|590|DISKURS XC
Darin man, noch bevor man Philos Ptetès kennenlernen konnte, seinen sterblichen Überresten traurig die letzte Ehre erweisen muss.
Barbara Strozzi hatte nicht gelogen.
»Signor Secretarius, kommt mit und überzeugt Euch selbst«, sagtest du zu mir.
Umgeben von bereits vollauf beschäftigten Würmen und Ameisen fanden wir Reste von Knochen, Innereien und einen bis zur Unkenntlichkeit zertrümmerten Schädel.
»Bestien. Ihr Nazarener seid nichts als Bestien. Feine Bräuche gibt es hier auf Gorgona«, brummte Kemal, und niemand hatte Lust oder den Mut, ihm zu widersprechen: Aus seiner Sicht waren es unsere Leute, die Philos Ptetès, unseren heroischen Mönch, getötet, zerteilt, gekocht und gegessen hatten.
Immerhin hatte jeder von uns sich Hände, Mund und Eingeweide mit dem Fleisch eines armen Unschuldigen besudelt, und ich glaube, keiner der Anwesenden wird das Grauen dieser tragischen, ekelerregenden Entdeckung jemals vergessen. Von Zeit zu Zeit ging Naudé beiseite, um sich fern von der Gruppe erneut zu übergeben, und er kehrte kurzatmig, gelb im Gesicht, mit dunkel umschatteten Augen, eingefallenen Wangen und einem Schweißfilm auf der Stirn zurück.
»Und wo mögen die Sachen des Mönchs jetzt sein?«, fragte Schoppe, der sich bis zu den Zehen ausgekotzt hatte und dessen Gesichtsfarbe nun an das Fell einer toten Ratte erinnerte. Unvermindert groß aber war seine Begierde, den Schatz des Mönches an sich zu reißen, den er soeben verspeist hatte.
»Als wir ihn trafen, trug er einen Sack auf dem Rücken«, erinnerte ich mich.
»Das stimmt«, bestätigte Naudé. »Doch ich glaube nicht, dass der Papiere enthielt, die für uns interessant sind …«
»Man weiß nie, meint ihr nicht?«, erwiderte Schoppe, drehte uns den Rücken zu und ging in die Hütte.
Naudés Gesicht wurde noch fahler. In der Grotte des Seeochsen hatte er mir seine Befürchtungen anvertraut: Philos Ptetès beobachtete ihn schon seit unserem Schiffbruch und hielt ihn für schuldig am Tod Bouchards. Darum glaubte er, dass der Mönch ohne die ersehnte |591|Erbschaft von Poggio Bracciolini zu unserem Treffen erscheinen würde. Nun fürchtete Naudé, der Sack des Mönchs könnte noch mehr Aussagen Bouchards zu seinem Ungunsten enthalten.
»Schluss jetzt mit dem ewigen Geschwätz über Papierkram! Ihr seid alle Bestien, man sollte euch ordentlich in den Hintern treten. Wohin geht dieser neugierige Tattergreis jetzt? Ruft ihn zurück, verflucht! Wenn Ali Rais hier wäre, er würde euch alle nackt und kahlgeschoren ans Ruder ketten«, brüllte der Korsar, dessen Ungeduld sich durch das Gericht auf Menschenfleischbasis verdreifacht zu haben schien.
Da niemand Schoppe zurückholen ging, lief Kemal selbst in die Hütte und kam sofort wieder heraus, den alten Verehrungswürdigen am Kragen zerrend. Der schrie, aber nicht aus Wut, im Gegenteil, schon bald hörten wir, dass es Freudenschreie waren.
»Ich hab sie gefunden, ich hab sie gefunden!«, kreischte er entzückt, den Sack des armen Philos Ptetès schwenkend.
»Den nehme ich, Alterchen!«, donnerte Kemal, riss Schoppe den Sack aus der Hand und hängte ihn sich über die Schulter. »Ihr kriegt ihn, wenn wir von hier fortkommen!« Dann wandte er sich an den ehemaligen Kommissar: »Und du, was kannst du uns noch über deinen Freund erzählen? Sind das seine Knochen?«
»Wie soll ich das denn wissen?«, fragte der verwirrt. »Ich kann Lebende wiedererkennen, aber doch keine Gerippe. Der Schädel ist in Stücke geschlagen, wie ihr seht. Jedenfalls glaube ich …«
»Achtung!«, schrie Naudé, in die Ferne zeigend.
