Mein Vater steht im Hof und flucht. Ein Stuhlbein ist abgebrochen, als er es mit Sandpapier bearbeitete.

»Haben wir noch Nägel?«, fragt er.

Ich schüttele den Kopf. Heute Morgen habe ich die letzten für eine wacklige Tischplatte benutzt, die zu lange im Regen gestanden hatte.

Mein Vater geht in die Werkstatt, kommt aber gleich wieder heraus.

»Du hast recht. Ich fahr schnell welche holen, willst du mitkommen?«

Ich schüttele den Kopf, zu viel zu tun. Gestern ist der Chef hier gewesen, hat auf die Stühle gezeigt und gesagt, sie müssten bis heute alt sein.

Mein Vater springt aufs Fahrrad und fährt zum Tor hinaus.

Ich setze den Bohrer wieder an, noch ein paar Löcher, und der Sessel ist fertig. Ich darf nicht pfuschen, obwohl es schnell gehen soll.

»Wo ist dein Vater?«, fragt der Chef. Ich habe ihn nicht kommen hören. Vielleicht, weil ich endlich gelernt habe, mich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren.

»Er ist Nägel holen«, sage ich.

Der Chef bleibt stehen und sieht mich an. »Haben wir denn keine …« Er spricht nicht fertig, schüttelt nur den Kopf. Gleich wird er explodieren, wird toben und schreien. Schon möglich, dass er die Uhren mochte, aber ich hätte nicht allein weiterarbeiten sollen. Ich hätte warten sollen, bis mein Vater zurückkommt.

Aber der Chef sagt nichts mehr, er dreht sich um und geht in die Werkstatt.

Ich lasse den Bohrer sinken, weiß nicht, was ich tun soll. Nach ein paar Minuten wird es mir zu dumm. Wir haben viel zu tun, und ich stehe nur herum und glotze. Also bohre ich das nächste Loch.

Es fehlt nur noch eins, als der Chef wieder erscheint. Ich ziehe den Bohrer schnell heraus, jetzt kommt wohl das Donnerwetter. Spät, aber heftig. In der Werkstatt ist es ihm plötzlich klar geworden: »Was habe ich da gesehen? Verdammte Scheiße!«

Bevor er den Mund öffnet, frage ich ihn, ob der Sessel nicht schön geworden sei.

»Doch«, antwortet er, aber er sieht ihn nicht einmal an. Seine Augen sind ganz rot, bestimmt von der Kälte.

»Komm, ich will dir was zeigen.« Er geht zurück in die Werkstatt, dreht sich um und winkt mich heran.

»Komm«, sagt er. »Es ist wichtig.«

Ich folge ihm bis zu der Tür im Inneren der Werkstatt. Heute ist sie nur angelehnt, das Vorhängeschloss liegt auf dem Tisch.

»Da drinnen«, sagt der Chef.

Ich öffne die Tür, sie führt zu einem schmalen, dunklen Gang, der nur von einer Glühbirne an der Decke beleuchtet wird.

»Guck mal, was da drinnen liegt. Dein Vater wird stolz sein.«

Der Chef geht dicht hinter mir, seine breiten Hüften schaben an den nackten Zementwänden.

Wir betreten ein kleines Zimmer ohne Fenster, das einzige Licht kommt vom Gang, aber der Chef verdeckt es. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkenne ich ein Ölfass, das an der Wand steht. Sonst ist der Raum leer. Auf dem Fass liegt etwas Zotteliges.

»Geh näher ran«, sagt der Chef. Ich trete ein paar Schritte darauf zu, es ist ein Stoffkaninchen. Es muss einmal weiß gewesen sein, aber nun ist sein Fell grau und voller Ölflecken.

»Es ist traurig, es braucht ein neues Heim.« Der Chef flüstert fast. »Nimm es in den Arm.«

Das Kaninchen ist feucht und muffig.

Der Chef schnieft und wischt die Nase am Ärmel ab. »Und ich hatte mir geschworen …« Er zerrt an seiner blauen Latzhose, streift einen Träger von der Schulter. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Dann der andere Träger, er bekommt die Hose kaum über den Bauch.

»Vier Jahre, sieben Monate und sechs Tage«, sagt er heiser.

Dann sehe ich einen Schatten über seinem Kopf. Wie ein Vogel, der hereingeflogen ist und den Weg nach draußen nicht mehr findet.

Nach vier Schlägen sehe ich meinen Vater hinter ihm stehen, er hält das abgebrochene Stuhlbein in der Hand. Der Chef geht langsam in die Knie, steckt wie ein Pfropfen im Türrahmen. Mit jedem Schlag sehe ich mehr von meinem Vater. Ich kann gut zählen, aber nun komme ich nicht mehr mit. Mein Vater schlägt und schlägt, zuerst klingt es hart, wie Holz auf Holz, dann weicher, wie ein Nudelholz auf Teig. Erst dann hört er auf.

»Schmeiß es weg«, sagt mein Vater atemlos. Ich halte noch immer das Stoffkaninchen in den Händen. Er hebt mich über den Chef, damit ich keine nassen Füße bekomme.

In der Werkstatt zieht mein Vater den Pullover aus. Sein schwarzes T-Shirt klebt am Körper, sein Gesicht ist voller roter Spritzer. Er wischt das Stuhlbein mit dem Pullover ab, steckt beide in Plastiktüten und knotet sie fest zu. Dann wäscht er sich am Waschbecken in der Ecke. Er hebt mich hoch und setzt mich auf die Werkbank. »Wir gehen gleich, ich muss nur schnell ein paar Dinge erledigen.«

Er zieht Arbeitshandschuhe an, gibt mir einen schnellen Kuss auf die Stirn und wischt den Boden mit einem alten, öligen Lappen. Mein Vater sieht entschlossen aus, er weiß genau, was zu tun ist, wie bei der Arbeit mit den Möbeln.

Als er fertig ist, kriecht er unter einen Arbeitstisch und kommt mit einer großen Metallkiste in den Händen wieder hervor. Er nimmt eine Bohrmaschine von der Wand, schließt die Außentür und sagt, ich solle mir die Ohren zuhalten. Funken sprühen von der Metallkiste. Er öffnet sie und holt Scheine und Münzen heraus.

Auf dem Heimweg halten wir drei Mal an. Beim ersten Mal wirft mein Vater die Plastiktüte mit dem Stuhlbein in einen Abfalleimer. Beim zweiten Mal landet die Tüte mit dem Pullover in einer Mülltonne. Ein paar Straßen weiter fährt er noch einmal an die Seite. Er steigt ab und hebt mich von der Ladefläche. Er sagt nichts, geht nur vor mir in die Hocke, sieht mir in die Augen und drückt mich fest an sich. Er hat den Mantel aufgeknöpft, ich spüre sein nass geschwitztes T-Shirt an der Wange.

Daheim angekommen, sagt mein Vater, dass wir uns ausziehen sollen. Alles. Er stopft die Kleider in Plastiktüten und bindet sie zu. Wir gehen ins Bad, und er schrubbt uns gründlich mit Schwamm und Seife. Dann spritzt er mich ab, spielt Springbrunnen mit dem Mund. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen.

Wie keiner sonst / ebook
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