Mein Vater hat schon Frühstücksbrote geschmiert. Der Schulranzen steht fertig gepackt auf dem Tisch.
Ich bin gerade aufgewacht. »Heute machen wir einen Ausflug«, sagt er.
»Zieh deine feinen Sachen an«, sagt er durch den Türspalt, »heute gehen wir nicht in den Wald.« Er selbst trägt ein weißes Hemd unter der Jeansjacke, seine schwarzen Schuhe glänzen, das Haar ist frisch gekämmt.
Er setzt mir den Ranzen auf. »Du musst dich daran gewöhnen. Die Schule beginnt bald.« Ich spanne die Tragriemen.
Wir gehen hinaus.
»Ist er auch nicht zu schwer? Ich habe die Trinkflasche reingesteckt.« Ich schüttle den Kopf, weiß, dass er noch viel schwerer sein wird, wenn er voller Bücher ist.
Mein Vater macht große Schritte und schaut auf die Uhr. Ich muss laufen, um mitzukommen. »Entschuldigung«, lächelt er und geht langsamer. »Soll ich die Tasche tragen?« Ich schüttle den Kopf.
An der Bushaltestelle richtet er meine Frisur mit Kamm und Spucke.
»Wir fahren nach Christiansborg, da müssen wir schick aussehen.«
Mein Vater schaut aus dem Busfenster. Er massiert seine Knie, unaufhörlich fährt er mit der Hand über den Jeansstoff. Ich zupfe an seinem Ärmel. Er dreht sich zu mir und nimmt meinen Kopf in beide Hände. Dann küsst er mich auf die Stirn und schaut wieder aus dem Fenster. Jetzt bewegt er nicht einmal mehr die Hände.
Ich habe kein Frühstück bekommen, bevor wir die Wohnung verließen, das spüre ich jetzt. Die Dame auf dem Sitz gegenüber isst Brot aus einer Bäckereitüte. Wie ein Vogel, der Futter pickt, zupft sie Stück für Stück von dem Laib.
Ich will meinen Vater wieder am Ärmel ziehen, will fragen, was wir zu essen dabeihaben, und mehr über die Politiker wissen. Wie man einer wird, und warum sie so wichtig sind. Irgendetwas, weil er viel zu still ist. Da dreht er sich zu mir und lächelt.
»Spannend, nicht wahr, mein Schatz?« Er nimmt meine Hand.
Als wir aussteigen, sage ich, dass ich Hunger habe. Er klopft auf den Schulranzen. »Gleich«, sagt er. Wir gehen über den gepflasterten Platz auf das Schloss zu. Mein Vater hält die große, hölzerne Tür für mich auf. Anstelle von Wächtern in Ritterrüstungen stehen zwei Polizisten dahinter. Sie lächeln, und wir gehen weiter durch einen langen Gang und eine Treppe hinauf. Ich bleibe vor einem Bild stehen. Ein Vogel, vielleicht eine Krähe, umgeben von anderen Vögeln. Er sieht krank aus, mit offenem Schnabel und hängendem Kopf. Die Flügel hat er ausgebreitet, und dazwischen steht: »Wer die Sprache der Vögel versteht, kann Minister werden.«
Mein Vater lacht, greift meine Hand und zieht mich mit, vorbei an anderen Bildern.
Der Saal platzt vor Menschen, und als wir hineinkommen, drehen sich alle nach uns um. Sie haben Kameras mit langen Objektiven und Mikrofone in den Händen.
Sie sehen uns kurz an, dann reden sie weiter. Mein Vater sagt, die große Kamera in der Mitte des Saals sei vom Fernsehen.
Die Tür geht auf, und plötzlich schauen alle dorthin. Ich sehe nur noch Rücken.
Die Leute reden durcheinander, stellen Fragen über Fragen. Ich höre das Klicken der Kameras.
Mein Vater nimmt mich an der Hand und schiebt sich zwischen Armen und Ellbogen nach vorne, bis wir sie sehen können: Monika. Sie lächelt und gestikuliert abwehrend, sagt, dass die Fragen bis hinterher warten müssten.
Auf dem Weg zum Rednerpult erblickt sie mich und bleibt kurz stehen.
»Hallo«, sagt sie und sieht mich an. Ihre Augen sind tiefgrün. Um uns herum klicken die Kameras. Sie streichelt mir über den Kopf. »Willst du auch meine Rede hören?«
Ich nicke.
»Dann muss ich mir ja Mühe geben.«
Sie tritt ans Rednerpult und klopft mit dem Zeigefinger ans Mikrofon.
»Schön, dass ihr kommen konntet.«
Sie redet lange. Am Anfang versuche ich zu verstehen, was sie sagt, aber bald höre ich nur noch auf ihre Stimme. Ich betrachte ihren Mund, der Worte formt, die wie Musik klingen.
Die Bleistifte auf den Notizblöcken sind der Chor, und sie dirigiert. Ein paar Mal bin ich ganz sicher, dass sie mich ansieht. Sie spricht die Sprache der Vögel, und ich bin der Einzige, der es weiß.
Monika bedankt sich noch einmal bei allen für ihr Kommen. Sie beantwortet ein paar Fragen und packt ihr Konzept zusammen. Als sie vom Rednerpult hinabtritt, öffnet mein Vater den Schulranzen auf meinem Rücken. Er holt etwas heraus, und der Ranzen wird leichter. Bestimmt die Trinkflasche, er hat Durst. Aber ich höre keinen Verschluss. Stattdessen sehe ich, wie mein Vater zwischen Kameras und ausgestreckten Mikrofonen nach vorne eilt. Er hält etwas in der Hand, ich kann nicht erkennen, was es ist, aber es sieht nicht wie die Trinkflasche aus.
Dann schieben sich Rücken dazwischen, und ich verliere ihn aus den Augen.
Eine Frau schreit auf, dann höre ich viele laute Rufe und Stimmen.
Ich gehe auf den Lärm zu. Ich habe keine Angst, weiß, dass mein Vater irgendwo dort ist. Ich werde ihn finden. Es ist nicht schwer, durch die Menschenmenge zu kommen, alle sind erstarrt, ein Wald aus Armen und Beinen, ich ducke mich unter den Ästen hindurch.
Monika hat aufgehört zu schreien, aber ihr Mund ist noch immer weit offen, die Augen aufgerissen. Mein Vater liegt vor ihr auf dem Boden. Ein Mann liegt auf seinem Rücken, ein anderer drückt das Knie auf seinen ausgestreckten Arm. Neben der Hand meines Vaters liegt das Küchenmesser. Ich erkenne den dunklen Schaft, gestern habe ich Zwiebeln und Karotten damit geschnitten.