Mehr brauchte er nicht zu sagen, wir begriffen alle augenblicklich. Die Banditen waren schwer bewaffnet zurückgekehrt. Wir hatten nur unsere Pistole.
Der erste Schuss kam nicht von dem Banditen, den Naudé gesehen hatte, sondern aus einem dunklen Punkt im Wald. Ich erwiderte das Feuer mit der Pistole, während alle anderen blitzschnell verschwanden, um sich so gut es ging im Unterholz zu verstecken. Unsere Angreifer waren aus der Richtung gekommen, in der die Torre Vecchia lag, also lief unsere Gruppe in die entgegengesetzte Richtung.
Doch die Feinde gaben keine weiteren Schüsse ab und blieben versteckt. Vielleicht luden sie nur die Waffen, es war schwer zu sagen, was sie vorhatten.
Wir nutzen ihre Unschlüssigkeit, um uns Hals über Kopf in den Wald zu stürzen, alle in Richtung auf den unbekannten Teil der Insel |592|zu. Ich wusste, dass wir Gefahr liefen, von derselben Schlucht aufgehalten zu werden, die uns schon bei dem ersten Jagdausflug mit Naudé zum Umkehren gezwungen hatte, doch vielleicht würde gerade das die Banditen davon abhalten, uns zu verfolgen – wenn sie es denn vorhatten.
Bald schlugen wir uns durch das undurchdringliche Gestrüpp auf einem steil abfallenden Hang, ähnlich jenem, auf dem Naudé, du und ich beim Jagen nur mühsam vorangekommen waren.
Erleichtert, doch nicht wenig überrascht, stellten wir fest, dass die Banditen die Verfolgung aufgegeben hatten. Sie besaßen mehr Waffen als wir und keinen jammernden Alten in ihrem Gefolge, doch offenbar hatte ein einziger Pistolenschuss sie von einer Fortsetzung des Kampfes abgehalten, was ziemlich unerklärlich war.
Wir gingen dicht nebeneinander her. Naudé und ich behielten die Gruppe vor uns im Auge, während Ali Ferrareses Statthalter die Vorhut bildete.
Zur Langsamkeit verdammte uns der alte Schoppe, den Kemal auf diesem abschüssigen, rutschigen Boden natürlich nicht tragen konnte, ohne bei jedem Schritt Stürze zu riskieren.
»Los, Nazarenerhunde, beeilt euch, ich habe keine Lust mehr zu warten«, drängte der Barbareske, als wären wir schuld daran, dass er Zeit verlor.
Manchmal hörte man Schoppe laut fluchen, und nicht nur weil er sich auf so schwierigem Gelände kaum auf den Beinen halten konnte.
»Verdammt! Wann kommen wir endlich hier heraus? Man hat mir den Sack des Mönchs abgenommen, den einzigen Gegenstand von Wert in diesem Dreckloch, und ich soll auch noch den Mund halten … Oh, dieser Hundesohn von einem Korsar!« Doch er vergewisserte sich, dass Kemal ihn nicht hörte oder besser, dass er so tat, als ob er nichts hörte.
Mühsam und unsicher kamen wir voran, und plötzlich wusste ich, wo wir waren. Wir gingen schon an der Schlucht entlang, die uns früher oder später den Weg versperren würde. Zurückkehren und unserem bewaffneten Feind in die Arme laufen war unmöglich. Ich erklärte Naudé, wo wir uns befanden, und fragte ihn, ob mein Orientierungssinn mich täuschte.
»Nein, Ihr habt recht, Signor Secretarius«, bestätigte er, »genau in diesem Stück Wald haben wir zum ersten Mal gejagt.«
|593|Dann holte er die Karte von Philos Ptetès aus der Tasche und sagte fast unhörbar: »Hier in der Nähe muss der unterirdische Gang sein!«
Ich warf einen Blick auf die Karte. Er irrte sich nicht.
»Das ist unsere letzte Hoffnung!«, flüsterte er aufgeregt und drückte meinen Arm.
Zunächst glaubte ich, er meinte, nur so könnten wir unser Leben retten, doch Mazarins Bibliothekar dachte an Poggios Handschriften: Jetzt, da der slawonische Mönch für immer schwieg, blieb uns nur jene rätselhafte Karte, um seinen Schatz zu finden.
