigt zu fühlen?
Der Grund ist, dass ein Hinterlader zu sein in Florenz gerade wegen der Medici als etwas Schönes, Wünschenswertes, ja höchst Ehrenhaftes galt. Diese Aufwertung der Männerliebe wurde mit den Waffen einer nur scheinbar entlegenen Wissenschaft bewirkt: der Philologie, also dem Studium literarischer Texte der Antike.
In Florenz hatte nämlich der Dichter Agnolo Poliziano gelebt, der Begründer der modernen Philologie. Poliziano war allseits als Invertierter und Knabenliebhaber bekannt, was klar aus seinen Werken hervorgeht. In seinen griechischen und lateinischen Gedichten schmachtete er die Jünglinge Coridone und Biondo Ricciolino an, und besonders gern enthüllte er die sodomitischen Neigungen berühmter Freunde wie Botticelli und Donatello. Trotzdem hatte Lorenzo de’ Medici ihn als Lehrer seiner Söhne angestellt und ihm den Lehrstuhl für klassische Literatur, besonders der griechischen, in Florenz übertragen.
Poliziano hatte eine neue Methode für das Studium antiker Texte |35|erfunden: Er rekonstruierte den Stammbaum aller überlieferten Handschriften, um herauszufinden, aus welchen Quellen sie kopiert wurden, und ihre Überlieferungsgeschichte nachverfolgen zu können.
Seine Methode hatte ihm Lob und Ruhm in ganz Europa eingebracht (obwohl es nicht an Kritikern mangelte, die ihn des Plagiats und schwerer Fehler bezichtigten), und so wurden das Banner der Gelehrsamkeit und jenes der Perversion von ein und derselben Hand hochgehalten. Poliziano und seine Kumpane erklärten, dass der große Gaius Maecenas, Freund des Kaisers Augustus, der Vergil und Horaz ernährte, ein Päderast gewesen sei. Sie schworen, Alexander der Große habe Hephaistion und den Eunuchen Bagoas zu seinen Geliebten gemacht. Die Historia Augusta, die doch alle als Fälschung kannten, behauptete, Kaiser Hadrian habe seinen Antinous so geliebt, dass er ihn zum Gott erklärte, als der Junge starb.
Von den Namen Rom und Athen magisch berührt wie durch die verzauberte Hand des König Midas, hatten Männerliebe und Päderastentum sich in Gold verwandelt. Seither regiert die Sodomie unangefochten, sie lässt sich sogar Pädophilie nennen, Liebe zu Kindern, obwohl sie doch deren schlimmste Feindin ist.
Dies war das Ziel, das die Dilettanten der perversen Liebe unverhofft erreicht hatten: Sich von hinten bedienen zu lassen war eine heroische Tat geworden, die mit Lorbeerkranz und Leier in der Hand zu vollführen war.
Noch konntest du es nicht wissen, mein junger Atto, doch das Abenteuer, das uns erwartete, sollte uns lehren, wie falsch diese vermeintliche antike Welt war und wie geschickt sie konstruiert worden war, um in unserer und in zukünftigen Zeiten die Seelen zu verderben.
Es ist eine dumme und feige Angewohnheit der Sodomiten, alle anderen Menschen und Dinge in den Schmutz des Lasters, mit dem nur sie sich besudeln, hineinzuziehen, damit in der Nacht der Sünde alle Katzen grau seien.
Damit also der Abscheu, den das widerliche Treiben der Sodomiten beim Volk erregte, ihm nicht schadete, zumal dieser Abscheu immer wieder in Rebellionen umzuschlagen drohte, ließ der Großherzog, wie schon seine Vorfahren, das Gerücht verbreiten, ganz Florenz, |36|ja die gesamte Toskana sei voller Päderasten. Keiner entkam dem Verdacht, wenn man den Klatschgeschichten glauben durfte, die von Verleumdern im Sold der Medici geschickt ausgestreut wurden. Neben den wahren Geschichten um männliche Liebschaften, die man sich im engsten Kreis der Medici erzählte, wurden frei erfundene Ammenmärchen über die gesamte Bevölkerung von Florenz und der Toskana in Umlauf gebracht, welche umso mehr Glauben fanden, je abstruser und übertriebener sie waren.
Niemand wagte es mehr, mit dem Finger auf die echten Sodomiten zu zeigen, die Herren der Stadt und ihre Kumpane Botticelli, Donatello, Michelangelo, Benvenuto Cellini, Pulci, Poliziano (der sogar Lehrer der Söhne von Lorenzo dem Prächtigen war) oder Machiavelli, den berühmten Secretarius der Republik Florenz. Sogar mit den Namen, die sie sich gaben, schufen sie sich dreist ein Schandmal ihrer Praktiken, wie Giovan’Antonio Bazzi, der Maler aus Siena, der sich Sodom nannte, damit ihm die Jungen zuliefen.
