Ich folge meiner Tante auf die Rückseite des Pfarrhofs. »Der hier müsste passen«, sagt sie und steckt den Schlüssel ins Schloss. Die Schuppentür klemmt, alles ist verstaubt und mit Spinnweben überzogen. Ich muss Rechen, Spaten und anderes Werkzeug aus dem Weg räumen, um an das Rennrad zu kommen, das mein Vater so oft gezeichnet hat. Ich trage es nach draußen und lehne es an die Wand. »Dein Vater hat es geliebt«, sagt meine Tante.
»Ein echtes Monark.«
Das Fahrrad ist dunkelblau, der Lenker mit weißem Lederband umwickelt.
»Er hat viele Jahre dafür gespart. Ich habe mich über ihn lustig gemacht, weil er es hier kaum benutzen konnte. Im Dorf sind überall Pflastersteine, und sonst gibt es nur Schotterwege.«
Erst jetzt sehe ich, wie verbogen das Vorderrad ist.
»Er war so stolz«, sagt meine Tante, »hat es mehr geschoben als gefahren. Ein Traktorfahrer hat ihn gefunden. Er war bewusstlos und hatte eine Gehirnerschütterung. Musste still liegen und durfte nicht einmal lesen. Danach schloss er es weg, und ich sah es nie wieder.«
Ich stelle das Fahrrad wieder in den Schuppen, meine Tante schließt ab. Sie geht zu der Bank vor dem Haus, setzt sich und klopft auf den Platz neben sich.
Sie raucht und bietet mir eine ihrer langen Zigaretten an. Ihr Atem riecht nach Schnaps.
Wir schauen über die öde Landschaft in den grauen Horizont.
In den letzten Tagen ist ihr Make-up kräftiger geworden. Manchmal verlässt sie das Wohnzimmer und kommt mit einer frischen Schicht im Gesicht zurück. Auch ihre Sprache verändert sich. Am Mittagstisch spricht sie jedes Wort so deutlich wie möglich aus, aber abends ist ihr Dialekt genauso breit wie der meiner Großmutter.
»Du siehst deinem Vater ähnlich«, sagt sie. »Deine Haare sind dunkler, aber ihr habt dieselben Augen. Dieselben wie euer Großvater. Damit meine ich nicht die Farbe.«
»Was ist mit meinem Vater geschehen?«
»Er ist krank geworden, das hat deine Großmutter sicher …«
»Aber warum ist er krank geworden?«
Ich glaube, sie will etwas sagen, aber dann nimmt sie einen tiefen Zug aus der dünnen Zigarette.
»Er ist wohl nicht der Einzige, der ein bisschen sonderbar geworden ist, weil er die Nase zu tief in seine Bücher gesteckt hat.« Sie steht auf und geht hinein.