Ich bat Kemal, die Gruppe eine kurze Strecke Wegs führen zu dürfen. Der Korsar trug noch immer das Messer, das wir ihm für den Überfall auf die Hütte ausnahmsweise überlassen hatten. Ich erinnerte ihn an unsere Vereinbarung. Äußerst widerwillig, fast verächtlich, reichte er es mir und überließ mir die Führung.
Er hatte meiner Aufforderung gehorcht. Andernfalls hätte ich die Pistole benutzen müssen, und alles wäre schwierig geworden.
Noch wenige Minuten, und wir waren an der Stelle angelangt, die zu erreichen ich gehofft hatte. Naudé und ich wechselten einen Blick des Einverständnisses. Zum Glück war der Boden in deutlich besserem Zustand als bei unserer ersten Erkundung.
»Wir müssen diesen Hang hinunter. Ich gehe voraus«, erklärte ich.
»Das nennt Ihr einen Hang?«, fragten die anderen mit besorgten und ungläubigen Blicken auf die Schlucht, die fast senkrecht vor uns abfiel.
Wir hatten das Seil aus der Hütte, Kemal trug es noch über der Schulter. Es war nicht besonders lang, aber sehr kräftig und genügte für unsere Zwecke. Ich zeigte zunächst mit Kemals Hilfe, wie wir vorankommen würden.
Es war nicht nötig, sich das Seil um die Taille zu binden, wie ich gedacht hatte. Dank des dichten Belags mit Laub rutschte man nicht ab, es genügte also, das Seil um einen starken Baumstamm zu knoten, und man konnte sich langsam daran in die Schlucht herablassen. Ich machte es vor und kam mühelos wieder nach oben. In diesem Moment ahntet ihr, Naudé und du, lieber Atto, bereits die mögliche Verbindung zwischen jenem Gitter, auf das wir damals zu dritt in der tief im Wald versteckten Schlucht gestoßen waren, und dem unterirdischen Netz aus Tunneln voller Abzweigungen, das uns, leider als Gefangene, zu der Seegrotte geführt hatte.
|594|Als ich bei dem Gitter ankam, das der Erdrutsch zum Glück doch nicht ganz verschüttet hatte, hatte ich mich eine Zeitlang abmühen müssen, es aus seiner Verankerung zu reißen, da ich nur mit einer Hand arbeiten konnte (mit der anderen musste ich mich am Seil festhalten), dann war es mir gelungen. Zu euch zurückgekehrt, erntete ich Komplimente und Zustimmung, denn unterdessen war euch klar geworden, dass die Schlucht uns zwang, umzukehren oder sie in einer unbekannten Richtung zu umgehen, was angesichts des kurz bevorstehenden Sonnenuntergangs kein vernünftiges Wesen freiwillig getan hätte. Alle ergaben sich schließlich der Notwendigkeit, in den unterirdischen Gang hinabzusteigen, mit Ausnahme des ewig störrischen Schoppe. Schlimmstenfalls, so hatte ich erklärt, würden wir dort unten wenigstens einen sicheren Unterschlupf für die Nacht finden, hatten wir Glück, würde der Stollen uns über die Schlucht hinausführen.
Genau so geschah es. Mit ein wenig Geduld, die vor allem nötig war, um die träge Masse Caspar Schoppe vorwärts zu bewegen, schlüpften wir einer nach dem anderen in den unterirdischen Kanal.
Als wir unter der Erde waren, gab es anfangs Proteste und übellaunige Kommentare, denn in dem Stollen sah man die Hand vor Augen nicht. Kemal nannte mich einen verrückten Träumer, Schoppe einen Schlächter ehrbarer Männer, die anderen schwiegen verdrossen und ängstlich. Tatsächlich hatten wir weder Fackeln noch andere Möglichkeiten, Licht zu machen. Ich erbot mich, den Kundschafter zu spielen und tappte im Dunkeln voran, bis ich das schwache Licht sah, das vom nächsten Gitter herrührte. Dort angekommen, spähte ich nach draußen und sah, dass wir, wie erhofft, die fatale Schlucht hinter uns gelassen hatten. Weiter vorn erblickte man noch mehr schwache Lichtscheine, offenbar gab es in regelmäßigen Abständen vergitterte Öffnungen. Wer mit Hilfe der natürlichen Höhlen Gorgonas diesen sicherlich noch bis vor kurzem genutzten Geheimgang gebaut hatte, war so intelligent gewesen, in bestimmten Abständen diese Öffnungen zur Außenwelt anzulegen, die Licht, Luftzufuhr und Orientierung ermöglichten. Ich ging zurück und verkündete die gute Nachricht. Schon bald konnte ich unsere aufgeriebene, versprengte Mannschaft, die so viele unglückliche Abenteuer hinter sich hatte, weiterführen.