Hast du einmal das Gesicht des Botticelli in seiner Anbetung der heiligen drei Könige gesehen? Natürlich hast du es gesehen, mein lieber Atto, und ich weiß es, denn an dem Tag warst du in meiner Obhut. Am rechten Bildrand konntest du das Selbstbildnis Botticellis erkennen, mit den hängenden Lidern des Entarteten, den halb geöffneten Lippen des Lüstlings, dem lasziven Blick, der einladend den Blick des Betrachters erwidert. Auf der gegenüberliegenden Seite drängen sich Lorenzo, der Poliziano und Pico della Mirandola, in der Gestalt von Rittern getarnt, unter dem Vorwand kameradschaftlicher Nähe einer dicht hinter den anderen. Muss ich dich an die unflätigen Sonette erinnern, die Pico und sein Liebling Girolamo Benivieni sich schrieben? An das Grab, in dem sie sich zusammen bestatten ließen? An den Grabstein in der Kirche San Marco, der ihr Idyll feiert?
Francesco di Lazzaro de’ Medici, ein Cousin Lorenzos und ordentlich verheiratet, wurde sieben Mal von ebenso vielen Lustknaben denunziert. Machiavelli hatte ihn angezeigt, weil er Huren von hinten vögelte, was verboten ist, doch es war allseits bekannt, dass Machiavelli selbst sich mit seinen Freunden brieflich über sodomitische Freuden während ihrer Jugendzeit austauschte.
Das Entsetzen des Volkes ob der Ausschweifungen ihrer Herrscher dämpften allein obszöne Gerüchte über die Bevölkerung von Florenz, die wie Pilze aus dem Boden schossen und von schlauen Häschern |37|in Windeseile weitergegeben wurden: Die toskanischen Kaufleute vergnügten sich mit ihren Botenjungen, die Lehrer mit ihren Schülern, die Alten mit den Jungen, die Stadtherren mit ihren Bürgern, die Mächtigen mit den Armen. Schon bald gingen diese Verleumdungen um die Welt, darum sagten die Teutschen früher Florenzer, wenn sie einen Sodomiten meinten, und die Päderastie wurde das florentinische Laster genannt.
Und so kam es, dass die Herren der Stadt, um die vom Großherzog bestellten Verleumdungen zu bestätigen, sich seither kleine Jungen und Jünglinge im Alter von sechs bis sechzehn Jahren beschaffen. Von niedriger Herkunft sollen sie sein, denn wer hoch steht, der gibt, wer unten steht, nimmt. Sie führen sie zum Spaziergang aus, in kurzen Hemdchen, die den Nabel freilassen, und Hosen, die vorne wie hinten aufzuknöpfen sind. Sie nennen diese Kinder Hündchen, Lustknabe und Hürchen. Im Volk heißen sie dagegen Sodomiten, Hinterlader und Schwanzlutscher. Wenn sie erwachsen werden und erkennen, dass sie gebrandmarkt sind und ihr Leben sich nicht mehr ändern lässt, haben sie keine andere Wahl, als sich in Bordellen feilzubieten. Will man den Medici Glauben schenken, keucht ganz Florenz vor Geilheit wie eine riesige pulsierende Harnblase. Sie verbreiten das Gerücht, dass diejenigen, denen Bordelle für Männer oder die Unzucht im eigenen Haus langweilig geworden seien, es des Nachts auf der Straße treiben oder in den Gärten der Stadt, den Kloaken, im Campanile des Giotto und sogar in der Kuppel des Doms, was angeblich einer ihrer Lieblingsorte ist.
Wenn in Florenz eine Ehe, aus der Kinder hervorgegangen sind, von einem Tag auf den anderen in die Brüche geht, wird sofort das Gerücht ausgestreut, der Grund seien nicht Huren oder Geliebte, sondern Sodomiten und Lustknaben. Im besten Fall argwöhnt man, der Ehemann habe von seiner Frau nur noch den Hintern gewollt. Auch du kennst einige dieser Geschichten, wie die vom Cavaliere Flaminio Pappagalli aus Pistoia, deinem Landsmann also, den der Großherzog persönlich zu sich rief, um ihm mitzuteilen, seine Gemahlin posaune überall heraus, dass er ihr sein Gemächt nur noch von hinten oder im Mund überlasse. Der Ärmste ahnte nicht, dass ihm ein übler Streich gespielt wurde, kehrte außer sich vor Zorn nach Hause zurück und schnitt seiner unschuldigen Ehefrau mit einem Rasiermesser die Kehle durch, ohne noch Erklärungen von ihr zu fordern. |38|Er selbst wurde enthauptet, bevor er erkennen konnte, dass er ein Opfer der teuflischen Propaganda des Großherzogs geworden war. Und so erinnern sich heute alle Toskaner an den unglücklichen Cavaliere Flaminio Pappagalli als an einen schamlosen Päderasten. Die Toten können sich nicht verteidigen.
