Die Bilder lehnen an Pappkartons im Keller. Es sind viel mehr, als ich dachte. Kasper muss sie versteckt haben.

»Das hier ist echt gut«, sagt er und hält ein Bild in die Höhe. »Wir sollten sie mit nach draußen nehmen und im Tageslicht betrachten.«

»Du sollst nur zwei aussuchen.« An die meisten Bilder kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich sehe, wie meine Ideen Hand und Fuß bekommen haben.

»Was meinst du?«, fragt Kasper. »Ich mag diese beiden, aber du sollst entscheiden.« Ich nicke nur. Er packt die Bilder in braunes Papier und umwickelt sie mit Paketband.

»Und mach bloß keinen Scheiß«, sagt er.

»Ich bringe sie morgen zur Galerie«, verspreche ich und weiche seinem Blick aus.

»Das glaube ich dir nicht.«

Kasper kommt mit hinaus und winkt ein Taxi heran. Vorsichtig stellt er die Bilder auf den Rücksitz, gibt dem Fahrer die Adresse und bezahlt ihn. Sagt, er solle nirgendwo anhalten, am besten nicht einmal an roten Ampeln.

Der Besitzer sitzt auf einem Klappstuhl vor der Galerie, eine große Sonnenbrille verdeckt sein Gesicht.

Er hält mir die Tür auf.

»Und danke für neulich. Ich habe immer noch blaue Flecken auf der Brust.«

Ich weiß nicht, wovon er spricht.

»Du hast sehr laut geredet und dabei noch mit den Fingern gestochen. Piks, piks, piks.«

»Das tut mir …«

»Ach, vergiss es.«

Ich stelle die Bilder ab, und er drückt mir die Hand.

»Ich heiße Michael, das hast du bestimmt vergessen. Darf ich sie mal ansehen?«

Er reißt das Packpapier auf und spielt mit dem Lederband um seinen Hals, während er die Bilder betrachtet. Dann bietet er mir eine französische Zigarette an.

»Um ehrlich zu sein, verstehe ich mich nicht so gut auf solche Sachen. Ich stelle fast nur Konzeptkunst aus. Das hier ist ja ziemlich …«

Er schüttelt den Kopf und zieht an der Zigarette.

»Es entspricht nicht ganz dem Zeitgeist … aber schlecht ist es keineswegs.«

Das Telefon klingelt, er hebt ab und antwortet auf Englisch. Vorbereitungen für ein Fest oder eine Ausstellung. Er fragt, wer komme, und hofft, dass sie dieses Mal besseren Wein hätten.

Als er aufgelegt hat, widmet er sich wieder meinen Bildern.

»Ich behalte sie bis zur Eröffnung der Ausstellung. Ich hoffe, das ist in Ordnung?«

Es klingt wie eine Frage, aber ich weiß, dass er dies schon mit Kasper vereinbart hat.

Er trägt die Bilder in ein kleines Hinterzimmer, stellt sie zwischen eine Packung Toilettenpapier und den Fotokopierer und nimmt einen neuen Stapel Kataloge mit nach vorne.

»Die Grundidee ist, dass nur unbekannte Künstler an der Ausstellung teilnehmen. Aber manche sind eben ein wenig unbekannter als andere.« Er grinst.

»Deine Bilder werden selbstverständlich dabei sein. Grüß Kasper von mir.«

Er schließt die Tür hinter mir, durchs Fenster sehe ich, wie er wieder zum Telefonhörer greift.

Ich sitze an der Theke, die Uhr an der Wand ist aus Plastik. Schwarze Zeiger auf weißem Untergrund. Es ist früh am Nachmittag, die Bar ist fast leer.

»Viele Stammgäste sind bis zum Spezialangebot am Morgen geblieben«, sagt die mittelalte Frau hinter der Theke. »Jetzt liegen sie in ihren Betten, und in ein paar Stunden kommen sie zur Happy Hour wieder.«

Ich folge ihrem Blick durch das dunkle Lokal. In der Ecke ist ein Mann neben seinem halb leeren Porter auf den Tisch gesunken.

»Das da drüben ist Leif. Ich traue mich nicht mal …«

Sie stellt ein Glas Schnaps und ein Bier auf die Theke.

»Das Angebot ist zwar längst vorbei, aber was solls, du kriegst trotzdem einen Schnaps gratis dazu.«

Petra weckt mich. Sie sagt, ich würde nach Schnaps riechen. Als sie klein war und ihr Vater ihr die Zähne putzte, haben seine Hände nach Tabak und sein Atem nach Wodka gerochen. Sie mag den Geruch. Plötzlich schweigt sie, weil ihr klar geworden ist, dass sie von ihrer Familie erzählt hat. Ich warte einen Moment, dann erzähle ich ihr von der Galerie und der Ausstellung.

Sie springt aus dem Bett. »Fantastisch!«, ruft sie. »Aber was zieht man zu so einem Ereignis an?«

Ich lege mich wieder hin, vergrabe den Kopf in der Decke.

»Ich will ein neues Kleid zur Eröffnung kaufen. Deine Freundin soll schön aussehen.«

Es wird still in dem kleinen Schlafzimmer, Kotek sitzt in der Tür und starrt uns an.

»Ich bin doch deine Freundin?«

»Natürlich.«

Die Antwort fällt mir leichter, als ich dachte.

Kotek streckt sich und tapst in die Küche.

»Ich will etwas ganz Besonderes kaufen. Brauchst du eine Krawatte?«

Wie keiner sonst / ebook
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