Ich stehe im Pausenraum und trinke Kaffee, als Erik zur Tür hereinkommt. Er geht direkt auf mich zu, freut sich, dass er eine Neuigkeit zu erzählen hat, anstatt über Roboter zu reden, die unsere Arbeit übernehmen. Ich hatte ein paar Tage frei und weiß nicht, was geschehen ist. Erik berichtet, dass zwei Polizisten in Uniform Kasper abgeholt hätten. Sie seien sich ihrer Sache sicher gewesen. Sie hätten ihm keine Handschellen angelegt, sondern ihn einfach zwischen sich hinausgeführt. Sie müssen ihn schon eine Weile überwacht haben, meint Erik, und man könne sich leicht ausrechnen, was er getan habe. Er sieht mich erwartungsvoll an und hofft auf Enthüllungen. Ich trinke stumm meinen Kaffee, lasse ihn weiterreden. Sie hätten die ganze Schicht im Pausenraum versammelt, aber es habe nur geheißen, dass man gewisse Unregelmäßigkeiten untersuche, mehr nicht. Nach der Pause gehe ich zurück an mein Regal. Ich setze keinen Kopfhörer auf, warte nur auf das Geräusch von Schritten, auf die Polizei, die mich verhören will. Oder den Abteilungsleiter, der mich zur Seite nimmt. Doch es wird eine Nacht wie jede andere, außer dass Kasper nicht hinter mir steht.

Am frühen Morgen verlasse ich das Verteilerzentrum. Wenige Meter hinter dem Tor beginnen meine Hände zu zittern.

Ich setze mich auf eine Bank am Bahnhof, trinke Orangensaft aus einem Karton. Ich habe Lust auf Bier und Schnaps, will mich betrinken und dann in Petras Bett aufwachen, während sie auf der Bettkante sitzt und vergeblich versucht, Rauchringe in die Luft zu stoßen.

Da fallen mir die Bilder im Keller ein. Ich weiß nicht, warum, aber plötzlich sind sie mir sehr wichtig. Wie ein Tagebuch, das kein anderer lesen soll.

Ich nehme ein Taxi zu Kaspers Wohnung, warte, bis die Tür aufgeht und eine Dame mit Fahrrad herauskommt. Im Hof lese ich einen Backstein auf. Das Holz der Kellertür ist alt und morsch, es gibt schnell nach. Vor Kaspers Tür gehe ich in die Hocke und taste im Halbdunkeln, bis ich die kleine Nische finde, wo er den Schlüssel versteckt. Keiner ist hier gewesen, der Keller ist immer noch voll mit Kisten, aber früher oder später wird die Polizei mit dem Hausmeister reden. Ich trage die Bilder nach oben und lehne sie an eine Hausmauer. Es ist das erste Mal, dass ich sie bei Tageslicht sehe, die Farben wirken viel kräftiger, als ich sie in Erinnerung habe.

Von einer Telefonzelle aus bestelle ich ein Lastentaxi, ich habe dabei die Bilder gerade noch im Blick. Während ich warte, beginnt es zu regnen. Ich könnte die Jacke über die Bilder breiten, aber es sind zu viele, ich müsste alles ausziehen.

Der Fahrer hilft mir, die Bilder einzuladen, und versichert mir, dass er vorsichtig fahren wolle.

Ich sage, das sei nicht so wichtig. Er glaubt mir nicht und fährt noch langsamer.

Als alle Bilder in meinem Zimmer stehen, kann ich die Tür kaum noch öffnen und muss auf mein Bett springen.

Ich stelle sie um, einige kommen auf den Flur. Elsebeth war lange nicht mehr hier oben, sie hat bestimmt nichts dagegen. Endlich habe ich einen halben Meter Platz, um morgens aufzustehen, und freien Zugang zum Schreibtisch, um die Schlüssel abzulegen.

Ich schlafe mit Kopfhörer ein.

Ich träume, dass ich Kasper beim Ausbruch aus dem Gefängnis helfe. Er trägt gestreifte Kleidung, seine Wangen sind eingefallen. Sobald er ins Tageslicht tritt, zerfällt er zu Staub und wird vom Wind verweht. Nein, sagt Petra, nicht wie ein Werwolf, aber vielleicht wie ein Vampir.

Karlsson sitzt mit geschlossenen Augen in seinem Liegestuhl. Die Luke ist einen Spalt weit geöffnet, die Kette abgeschlossen. Ich muss mehrmals rufen und den Lärm der Stadt übertönen, bis er mich hört. Er kommt herüber und schließt auf, dann schlurft er mit hängenden Schultern zu seinem Stuhl zurück. Er hat es geahnt, weil Kasper nicht zu Besuch gekommen ist.

»Vielleicht können sie ihm nichts nachweisen, und wir sehen ihn in ein paar Tagen wieder. Er ist immer sehr vorsichtig gewesen.« Ich höre, dass er seinen eigenen Worten nicht glaubt.

Ich ziehe den Kirschwein aus der Tüte. Wir teilen ihn. Er ist zu deprimiert, um selbst Zigaretten zu drehen, weshalb wir meine rauchen.

Karlsson will eine Bombe bauen. Eine, die stark genug ist, um Gefängnismauern zu sprengen. Wir müssten nur herausfinden, wo er sitzt, sagt er.

Als der Kirschwein ausgetrunken und das Päckchen Zigaretten geraucht sind, stehe ich auf.

»Du musst mich unbedingt besuchen«, sagt Karlsson, »auch wenn Kasper nicht hier ist.«

Ich gehe über das Dach und weiß, dass ich ihn nie wiedersehen werde.

Wie keiner sonst / ebook
titlepage.xhtml
part0001.html
part0002.html
part0003.html
part0004.html
part0005.html
part0006.html
part0007.html
part0008.html
part0009.html
part0010.html
part0011.html
part0012.html
part0013.html
part0014.html
part0015.html
part0016.html
part0017.html
part0018.html
part0019.html
part0020.html
part0021.html
part0022.html
part0023.html
part0024.html
part0025.html
part0026.html
part0027.html
part0028.html
part0029.html
part0030.html
part0031.html
part0032.html
part0033.html
part0034.html
part0035.html
part0036.html
part0037.html
part0038.html
part0039.html
part0040.html
part0041.html
part0042.html
part0043.html
part0044.html
part0045.html
part0046.html
part0047.html
part0048.html
part0049.html
part0050.html
part0051.html
part0052.html
part0053.html
part0054.html
part0055.html
part0056.html
part0057.html
part0058.html
part0059.html
part0060.html
part0061.html
part0062.html
part0063.html
part0064.html
part0065.html
part0066.html
part0067.html
part0068.html
part0069.html
part0070.html
part0071.html
part0072.html
part0073.html
part0074.html
part0075.html
part0076.html
part0077.html
part0078.html
part0079.html
part0080.html
part0081.html
part0082.html
part0083.html
part0084.html
part0085.html
part0086.html
part0087.html
part0088.html
part0089.html
part0090.html
part0091.html
part0092.html
part0093.html
part0094.html
part0095.html
part0096.html
part0097.html
part0098.html
part0099.html
part0100.html
part0101.html
part0102.html
part0103.html
part0104.html
part0105.html
part0106.html
part0107.html
part0108.html
part0109.html
part0110.html
part0111.html
part0112.html
part0113.html
part0114.html
part0115.html
part0116.html
part0117.html
part0118.html
part0119.html
part0120.html
part0121.html
part0122.html
part0123.html
part0124.html
part0125.html
part0126.html
part0127.html
part0128.html
part0129.html
part0130.html
part0131.html
part0132.html