Zuerst ein Klicken, Metall auf Metall, dann ein lautes Summen. Das Rollband ist angegangen, die erste Kiste Briefe kommt auf mich zu. Ich nehme sie vom Band und stelle sie in mein Regal.
Hinter mir mimt Kasper ein Trommelsolo zur Musik in seinem Kopfhörer. In jedem Verschlag arbeiten zwei Leute. In unserer Halle sortieren wir Briefe, die nicht in Maschinen passen. In der Halle über uns werden Pakete sortiert.
Die erste Stunde ist immer die schwierigste. Danach sehen die Augen die Postleitzahl von selbst, die Hände reichen automatisch die Briefe weiter und stecken sie ins richtige Fach. Das Postregal ist aus blauem Metall. Das Rollband rattert, und mehr gelbe Plastikkisten kommen auf uns zu.
»Hey, Türke«, höre ich und drehe mich um. Kasper zeigt auf sein Handgelenk, obwohl er keine Armbanduhr trägt, ich nehme den Kopfhörer ab.
»Es ist Pause, Türke.«
Seit zwei Jahren heiße ich Mehmet Faruk, das ist der Name in meinem Pass und auf meiner Versicherungskarte. Und in meinem Arbeitsvertrag für den Job im Verteilerzentrum. Die meisten nennen mich Mehmet, andere Faruk. Kasper nennt mich einfach nur »Türke«. Er fragt, ob ich den Unterschied zwischen einem überfahrenen Stachelschwein und einem Türken kenne, und lacht.
Ich folge Kasper. Seine Kleider sind verknittert, er ist unrasiert und hat fettiges Haar. Seit meiner ersten Schicht im Verteilerzentrum hat er sich nicht verändert, er sieht aus wie ein Penner. Wir gehen die Eisentreppe hinauf und über den Korridor in die Kaffeestube, die so klein ist, dass nur jeweils eine Abteilung Pause machen kann. Die Luft ist verqualmt, an der Wand stehen zwei Kaffeemaschinen, die die ganze Nacht über laufen.
»Sie muss es ja lernen«, sagt Kasper und nickt in Richtung des neuen Mädchens. Erik hat sie in die Ecke zwischen den Kaffeemaschinen und der Brandtür gedrängt.
Erik trägt eine dicke Brille, er ist klein und dick und gehört zu denen, die am längsten hier sind. Sein Atem riecht nach schmutzigem Teppichboden. Jedes Mal, wenn er über Maschinen redet, macht er dieselben Armbewegungen. Japanische Maschinen, sagt er. Sie werden bald alles hier übernehmen und uns überflüssig machen. Wenn er nicht über Maschinen redet, erzählt er, wie er damals im öffentlichen Dienst gefeuert wurde.
Alle, die hier arbeiten, haben einen Grund dafür. An dem kleinen Tisch an der Wand sitzt Michel, dessen Band einen Schallplattenvertrag in Aussicht hat. Er unterhält sich mit Flemming, der Fernfahrer war, aber immer am Steuer einschlief. An der Kaffeemaschine steht Dorthe, die in einem Käseladen arbeitete, bevor sie eine Milchallergie bekam.
Die Uhr zeigt die volle Stunde, die Pause ist vorbei. Wir haben gerade anderthalb Zigaretten geschafft. Kasper und ich gehen die Eisentreppe hinab und ziehen die weißen Baumwollhandschuhe an, mit denen ich mir immer wie ein Pantomime vorkomme.
Die Stunden vergehen, die Briefe rollen an.
Frühmorgens stehen wir am Ausgang Schlange. Hundertfünfzig Menschen mit hängenden Schultern und roten Augen. Der Wächter sitzt in seinem Glaskäfig, nickt uns zu und drückt auf den Knopf. Das Schloss summt.
Ich trete hinaus in den kalten Februarmorgen und schlage den Kragen hoch.
Der Wind ist noch eisiger, wenn man müde ist, er zieht unter die Jacke und fährt bis in die Knochen.
Ich gehe am Hauptbahnhof vorbei, wo Huren in Hauseingängen stehen, Kaffee aus Pappbechern trinken und sich auf einen langen Arbeitstag vorbereiten.