Mein Vater hat Zeitungspapier auf dem Boden ausgebreitet und sitzt auf einem Stuhl in der Mitte.
»Wie willst du es haben?«, frage ich ihn.
»Einfach nur schön.«
Ich kämme sein Haar, an manchen Stellen ist es so verknotet, dass der Kamm stecken bleibt. Dann schneide ich vorsichtig die ersten Haarbüschel ab, fürchte, dass er »Stopp« rufen wird. Aber er sagt nichts, also mache ich weiter. Die Haare bedecken die Zeitungsseiten unter uns.
»Es ist schon ziemlich kurz.«
Er fasst sich an den Kopf, fegt ein Haarbüschel hinter dem Ohr weg.
»Schneid weiter, es wächst ja schnell wieder.«
Ich versuche, mich zu erinnern, welche Frisur die Männer haben, die Mappen unter dem Arm tragen und es immer eilig haben, weil sie einen Zug erreichen und andere Männer mit Mappen treffen müssen. Ich versuche, sein Haar an den Seiten etwas kürzer als oben zu schneiden. Wenn ich in die Schule komme, wird er wie alle anderen Väter aussehen, darüber freue ich mich.
Als ich mich nicht mehr traue, mehr abzuschneiden, geht er ins Bad und schaut in den Spiegel. Ich halte die Luft an, bis er sagt: »Das hast du gut gemacht.«
Er richtet es ein bisschen, bis er zufrieden ist.
»Ich sag ja nicht, dass du Friseur werden sollst, aber das ist wirklich gut.«
Er kämmt sich einen Mittelscheitel und grinst sein Spiegelbild an. Dann probiert er es mit einem Seitenscheitel, erst nach links, dann nach rechts. Nun sieht er wie ein Schlipsträger aus, der in einer Bank arbeitet und jeden Tag zur selben Uhrzeit nach Hause kommt. Wenn ich das nächste Mal einkaufen gehe, bringe ich ihm einen Schlips mit. Wenn ich lächle, während er ihn auspackt, würde er ihn sogar anziehen. Ich fürchte nur, er würde ihn über dem Pullover tragen.
Er reibt mehr Wasser ins Haar. »Ein Superseitenscheitel«, sagt er und kämmt es ganz glatt. Dann holt er schwarze Schuhcreme, schraubt den Deckel auf und steckt zwei Finger hinein. Er malt sich einen dicken Strich zwischen Nase und Oberlippe. »Wer bin ich?«, fragt er.
»Hitler«, rufe ich.
Mein Vater marschiert mit steifen Beinen durch die Wohnung und streckt die rechte Hand in die Luft. Er ruft auf Deutsch: »Arbeit macht frei!«, und wirbelt Haarbüschel vom Boden auf. Er schielt, sabbert und ruft: »Die Endlösung der Judenfrage.« Ich lache, bis mir der Bauch wehtut.
An diesem Abend essen wir Kartoffeleintopf mit Würstchen, das Rezept habe ich aus dem großen Kochbuch von der Bibliothek. Immer, wenn ich meinen Vater ansehe, kann ich mir das Lachen nicht verkneifen. Er hat geschrubbt und geschrubbt, aber den schwarzen Strich nicht von der Oberlippe abbekommen.
»Wenn es so gut schmeckt, darf man ruhig schmatzen«, sagt er und trinkt einen Schluck Bier. Ich bin stolz, zum ersten Mal habe ich etwas so hinbekommen, wie es im Buch aussieht.
Die Wand hinter uns ist wieder leer. Mein Vater hat alle Zeitungsausschnitte abgenommen, während ich kochte. Nur die blauen Striche auf der Tapete sind noch da.