DISKURS XLIV

Darin ein vorüberfahrendes Schiff gesichtet wird.

Barbello führte uns zu der kleinen Anhöhe, auf die er, oder sie, muss ich wohl sagen, geklettert war, und von wo aus man einen Teil des |308|Meeres im Westen sah. Ein Schiff kreuzte unweit der Insel auf offener See. Es konnte ein englisches, holländisches oder spanisches Handelsschiff sein, da der Handelshafen Livorno in der Nähe lag. Oder waren es wieder die Korsaren, dieser Abschaum? Oder ein Schiff der Cavalieri von Santo Stefano?

»Wir müssen ein Feuer entzünden, das möglichst viel Rauch entwickelt!«, schlugst du vor, während wir alle hoffnungsfrohe Blicke auf das Schiff richteten.

»Sind wir verrückt?«, protestierte Schoppe. »Wenn das wieder Korsaren sind, ereilt uns dasselbe Schicksal wie unter Ali Ferrarese!«

Die beiden Korsaren wurden auf die Anhöhe geschleppt und gaben ein wenig widerwillig ihre Ansicht kund:

»Das ist eine Schebecke mit vierzehn Kanonen«, erklärte Kemal. »Sie wird auch sehr oft von Piraten benutzt. Ein Schiff von Ali Ferrarese kann es nicht sein, denn ich kenne alle, die in seinem Sold stehen, dies gehört nicht dazu. Freilich kann ich nicht ausschließen, dass er inzwischen eins gekapert hat. Es könnten Barbaresken sein, aber das lässt sich unmöglich genau sagen, ihre Fahne ist von hier nicht zu erkennen. Außerdem könnte sie falsch sein.«

»Aber es könnte auch ein Handelsschiff sein?«, fragte Barbello, der darauf brannte, die Insel zu verlassen, um endlich die Reise nach Paris fortzusetzen.

»Oder Piraten oder Korsaren«, ergänzte Guyetus, der hingegen bleiben und Philos Ptetès suchen wollte.

Kemal steckte in der Klemme: Wenn er beteuerte, es handele sich um Piraten und dann widerlegt wurde, würde er noch den letzten Rest unseres Vertrauens verlieren. Wenn er das Gegenteil behauptete, setzte er uns alle einer großen Gefahr aus. Also schwieg er.

»Antworte!«, forderte ich ihn auf.

Der Korsar wog seine Worte ab: »Man kann nichts Gewisses sagen. Wegen des Krieges zwischen Frankreich und England kreuzen Schiffe jeder Art in diesen Gewässern.«

»Lieber Secretarius«, sprach mich Hardouin an, »in Anbetracht Eurer guten Beziehungen zu diesem Schurken, welcher seit heute Morgen nur noch für Eure Anliegen empfänglich zu sein scheint, würdet Ihr ihn bitten fragen, ob die Leute auf dem Schiff den Rauch gesehen haben könnten, der von dem brennenden Häuschen aufstieg?«

»Natürlich«, antwortete Kemal, ohne sich bitten zu lassen. »Aber sie |309|werden dem kaum Beachtung schenken. Wahrscheinlich fahren sie einfach nur ihren Kurs.«

»Also entzünden wir ein Feuer! Wir müssen gesehen werden! Wollen wir weg von dieser Insel oder nicht?«, beharrte Malagigi, mit den Armen wedelnd.

»Hat der Barbareske es nicht klipp und klar gesagt? Auf diesem Schiff könnten Korsaren sein!«, entgegnete Guyetus zornig.

»Wenn sie kommen und wir merken, dass es Korsaren sind, können wir uns immer noch im Wald verstecken«, schlug Barbello vor. »Versuchen wir doch wenigstens unser Glück! Wann wird das nächste Schiff hier vorbeikommen?«

»Die Schebecke nähert sich der Insel«, verkündete Kemal, der auf Beobachterposten geblieben war.

Schoppe und Guyetus widersetzen sich: Es sei nicht ratsam, sich blicken zu lassen, man solle eine bessere Gelegenheit abwarten, mit den Korsaren sei nicht zu spaßen, und so weiter – alles vernünftige Bedenken, die jedoch durchblicken ließen, dass ihnen wenig am Verlassen der Insel gelegen war. Sie wollten Philos Ptetès finden.

Hardouin sagte nichts. Der bretonische Buchhändler wollte lieber rechtzeitig nach Hause zurückkehren, um die Geburt seines Kindes zu erleben, als an der Jagd auf philologische Schimären teilzunehmen, zu der ihn der alte Guyetus mitgeschleift hatte.

Naudé nahm entschlossen für jene Partei, die von der Insel fliehen wollten. Seine finstere Miene, sein heftiges Winken, mit dem er Kontakt zu dem Schiff aufzunehmen versuchte, schien zu bedeuten, dass ihm Philos Ptetès mittlerweile egal war und er Gorgona verlassen wollte. Was beunruhigte Mazarins Bibliothekar auf der Insel? Ich bemerkte, dass dir Naudés Verhalten nicht entging. Du mustertest ihn mit jenen zu Dreiecken verengten Augen, die ich aus der Asche der Unschuld hatte entstehen sehen.

Malagigi versuchte mit Hilfe der beiden Korsaren, blitzschnell ein Feuer zu entfachen, doch das regenfeuchte Holz verurteilte sie augenblicklich zum Scheitern.

»Lasst uns die Klippen hinunterlaufen«, rief Barbello aus, auf die Felsen weisend, an denen unser Beiboot zerschellt war. Wenn wir schnell genug waren, würden wir genau in dem Moment auftauchen, da die Schebecke an dem Kliff vorbeifuhr. Ging alles gut, würden wir Gorgona schon in einer Stunde verlassen.

|310|Zu sechst machten wir uns bereit, alle, die schnell zu Fuß waren: Kemal, du und ich, Naudé, Hardouin und Malagigi. Die anderen und Mustafa, der wegen seines piratenhaften Aussehens nicht vorzeigbar war, sollten erst hinunterkommen, wenn unsere Gesandtschaft Erfolg hatte. Sie würden uns, gut versteckt, von der Höhe des Kliffs aus beobachten. Wenn sie merkten, dass etwas schiefging, würden sie sich im Wald verstecken. Eine riskante Entscheidung: wir liefen Gefahr, dass unsere Hälfte der Gruppe und die andere, versteckte, nie wieder zusammenkamen. Barbello bat darum, mitkommen zu dürfen, ich sah euch heimlich Blicke wechseln.

Doch der Frau, die sich als Kastrat ausgab, wurde befohlen zu bleiben: Sie war nicht kräftig genug, um sich rasch über die Klippen und dann vielleicht im Wasser zu bewegen. Schweigend wandte sie sich ab, ohne sich von unserer Gruppe zu verabschieden.

Das Mysterium der Zeit
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