Hast du Hunger?«, fragt mein Vater.
Wir sind gerade aus dem Theater gekommen und gehen die Straße entlang.
»Kommt Sara nicht mit?«
»Nein, heute nicht.«
Wir gehen über den Rathausplatz und weiter bis zu einem Haus, das aussieht wie ein Restaurant. Mein Vater öffnet die große Holztür, und ich sehe weiße Tischdecken und glänzendes Besteck. Ein Kellner führt uns zu einem Tisch in der Mitte des Lokals. Bis auf zwei Männer in Anzügen sind wir die einzigen Gäste.
Der Kellner bringt die Speisekarte, ein großes Bier für meinen Vater und eine Limonade für mich. Mein Vater blättert die Karte durch. Er sagt, ich könne aussuchen, was ich will. Dann legt er die Karte weg und sieht mich an.
»An was denkst du?«
»Nichts …«
»Doch.«
»Ich will in die Schule gehen.«
»Du gehst zur Schule«
»In eine richtige Schule.«
Er nickt, schüttelt eine Zigarette aus dem Päckchen. Der Kellner kommt wieder, und mein Vater bestellt für uns. Als wir wieder allein sind, sieht er mich an.
»Du willst in eine Schule mit anderen Kindern?«
»Ja.«
»Dann sollst du dorthin.«
Wir essen Schweinebraten mit Petersiliensoße aus großen, weißen Tellern, die Kartoffeln liegen in einer Schale zwischen uns, ebenfalls mit Petersilie bestreut. Mein Vater knuspert an einer Schwarte.
»Das ist nicht so einfach …«, sagt er und sieht aus, als würde er einen Plan aushecken.
»Ich muss zuerst ein paar Dinge regeln. Aber du kommst in die Schule, keine Angst.« Er zerteilt eine Kartoffel, tunkt sie in die Soße und steckt sie in den Mund. »Nach dem Sommer … Nach dem Sommer kannst du mit der dritten Klasse beginnen.«
»Glaubst du, dass ich da mitkomme?«
Ich habe geträumt, dass ich in einer Schulklasse saß und die anderen Schüler mich auslachten. Ich sollte IDIOT buchstabieren und an die Tafel schreiben.
Mein Vater hört auf zu kauen.
»Die anderen gehen schon seit zwei Jahren zur Schule. Jeden Tag. Bist du sicher, dass ich gleich gut bin?«
Mein Vater schüttelt sich vor Lachen. Er lacht so heftig, dass sein Bier überschwappt und kleine Schaumwellen über die Soße rollen.
»Du bist nicht gleich gut«, sagt er und wischt sich mit der Serviette die Tränen aus den Augen. »Du bist verdammt noch mal besser. Egal, in welche Klasse du kommst, du wirst immer besser als der Beste sein. Aber eins darfst du nie vergessen«, sagt er. »Es ist in Ordnung, dass du besser als die anderen bist. Aber versuch, nicht zu gut zu sein. Versuch, es nicht zu zeigen. Sonst stellen die Leute nur dumme Fragen.«
Ich verspreche es ihm, obwohl es mir schwerfällt, ihm zu glauben.
Mein Vater bestellt mehr Braten, sagt: »Iss. Iss, bis du platzt.« Auch eine zweite Limonade bestellt er mir.
»Aber wir machen auch mit unserer Schule weiter. Vielleicht nur sonntags, wenn wir nichts anderes zu tun haben. Du musst ja nicht genauso dumm werden wie der Rest der Welt.«