Zum Glück gab es in den Tunneln keine Hindernisse, an denen man sich verletzen konnte, natürlich strauchelte man hier und da, doch die Wanderung ging geordnet voran, beträchtlich erleichtert durch die regelmäßig |595|auftauchenden Gitter, die nur zum Teil von der Vegetation verdeckt wurden.
Naudé war ein wenig zurückgeblieben; unter dem Gewicht seiner Tasche aus festem Leder, in der er die Kopie der Gutenbergbibel transportierte, kam er nur langsam voran. Wenn ich mich nach ihm umschaute, sah ich ihn angestrengt durch das Dunkel spähen, als suchte er etwas. Und schließlich fand er es:

Der Bibliothekar konnte ein aufgeregtes Stöhnen nicht zurückhalten.
»Geht es Euch gut, Monsire Naudé?«, fragte ich.
»Ja, das heißt nein, ich meine, könntet Ihr einen Augenblick kommen, Signor Secretarius? Ich brauche Hilfe, mir scheint, in die Bibel des Kardinals ist etwas Erde eingedrungen …«, stammelte er.
Ich begriff blitzschnell und kehrte zu ihm zurück.
»Geht ruhig weiter«, sagte ich, der Gruppe mit einem Wink bedeutend, sie solle sich von Kemal führen lassen. »Wir kommen gleich nach.«
Du, lieber Atto, liefst neugierig herbei, doch als du sahst, dass es sich um einen der üblichen Zettel und die Karte von Philos Ptetès handelte, die Naudé sofort hervorgezogen hatte, kehrtest du mit einem resignierten Augenrollen zu den anderen zurück – diese Schatzjägerei erschien dir immer noch lächerlich.
»Ich habe ihn auf dem Boden gefunden«, flüsterte Naudé erregt, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die anderen weit genug entfernt waren. »Was für ein Glück, dass ich ihn nicht übersehen habe! Oh, Philos Ptetès, diesen Zettel hier unten zurückzulassen, ist vielleicht deine letzte Tat gewesen, bevor dein Leben endete! Armer Mann, er wird dieses Stück Papier hier fallengelassen haben, nachdem die Banditen ihn aus der Grotte des Seeochsen geholt und dann ein Stück durch diesen Tunnel geschleppt hatten. Wer weiß, wie viele Buchstaben des Alphabets er insgesamt auf dieser Insel verstreut hat? Vielleicht werden wir es nie erfahren, aber das macht nichts, denn, in |596|aller Bescheidenheit, ich bin ein geschickter Kryptograph und mit ein bisschen Findigkeit und Glück …«
»Heda, ihr beiden Nazarener, seid ihr über eurer Bibel eingeschlafen?« Der Korsar war zurückgekehrt, um zu sehen, was wir machten. Zwar haben die Barbaresken keinerlei Achtung vor dem Leben anderer, doch an unserer heilen Haut war ihm durchaus gelegen.
Wir stießen wieder zu der Gruppe. Unterwegs erklärte ich dem Statthalter, dass dieser unterirdische Gang angelegt worden sein musste, um im Falle einer feindlichen Invasion auf die andere Seite der Insel zu gelangen. Anfangs hatte er sicher aus einer natürlichen Höhle bestanden wie jener, durch die wir bis zur Grotte des Seeochsen gelangt waren. Nicht zufällig hatten wir dort zahlreiche Abzweigungen entdeckt, und es war nicht auszuschließen, dass sie mit dem Stollen verbunden waren, durch den wir gerade gingen.
Der Korsar war begeistert über diese Entdeckung.
»Teufel auch, hier könnte sich ja die Mannschaft eines ganzen Schiffes von Ali Rais verstecken, wenn man diese Feiglinge, die Ruderer, bis hierhin verfrachten könnte. He, ihr dort hinten, geht es endlich weiter?«
Mittlerweile hatten sich alle trotz des spärlichen Lichts mit der neuen Umgebung vertraut gemacht. Wir wechselten uns bei der Führung der Truppe ab und kamen recht zügig voran. Dann ergriff Kemal die Ruder des Vormarsches, er konnte es kaum erwarten, ins Freie zu kommen.
