Petra streicht mit ihren weißen Händen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Darf es noch etwas sein?«

Meine Zigaretten liegen auf der Theke. Hinter mir bildet sich eine kleine Schlange.

»Hast du Lust auf einen Kaffee?«, frage ich und weiß nicht, ob ich es wirklich laut gesagt habe.

Sie sieht mich an. Die Schlange wird länger.

Sie bejaht, als hätte ich gefragt, ob sie Lottoscheine haben.

Ich warte vor dem Geschäft auf sie. Als sie herauskommt, hat sie das Polohemd des Supermarktes gegen einen schwarzen Rollkragenpullover getauscht. Sie versteckt die Hände in den Ärmeln, sodass nur die Fingerspitzen hervorschauen.

Wir gehen nebeneinander.

Ich kenne alle Kneipen des Viertels, aber kein einziges Café.

Wir gehen in das erstbeste. Die Gäste reden laut, sie lachen, essen Sandwiches und blättern in Zeitungen. Die Espressomaschine dröhnt wie eine Rakete kurz vor dem Start.

Petra schaut hinaus auf die Straße. Ich schaue auf die Getränkekarte, es gibt Milchkaffee, Latte macchiato und Schokokaffee.

Zitronenkaffee aus Bali. Indischen Leinsamenkaffee.

Ich frage Petra, was sie trinken möchte.

»Kaffee«, sagt sie, ohne den Blick von den Autos auf der Straße abzuwenden.

Petra trinkt vorsichtig, passt auf, dass sie nichts verschüttet. Kein Tropfen läuft auf das Porzellan.

Neben ihrer Tasse liegt ein kleiner, harter Kuchen, den sie in winzigen Bissen isst.

»Arbeitest du schon lange im Supermarkt?«, frage ich, obwohl ich die Antwort kenne, ich erinnere mich genau, wann sie begann. Im Winter sieht sie aus, als würde sie immer frieren, im Sommer wird sie nie braun.

Petra nickt und wischt mit dem Zeigefinger Krümel von ihrer Untertasse.

»Gefällt dir die Arbeit?«

Wieder starrt sie die Autos an.

»Es ist jedenfalls Arbeit«, antwortet sie.

Ich schiebe meinen Kuchenteller zu ihr hinüber.

»Danke«, sagt sie. »Es ist schön, hier zu sitzen.«

Sie klingt, als habe sie die Worte rein klanglich gelernt, ohne ihre Bedeutung zu verstehen.

Wir gehen von der Innenstadt über die Brücke nach Christianshavn, am Kanal entlang. Sie zieht einen Schlüsselbund aus der Tasche.

»Ich mag meine Wohnung«, sagt sie und schließt auf.

Der Küchenboden ist mit Linoleumfliesen im Schachbrettmuster ausgelegt. Auf einem der weißen Felder sitzt eine Katze. Sie folgt uns mit den Augen, ohne sich vom Fleck zu rühren.

»Sie heißt Kotek«, sagt sie. »Das bedeutet Kätzchen auf Polnisch.«

Die Katze ist dünn, ihr Fell ist grau und hat eine kahle Stelle im Nacken.

»Sie ist sehr traurig, ich weiß nicht, warum.«

Sie öffnet eine Dose Katzenfutter und leert den Inhalt in eine Schale. Die Katze schnuppert am Essen, isst einen Happs und verliert das Interesse.

»Das ist das teuerste Katzenfutter. Aber ihr Fell will einfach nicht glänzen. Und sie will nicht lächeln.«

»Können Katzen lächeln?«

»Du merkst es, wenn sie nicht lächeln.«

Wir rauchen eine Zigarette in der Küche, die Katze schaut uns zu. Wir benutzen die Spüle als Aschenbecher, und ich folge Petra ins Schlafzimmer.

Sie zieht sich aus, als wäre sie beim Arzt, ihre Bewegungen sind steif und zweckmäßig. Die Kleider hängt sie ordentlich über einen Stuhl.

Ihr Körper ist fast so weiß wie ihre Hände, unter der Haut sieht man die blauen Adern.

Ich spüre ihre Fersen auf meinem Rücken. Ihre Haut lodert auf, und sie bekommt rote Stellen auf der Brust und auf der Innenseite der Schenkel, wie bei einer allergischen Reaktion.

Die Katze sitzt in der Tür und sieht uns zu. Es stimmt, sie lächelt nicht.

»Podobasz mi się«, sagt Petra, als wir Seite an Seite auf dem Bett liegen.

»Mein Vater ist Pole«, sagt sie, um die Frage zu beantworten, die ich nicht gestellt habe, und zündet zwei Zigaretten für uns an.

»Als Kind habe ich nur Polnisch gesprochen.« Sie versucht, einen Rauchring zu machen, aber es gelingt ihr nicht.

»Letztes Jahr traf ich ein paar polnische Studenten. Sie fragten mich, ob ich ihnen die Stadt zeigen könne. Jedes Mal, wenn ich den Mund aufmachte, lachten sie und sagten, ich würde wie in einem alten Film reden.« Sie kratzt sich an der Brust, ihre Brustwarzen sind klein und hellrot.

»Ich vermisse Menschen, mit denen ich Polnisch reden kann.«

»Ich könnte Polnisch lernen«, sage ich, aber sie lächelt nur.

»Podobasz mi się«, wiederholt sie. »Du gefällst mir.«

Ich schnüre die Schuhe, sie fragt, ob ich eine Telefonnummer habe.

Ich erzähle, dass ich bei einer alten Dame wohne, und es klingt wie eine Lüge.

»Ich sehe dich nie wieder, oder?«, fragt sie, als ich in der Tür stehe.

»Ich muss doch Zigaretten kaufen.« Sie lächelt, als sei ihre Frage nur ein Witz gewesen.

Die Katze sitzt regungslos auf demselben Schachfeld wie zuvor und folgt mir mit den Augen.

Nun muss ich zehn Minuten länger gehen, wenn ich für Elsebeth einkaufe, vorbei an dem Supermarkt, in dem Petra arbeitet. Auf der anderen Straßenseite laufe ich bis zum nächsten Supermarkt, der eine schlechtere Auswahl und höhere Preise hat. Nach dem Einkauf stecke ich einen extra Zehner zu Elsebeths Wechselgeld in die Hosentasche.

Wie keiner sonst / ebook
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