DISKURS XLIII
Darin erneut der Name des Jean-Jacques Bouchard auftaucht, welcher vor fünf Jahren in Rom ermordet wurde.
Wie eine gläserne Konkretion des Eises, die noch vor dem Morgengrauen klingend ertönt, hallte nun dieser Name erneut zwischen uns wieder.
Jean-Jacques Bouchard, ein Freund von Gabriel Naudé, ein junger Philologe, der zum Kreis der Starken Geister gehörte, war vor fünf Jahren in Rom ermordet worden. Ich hatte gehört, wie Caspar Schoppe auf seine skandalösen Beziehungen zu Mazarins Bibliothekar anspielte.
»Das Pseudonym Orestes und auch die Schreibweise des Namens in Altgriechisch ist typisch für Bouchard«, erklärte Guyetus, während Schoppe schon vor Wut schäumte. »In unseren Philologenkreisen hat man das erst nach seinem Tod erfahren. Auch Bouchard war Philologe und sogar ingeniös, das muss ich zugeben, vor allem jetzt, da ich diesen Text mit eigenen Augen lesen konnte«, gestand Guyetus ehrlich.
»Und dieser Verräter Naudé, dieser Betrüger«, fuhr Schoppe zornig auf, »der sagt, er habe keine Ahnung, wer Orestes sei!«
»Vielleicht weiß er es wirklich nicht«, bemerkte Hardouin. »Naudé ist kein Philologe.«
|307|»Er kann nicht mal Griechisch, und Latein zitiert er so, wie wir alle es gehört haben …«, schloss Guyetus mit einem vielsagenden Lächeln.
»Meine Lieben, unser Gabriel kannte Bouchard wie seine Westentasche! Und wer weiß, was er noch alles von dieser Sache weiß und uns nicht verrät!«, kreischte der alte Deutsche. »Ich habe es ja gesagt, dass er sich die Hände mit unaussprechlichen Dingen schmutzig gemacht hat! Da hat sich Mazarin wahrlich in gute Hände begeben, oh ja, in ganz ausgezeichnete Hände!«
»Bist du nicht etwas voreilig, Caspar?«, bremste ihn Guyetus.
»Während ich, Caspar Schoppe, die Mächtigen und Irrgläubigen mit meinen Schriften herausgefordert und den wahren Glauben verteidigt habe, standen Naudé und Bouchard im Dienst der Kardinäle der heiligen römischen Kirche und waren gern gesehene Gäste in den Palästen der Patrizierfamilien, die dem Papst am nächsten stehen. Kurzum, sie lebten glücklich und zufrieden im Schatten eben jenes Papsttums, das sie hinterrücks im Namen ihres atheistischen Credos verleumdeten. Niemand durchschaute ihr Spielchen, doch nach Bouchards Tod kamen diese abscheulichen Tagebücher ans Licht …«
»Seht mal!«, rief Hardouin in diesem Moment aus. Er zeigte auf eine dünner werdende Rauchsäule am Himmel. Das Haus des Mädchens schien mitsamt seiner Bewohnerin nun vollkommen verbrannt zu sein. Wir bekreuzigten uns, mit Ausnahme von Guyetus natürlich.
In diesem Augenblick sahen wir Barbello und dich näher kommen. Noch wusste ich nicht, wie ich dieses Weib mit dem Lockenschopf und den üppigen Brüsten anders nennen sollte. Ihr Anblick löste Bestürzung und Dankbarkeit zugleich in mir aus, verstohlen warf ich dir einen schuldbewussten Blick zu. Keuchend und mit den Armen fuchtelnd kamt ihr an. Barbello rief:
»Kommt schnell, seht euch das an, ein Schiff!«