Seit ihrer Ankunft in Florenz vor dreihundert Jahren lassen die Medici nachts Banden durch die Stadt streifen, die auf offener Straße Nachtschwärmer vergewaltigen und sich ihrer Taten lauthals brüsten. Damit soll das Gerücht, dass das verruchte Laster in ganz Florenz verbreitet sei, Glaubwürdigkeit bekommen, vor allem aber sollen die Wachen von den sodomitischen Ausschweifungen der Medici abgelenkt werden. Nachdem das ein Jahrhundert lang so gegangen war, hatte die Stadt Florenz, die noch die alten Rechte einer freien Gemeinde genoss, die Einrichtung der Nachtbehörde geschaffen, eine Gerichtsbarkeit, die über das anale Laster wachen sollte. Es gab eine Miliz, eine Verwaltung und Gelder, um Spione zu bezahlen. Alle Ärzte waren verpflichtet, Fälle anzuzeigen, in denen jemand sich den After verletzt hatte oder »Hahnenkämme« aufwies, jene Gangräne, die die Rosette der warmen Brüder schmückt. Doch die Medici konnten die Nachtbehörde ohne großen Widerstand des Volkes abschaffen, denn sie hatten das Gerücht verbreitet, sogar der alte Doffo di Nepo degli Spini, der ehemalige Gonfaloniere, welcher das Gericht der Nachtbehörde gegründet hatte, sei in flagranti ertappt worden. Mit seinen siebzig Jahren habe er einen vierzehnjährigen Jungen vergewaltigt, hieß es, und zwar zusammen mit dem sechzigjährigen Kammerherrn Johannes, dem deutschen Diener des mächtigen Palla Strozzi. Die Nachtbeamten wurden durch die »Acht Wachhabenden« und die »Hüter der Gesetze« ersetzt, deren Wachdienste diskreter waren, und es ist wohl kein Zufall, dass ihre Verzeichnisse nach einer Weile verlorengingen.

Muss ich noch mehr sagen? Du, Atto, bist also nichts anderes als die kostbare Beute einer schmutzigen Treibjagd.
Gib acht, denn die Pistoieser, deine Landsleute, die dich glühend um deinen Aufstieg beneiden, haben deine Leidenschaft für Frauen und all den Gram, den du dessenthalben im Herzen trägst, schon in |39|alle Winde ausposaunt. Hast nicht du selbst verkündet, nach Vollendung deines achtzehnten Lebensjahres würdest du keine Frauenrollen mehr singen? In Pistoia ist jenes dir wohlbekannte, mit Bosheiten gespickte Gedichtchen im Umlauf, das Spottlied mit dem Titel Über Atto Melani, kastrierter Musikus aus Pistoia, Sohn eines Glöckners, darin man dich in einer Strophe zum Liebhaber der Frauen macht:
Schon ist es kein Geheimnis mehr:
Ein kleines Spielchen gefällt Euch sehr.
Vorzüglich beim Damespiel könnt es Euch passen,
am Ende die Hosen herunterzulassen.
Für solche Gier kommt die Strafe mit Recht,
da das Spiel Ihr verliert beim schönen Geschlecht,
wenn Euch alsbald die Spannkraft verreckt,
dass die Rute Euch zwischen die Backen gesteckt.
Vergesst den Glockenturm nicht!
Aufgepasst, denn schon vor drei Jahren haben die jüngeren Geschwister des Großherzogs und seines Bruders Mattias Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit Ihr nicht zu Mazarin nach Frankreich geht, um die Finta Pazza zu singen. Giovan Carlo, Leopoldo und Anna fürchteten, dich zu verlieren und mit dir die Wonnen, die du ihnen während und nach den Gesangsabenden in ihren Schlafzimmern verschafftest. Besonders Anna wurde fuchsteufelswild, weil sie, wie sie sagte, mit dir ihren Partner für Duette verlor. Und das waren nicht nur Gesangsduette, wie wir beide wissen. Als du sie dann in Innsbruck besuchen gingst, wo sie die Gemahlin des Erzherzogs von Österreich geworden war, richtete sie während der ganzen zwei Monate deines Aufenthalts nie das Wort an dich und rief dich auch kein einziges Mal in ihr Zimmer, um mit ihr zu singen, nein, sie zog dir andere Sänger vor, um sich Erleichterung von ihren Schwangerschaftsbeschwerden zu verschaffen.
Als ich in unser Gelass im Achterkastell trat, hub ich also ehrerbietig an:
»Signorino, Ihr dürft Euch nicht so über die Maßen ermüden. Ihr müsst Eure Kunst schützen, erinnert Ihr Euch nicht?«
»Ich erinnere mich«, war deine trockene Antwort.