Plötzlich ein dumpfes Geräusch und ein Schrei: Im Eifer seines beschleunigten Gangs war der Korsar gegen etwas gestoßen, vielleicht einen Pfeiler mitten im Tunnel. Ich war direkt hinter ihm. Als ich spürte, wie mir Steinchen auf den Kopf und in den Kragen fielen, schrie ich auf:
»Zurück!«
Im selben Augenblick stürzte eine dunkle Masse von oben herab mitten zwischen unsere Gruppe. Die Hinteren zuckten vor Schreck zusammen und wichen zurück. Ein Teil der Decke war eingestürzt.
»Passt auf!«, schrie der Statthalter, den der Erdrutsch halb begraben hatte.
»Hilfe, tut doch etwas!«, jammerte Schoppe, ebenfalls von Erdreich und Geröll bedeckt.
Du und ich eilten ihm zu Hilfe, doch ein erneutes Nachgeben der Decke, von unheimlichem Knirschen angekündigt, zwang uns, zurückzuweichen. Ein Schwall stinkender Erde ergoss sich über Kemal |597|und Schoppe, als sie sich gerade erheben wollten. Ich hörte den Verehrungswürdigen vor Angst und Schmerzen weinen.
»Rettet mich, bitte!«, wimmerte er.
»Hör doch auf zu flennen, Alter!«, knurrte Kemal, während er aufstand und die feuchte Erde von sich abschüttelte.
»Was war das?«, fragtest du.
»Ich bin gegen einen hölzernen Pfeiler gestoßen, der einen Teil der Decke stützte, und das hat den verfluchten Erdrutsch ausgelöst«, erklärte der Korsar, im Halbdunkel schimpfend, während du ihm den Sack abnahmst, damit er sich die Erde abstreifen konnte.
Kaum waren der Barbareske und Schoppe aus dem Haufen Erde befreit, nahmen wir die Beine in die Hand und flohen.
»So ein verdammtes Pech, ich bin gegen den einzigen Pfeiler im ganzen Tunnel gestoßen!«, wetterte der Korsar.
»Wann endet dieser Gang denn eigentlich?«, jammerte der falsche Barbello, auf dessen weibliche Süße, obgleich sie verborgen war und fast nur für finstere Manöver taugte, die Tatsachen mit eilfertiger Galanterie antworteten: Schon nach ein paar Dutzend Schritten erblickten wir den Ausgang.
»Seht nur! Wir sind draußen!«, rief Naudé, während wir langsam aus dem Boden auftauchten und uns in einem gut verborgenen, fast nach Art einer Muschel geschlossenem Graben wiederfanden.
Über unseren Köpfen ein dichter Mantel aus Bäumen und Büschen – kein Ort und keine andere Beschaffenheit des Bodens wären besser geeignet gewesen, den Eingang zum Tunnel zu verbergen.
»He! Habt Ihr denn gar nichts bemerkt?«, fragtest du, uns mit einer Armbewegung anhaltend. Wir sahen dich überrascht an.
»Wir haben den ehemaligen Kommissar aus den Augen verloren, und das schon bevor wir den Tunnel in der Schlucht betreten haben.«
»Wirklich!«, rief Naudé. »Er ist plötzlich verschwunden. Ich glaube nicht, dass er entführt wurde oder sich verlaufen hat. Wir sind so viele, dass er uns unmöglich verloren haben kann. Ich würde sagen, er hat sich freiwillig in Luft aufgelöst.«
»Seht nur dort hinten!«, rief Kemal aus.
»Ah, ich wusste es ja!«, seufzte Naudé erleichtert.
»Nein, ich glaube, ich habe es zuerst gesagt«, widersprach Schoppe.
Nachdem wir den Tunnel verlassen und uns einen Weg durch die Vegetation gebahnt hatten, standen wir nun endlich vor der Lösung |598|des Rätsels: Friedlich und stumm lag die Stadt vor unseren Augen. Also gab es auf der anderen Seite von Gorgona doch eine bewohnte Siedlung, und ob! Nummer Drei und mit ihr die drei Bärtigen hatten recht gehabt. Warum um alles in der Welt hatte der ehemalige Kommissar es so hartnäckig geleugnet?
Die Antwort erhielten wir, als wir an den ersten Häusern vorbei in die Stadt traten.
Ein rascher Blick genügte, um die Wahrheit zu erkennen. Die Stadt war verlassen.