Teil IV: Die Quantenphysik wird dreidimensional
Die bisherige Darstellung behandelte insbesondere Teilchen in eindimensionalen Systemen. Dabei bestand die Untersuchung des Systems im wesentlichen in der Lösung der zeitunabhängigen Schrödinger-Gleichung. In der Wellenmechanik ist dies eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung. Wie in Teil II gezeigt wird, reduziert sie sich für ein eindimensionales System auf eine gewöhnliche Differentialgleichung, die sich relativ einfach lösen lässt.
Da die uns umgebende Welt aber dreidimensional ist, stellt sich natürlich auch die Frage, wie man mit der Schrödinger-Gleichung im Dreidimensionalen umgeht. Ihre Erfahrung sagt Ihnen zu Recht, dass ein Problem im Allgemeinen sehr viel schwieriger zu lösen ist, wenn ein System eine größere Anzahl von Freiheitsgraden besitzt. Doch auch dann gibt es Wege, die die Lösung vereinfachen: so besitzt der Hamilton-Operator oftmals Symmetrieeigenschaften, die eine Lösung erleichtern. In manchen Fällen erhält man beispielsweise durch eine Änderung der Variablen eine partielle Differentialgleichung, die separiert, also abgespaltet werden kann. Dadurch zerfällt das Eigenwertproblem in mehrere einfache Eigenwertprobleme.
Je nach Fragestellung verwendet man bei dreidimensionalen Problemen
Rechtwinklige Koordinaten
Kugelkoordinaten (sphärische Polarkoordinaten)
Abbildung 2.2 zeigt eine Darstellung der rechtwinkligen Koordinaten x, y und z (links) und der Kugelkoordinaten r, θ und φ.
In Kapitel 8 wird zunächst gezeigt, dass man bei bestimmten Aufgaben mit rechtwinkligen Koordinaten arbeitet und die x-, y- und z-Abhängigkeit voneinander abspalten und die Lösung für jede Dimension getrennt berechnen kann. Das heißt, man verwandelt die dreidimensionale Schrödinger-Gleichung in drei eindimensionale Schrödinger-Gleichungen:
Im Anschluss daran werden die Ihnen bereits aus Teil II bekannten Beispiele eines freien Teilchens, eines Teilchens in einem rechtwinkligen Potential und in einem harmonischen Oszillator behandelt – jetzt allerdings nicht mehr eindimensional sondern im realen dreidimensionalen Raum.
In Kapitel 9 wird die Bewegung von Teilchen in Zentralpotentialen untersucht, das heißt, in einem Potential das nur vom Abstand r des Teilchens vom Kraftzentrum, nicht aber von der Richtung des Vektors r abhängt, der vom Zentrum zum Teilchen weist (siehe Abbildung 2.2 rechts). Da dieses Potential Drehsymmetrie besitzt, ist es sinnvoll, zu Kugelkoordinaten überzugehen. Dann kann man die Wellenfunktion ψ (r) = ψ (r, θ, φ) vollständig separieren, so dass man eine Radialgleichung und einen winkelabhängigen Teil erhält. Die Wellenfunktion lautet in diesem Fall:
Dabei ist die Radialgleichung eine Differentialgleichung, die nur von r abhängt und sich somit mathematisch lösen lässt.
Bei der Untersuchung des sphärisch symmetrischen Kastenpotentials am Ende von Kapitel 9 wird schließlich dargestellt, wie man die Radialgleichung mithilfe von Funktionen löst, die aus der Mathematik wohlbekannt sind.
Das Wasserstoffatom ist das einfachste Atom des Periodensystems. Es besteht aus einem Proton und einem Elektron, die sich gegenseitig umkreisen. Es gehört zu den größten Leistungen der Quantenmechanik, dass sie in der Lage ist, dieses System vollständig bis in die letzten Einzelheiten zu beschreiben. Es muss an dieser Stelle aber auch gesagt werden, dass das Wasserstoffatom in dieser Beziehung eine Ausnahme bildet. Alle anderen Atome sind zu komplex, als dass sie vollständig beschrieben werden könnten. Dennoch liefert die vollständige quantenmechanische Beschreibung des Wasserstoffatoms den Schlüssel zum Verständnis des Aufbaus und der Eigenschaften aller Atome, inklusive einer Erklärung des Periodensystems der Elemente.
Wenn Sie die Bewegung eines Elektrons um ein Proton betrachten, das sich auf einer Bahn mit dem Radius rp um den Schwerpunkt der Massen bewegt, so haben Sie es mit zwei sich bewegenden Körpern zu tun; dies macht die Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom zunächst einmal sehr kompliziert. Sie lautet:
Dabei beschreiben die beiden ersten Terme die kinetischen Energien der beiden Teilchen, der dritte die elektrostatische Wechselwirkung zwischen ihnen.
Wenn man nun annimmt, das sich das Proton in Ruhe befindet und somit rp = 0 ist, so vereinfacht sich das Problem erheblich. In diesem Fall ist die Gleichung zwar nicht mehr exakt, aber sie bietet den Vorteil, dass sie so sehr viel leichter zu lösen ist und immer noch eine Fülle von neuen Informationen liefert. Die Schrödinger-Gleichung lautet jetzt:
Da das Potential hier nur vom Relativabstand abhängt, führt man Relativ- und Schwerpunktskoordinaten ein sowie die reduzierte Masse m = memp/(me+mp) und die Gesamtmasse M = me + mp. Als Folge erhält man zwei Schrödinger-Gleichungen, die man unabhängig voneinander lösen kann.
Bei dieser Lösung werden Sie sehen, dass sich die Wellenfunktion wiederum in einen radialen und einen winkelabhängigen Teil aufspalten lässt. Die Untersuchung dieser Komponenten erfolgt schließlich mithilfe des mathematischen Weges, den Sie bereits in Kapitel 9 bei der Untersuchung von Zentralpotentialen kennen gelernt haben. Darüber hinaus werden Sie in diesem Kapitel die anschauliche Bedeutung der vier Quantenzahlen kennen lernen, die zur vollständigen Beschreibung des Elektrons in einem Wasserstoffatom notwendig sind.