Mein Vater bremst so fest, dass ich fast von der Ladefläche falle. Er bleibt stehen und zeigt auf unsere Toreinfahrt. Dort stehen zwei Männer, beide in Jeans und Windjacken.

»Guck mal, die da«, flüstert er.

»Sie tun so, als stünden sie zufällig dort. Viel zu lässig. Stehen dumm herum und rauchen.«

Ich kneife die Augen zusammen, kann aber nichts anderes als zwei gewöhnliche Männer in einer Toreinfahrt erkennen.

»Weißt du noch, was ich dir von den Weißen Männern erzählt habe?«

»Die Helfer der Königin?«

»Ja, genau.«

»Sind das die Weißen Männer?«

»Ich weiß nicht. Aber wir sollten es nicht darauf ankommen lassen.«

Wir steigen wieder aufs Fahrrad. Verlassen die Stadt. Asphalt wird zu Schotter, Schotter wird zu festgefahrener Erde. Erst als wir die Lichter der Stadt nicht mehr sehen, hält mein Vater an und steigt ab. Er läuft hin und her, dann setzt er sich auf einen Baumstumpf und raucht. Ich bin ganz still, will ihn nicht beim Nachdenken stören.

Nach zwei Zigaretten steht er auf.

»Ich glaube, wir müssen bald umziehen.«

Wir fahren zum Haus der alten Dame. Die Farben sind wie verwischt. Die dunklen Zweige greifen nach uns, wie in den Wäldern in Vaters Märchen. Wälder voller Trolle, die einem drei Wünsche erfüllen, aber dafür auch etwas verlangen. Trolle, die kleine Jungen fressen. Sie halten sie als Knechte, bevor sie sie aufspießen, grillen und mit Waldbeeren verspeisen.

Mein Vater öffnet das Garagentor. Das Auto ist frisch gewaschen. Er hält die Tür auf, ich klettere auf die Rückbank. Der Lederbezug fühlt sich kalt an unter meinen nackten Beinen.

Mein Vater steckt den Zündschlüssel ins Schloss.

»Ja, ich weiß, dass du noch nicht willst. Aber wir brauchen dich dringend.«

Er legt die Hand auf das hölzerne Armaturenbrett.

»Wir werden dich auch richtig verwöhnen. Hinterher. Aber tu uns den einen Gefallen.«

Er dreht den Schlüssel um, aber nichts geschieht.

»Nur heute, Schätzchen.«

Er dreht ihn noch einmal um. Der Motor knurrt, dann zittert das ganze Auto wie ein Hund, der sich schüttelt.

»Na bitte. Ich wusste, dass du es kannst.«

Langsam fahren wir über die holprige Wiese, den Schotterweg hinab und schließlich auf die Landstraße.

Nach ein paar Kilometern hält mein Vater an, holt eine Wolldecke aus dem Kofferraum und breitet sie über mich.

»Schlaf, wenn du kannst«, sagt er und setzt sich wieder ans Steuer.

Die Nacht erlebe ich in kurzen Augenblicken, immer wenn ich aufwache.

Ich weiß, dass wir am Meer sind, ich höre die Wellen. Mein Vater steht draußen im Licht der Scheinwerfer, raucht und schaut auf die Uhr.

Noch ein Augenblick, wir fahren wieder auf der Straße. Das Auto brummt. Ein ruhiges, freundliches Brummen. Ich bleibe liegen und gucke das Autodach an.

Noch ein Augenblick, wir stehen vor unserer Toreinfahrt. Mein Vater packt den Kofferraum voll, er hält die Kiste mit den LPs in der Hand. »Schlaf weiter«, sagt er.

Ich wache auf, weil mein Kopf auf dem Sitz auf und ab hopst. Wir fahren am Haus der alten Dame vorbei und wieder in die Garage.

Mein Vater räumt das Auto aus, es dauert nicht lange. Jedes Mal, wenn wir umziehen, haben wir weniger Sachen. Als Letztes holt er meine Staffelei aus dem Kofferraum, in der anderen Hand hält er die Mappe mit meinen Zeichnungen.

»Handtücher kann man immer neue kaufen«, sagt er.

Wir sitzen in der Küche der alten Dame und essen Knäckebrot mit Wurst und Käse. Ich trinke Johannisbeersaft, mein Vater hat Kaffee aufgesetzt.

Er spricht draußen auf dem Korridor mit der alten Dame, sie flüstern, als gäbe es noch andere im Haus, die wir nicht wecken dürfen. Mein Vater lacht, sie tun, als wäre es schon immer geplant gewesen, dass wir hier einziehen. Die alte Dame wünscht uns eine gute Nacht, dann höre ich ihre Pantoffeln über den Korridor schlurfen.

Das letzte Stück Knäckebrot liegt noch auf dem Teller, meine Augenlider sind schwer. Mein Vater trägt mich die Treppe hinauf und schubst die Tür mit dem Fuß auf. Unser neues Heim. Das Zimmer ist nicht groß, aber größer als unsere letzte Wohnung. Die Tapete ist gelblich mit kleinen Blumen, die Matratze hart. Mein Vater legt mich ins Bett, das Laken ist steif und duftet nach frischer Luft.

Wie keiner sonst / ebook
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