|171|DISKURS XXI

Darin es zwar gelingt, anzulegen, doch nicht so, wie man es sich gewünscht hatte.

Während wir uns der Insel näherten, bestürmten wir die beiden Korsaren mit einer Menge Fragen, um eine wenigstens annähernde Beschreibung der Insel zu erhalten. Antonio und Vincenzo, oder auch Mustafa und Kemal, wie ihre Räuberkumpane sie nannten, waren mit Gorgona und dem umliegenden Meer jedoch nicht vertraut, sie wussten nur, dass Ali hier mehrmals an Land gegangen war, um Wasservorräte zu holen. Jedes Barbareskenschiff konnte dies ungehindert tun, wie sie uns erzählten, denn wenn die kleine Garnison des Großherzogtums Toskana auf der Insel stationiert war, stellten die Soldaten sich blind für die in der Nähe kreuzenden Schiffe der Korsaren und wollten nicht einmal wahrnehmen, dass die Korsaren sich an Land mit Wasser versorgten, um einen Kampf zu vermeiden, aus dem sie dezimiert hervorgehen würden. Die beiden Barbaresken wussten nicht, ob die Insel über einen Hafen verfügte, also musste man einen geeigneten Anlegeplatz finden. Die Ostseite fiel sanft zum Strand ab, während die Westseite offenbar zum Großteil aus steilen, hoch über dem Meer aufragenden Klippen bestand.

Also sei es gefährlich, wenn wir versuchten, im Osten an Land zu gehen, sagte ich, denn wenn Alis Schiff sich in der Nähe der Insel befand, wartete es wahrscheinlich genau dort auf seine Beute wie eine Spinne am Rand ihres Netzes. Es sei daher ratsam, auf der gegenüberliegenden Westseite der Insel anzulegen, wo es zwar viele unwegsame Buchten gab, die aber auch mehr Schutz boten.

Die felsige Westküste, die streckenweise steil zum Meer abfiel, musste doch auch irgendwo einen geeigneten Anlegeplatz haben. Ein anderer guter Grund, an der Westküste anzulegen, war, dass sowohl im Norden als auch im Süden der Insel Felsen aus dem Wasser aufragten, an denen der Kiel von Schiffen und vielleicht auch der unsere zersplittert wäre.

Wir wechselten uns am Ruder ab: Naudé ersetzte Malagigi, ich erlöste Hardouin. Alle waren am Ende ihrer Kräfte, aber wir wussten, dass wir die letzten Energien aus uns herausholen mussten.

Der dunkle Umriss der Insel, der an eine auf dem Wasser schlummernde, |172|steinerne Riesenschildkröte erinnerte, ragte majestätisch vor uns auf, während wir ihn in Richtung Westen umrundeten. Die im Dienst für meinen Padrone, eines Cavaliere des Ordens Santo Stefano, gesammelten Erfahrungen halfen mir nicht wenig beim Manövrieren um die Klippen, deren Spitzen sich im nächtlichen Dunkel dem Blick entzogen.

Das Anlegemanöver begann unter günstigen Vorzeichen: Die stärksten Wellen wurden von einigen aus dem Wasser ragenden Felsen abgehalten, zu denen wir jedoch gebührenden Abstand wahren konnten. Gerade als wir uns kurz vor dem Ziel wähnten, da die Spitze des Bootes genau auf eine Stelle gerichtet war, wo die in der Dunkelheit schwer zu erkennenden Klippen sich zu einer flachen kleinen Bucht zu öffnen schienen, kam unversehens eine eiskalte Bö angefegt, besprühte uns mit Gischt und peitschte die Wellen auf, die das Boot wie zum Scherz einen gewaltigen Satz nach vorn machen ließen.

»Halten mucho forte!«, schrie Mustafa, als wäre dies ein letzter Befehl, bevor das Schicksal die Würfel fallen ließ.

Denn der starke Ruck des Bootes ließ alle schwanken, die nicht ruderten, während diejenigen, die an den Dollen saßen, vom Rückstoß der Ruder am Kinn, in die Rippen oder am Nacken getroffen wurden. Wenige Schritte vor der Rettung war die Kontrolle über das Boot verloren. Zudem ergoss sich plötzlich über eine nahe Felswand ein aus dem Nichts aufgetauchter Sturzbach, zerteilte sich auf unseren Gesichtern zu schneidend kalten Rinnsalen und nahm uns die Sicht. Ein dumpfer Aufprall, der Boden des Bootes war gegen einen Felsen unter dem Wasserspiegel gestoßen.

»Raus, alle raus!«, schrie Kemal unsere zitternde kleine Schar an, von der keiner lange über Wasser ausgehalten hätte, während das Boot unaufhaltsam zu sinken begann.

Dennoch sprangen wir alle, uns blindlings auf ein Stück Felsen werfend oder mit den Fingernägeln in den Rücken des Vordermanns gekrallt, um dem sicheren Tod zu entkommen. Meine Füße fanden unerwartet Halt auf dem sterbenden Wrack des Bootes, deine Arme verließen sich auf meinen Rücken, der ihnen nur mühsam Schutz bot. Was die anderen taten, weiß ich nicht, ich kann nur sagen, dass allen in diesen verworrenen Augenblicken die Hilfe Gottes und der Fortuna zuteilwurde, bei denen wir großen Kredit zu haben schienen, denn sie zeigten sich weit über unsere Verdienste hinaus großzügig.

|173|Könntest du, Atto, sagen, dass du dich besser an diese Momente erinnerst? Was hast du noch im Gedächtnis bewahrt außer dem ekelhaften Geschmack des Meerwassers und den schmerzhaften Schnitten in den an die Klippen geklammerten Fingern? Als ich dich danach fragte, konntest du meinen Worten und Erinnerungen nicht viel hinzufügen. Und es ist gut, dass dramatische Momente vergessen werden, wenn uns vom Himmel das Geschenk gemacht wird, sie unversehrt zu überstehen.

Ein paar Minuten später kauerten wir alle auf den Klippen. Eine an der Wasseroberfläche zerplatzende, große Luftblase hinter sich lassend, verabschiedete sich das Rettungsboot, das einst der Kriegsmarine des Allerchristlichsten Königs von Frankreich gehört hatte. Außer dem armen Wrack waren wir alle davongekommen.

Das Mysterium der Zeit
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