Vor den Cafés werden die Gehwege mit Stühlen vollgestellt. Wer dort wohnt, muss sich zwischen Kaffee trinkenden Menschen hindurchquetschen. Wenige Wochen später breiten sich die Stühle bis auf die Straße aus.

Die Kellner werden fast überfahren, wenn sie mit leeren Gläsern und vollen Aschenbechern hin und her laufen. Auf der anderen Seite stehen die Stühle bis dicht an den Kanal.

Trotzdem suchen viele vergeblich nach einem freien Tisch, sie schwärmen um uns herum und hoffen, dass jemand bald austrinken oder in der stechenden Sonne sterben wird.

Petra trägt einen Strohhut mit breiter Krempe, sie lässt eine Sandale über dem Kanal baumeln.

Sie liebe die Sonne, sagt sie, aber die Sonne sei weniger lieb zu ihr.

Jeden Morgen rufe ich im Verteilerzentrum an und frage, ob ich unentbehrlich sei. Das bin ich selten. In den Sommermonaten werden nicht viele große Briefe verschickt. Dafür umso mehr Postkarten, und die werden mit Maschinen sortiert.

Auch Petra muss weniger arbeiten, weil sich im Sommer Studenten als billige Arbeitskräfte anbieten.

Wir sparen nicht, keiner von uns hat je gelernt, mit Geld umzugehen. Wir kaufen Kaffee und Essen, das zwischen zwei Scheiben Brot passt.

Petra streckt sich, und der Stuhl rutscht noch dichter ans Wasser heran.

»Wir stellen den Esstisch woandershin«, sagt sie. »Dann kannst du in der Küche malen. Kotek hat nichts dagegen, wenn wir ihren Futterplatz verlegen. Du kannst ruhig klecksen.«

Ich schirme die Augen mit der Hand ab.

»Und ich will nicht mehr länger Farbe von deinen Händen schrubben.«

Sie nimmt meine Hände, sie sind sauber. Ich habe nicht mehr gemalt, seit Kasper verhaftet wurde.

»Ich will mich beschweren«, lacht Petra. »Immer hast du Farbe an den Fingern! Die Leute sollen es hören und sich danach erkundigen, damit ich allen erzählen kann, dass mein Freund eine Ausstellung hat.«

Ich bin mir fast sicher, dass Petra seit der Vernissage noch mehrmals in der Galerie war. Sie hat nichts gesagt, aber an manchen Tagen kam sie spät heim und lächelte, als hätte sie ein großes Geheimnis.

Neulich zeigte sie mir einen Zeitungsartikel, den sie auf der Arbeit gelesen und ausgeschnitten hatte. Ein paar Zeilen im Feuilleton über die Galerie, die neue Künstler ausstellt. Mit dem Bild, auf dem Michael vor uns in der Hocke sitzt. Ich stehe ganz außen, bin nur ein körniger Schatten.

Ich überquere die Straße, um die dritte Tasse Kaffee zu holen. Petra fragt, ob sie ein Glas Cognac dazubekommen könne.

Beim Überqueren der Straße versuche ich, nichts zu verschütten. Ein Radfahrer muss einen Bogen um mich machen, ich höre nicht, was er ruft. Petra nippt an dem Cognac und lächelt.

»Mein Vater hat mit mir eine Art Konfirmation gefeiert«, sagt sie. »Er ist Katholik, aber er glaubt nicht an Gott, also gingen wir ins Tivoli. Dort tranken wir einen Cognac zum Kaffee, weil ich ja fast erwachsen war. Ich muss ziemlich laut gelallt haben auf dem Heimweg. Er hat sich sehr geschämt und hatte ein schlechtes Gewissen.« Petra lacht, bis ihr wieder einfällt, dass sie eigentlich nichts von ihrer Familie erzählen wollte.

Auf dem Heimweg nehme ich ihre Hand, und wir gehen in einen Weinladen. Ich kaufe eine Flasche Cognac. Nachdem die Katze gefüttert und das Kondom weggeworfen ist, trinken wir den Cognac aus Wassergläsern. Nach ein paar Schlucken bekommt sie rote Kreise auf den Wangen, als hätte sie sich mit Lippenstift angemalt.

»Ich sehe aus wie ein Clown, stimmts?«

Ich nicke, sie schlägt nach mir, trifft aber nicht.

Es wird ein langer, warmer Sommer, in dem auch der kleinste Laden vermietet wird und Eis verkauft. Italienisches Eis, hausgemachtes Eis, die Bäckereien hängen Schilder auf und werben für ihre selbst gemachten Waffeln. Alle behaupten, die größten Portionen zu haben. Die größte Waffel, die größte Sahnehaube, die Anzahl der Kugeln wird zweistellig.

Petra kauft eine Leine für Kotek. Wir versuchen, mit ihr spazieren zu gehen, aber die Katze dreht sich immer um und versucht, das Leder durchzubeißen. Schließlich weigert sie sich, weiterzugehen. Ich nehme sie auf den Arm und trage sie durch die Stadt.

In Nyhavn kaufe ich ein Eis für Petra. Ich bestelle das größte, das sie haben. Während sie isst, halte ich Koteks Leine, weil sie die Waffel mit beiden Händen umgreifen muss.

Als wir abends im Bett liegen, nimmt Petra eine Hautfalte am Bauch zwischen die Finger und sagt, ich habe sie gemästet. Im Dämmerlicht sind ihre Augen dunkelblau wie Uniformen. »Ich glaube, ich kann mich nicht mehr an unsere Abmachung halten«, sagt sie.

Wie keiner sonst / ebook
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