Meter für Meter erforsche ich den Garten, ich bin ein Entdeckungsreisender. Weit weg höre ich die Motorsäge, die mein Vater heute benutzt. Von hier aus klingt sie wie eine wütende Biene, die in einem Marmeladenglas gefangen ist. Ich gehe sehr vorsichtig, trete nicht fest auf, ehe ich nicht sicher bin, festen Boden unter den Füßen zu haben. Kein Treibsand, jedenfalls noch nicht. Die Bäume im Garten sind anders als alle, die ich je gesehen habe. Sie wachsen nicht gerade, sondern winden sich und umschlingen einander. Zuerst finde ich es lustig, dass ich mich zwischen den Ästen hindurchquetschen muss, aber dann sehe ich die Skelette der kleinen Vögel, die sich in den Zweigen verheddert haben.
Ich renne zurück zur Wiese, stolpere und rapple mich wieder auf. Hoffentlich erwachen die Bäume nicht und glauben, ich sei ein Vogel oder eine Pflanze, die sie umschlingen können.
Im Gras finde ich meinen Zeichenblock wieder. Ich setze mich und beginne zu zeichnen. Ich will nicht mehr tiefer in den Garten gehen. Genau hier will ich bleiben, zwischen der alten Dame im Haus und den unheimlichen Bäumen.
Ich zeichne mich selbst mit Tropenhelm und Revolver. Ich schieße einer Schlange durchs Herz. Wo das Herz bei Schlangen sitzt, weiß ich nicht genau, also rate ich.
Gegen Mittag kommt mein Vater aus den Büschen. Er hat Blätter in den Haaren, Blattläuse im Bart und Kratzer am Hals.
»Ich sehe bestimmt aus wie ein Troll.«
Wir gehen zusammen zum Haus. Auf der Terrasse steht ein weißer Tisch voll Essen, den die alte Dame für uns gedeckt hat. Unter den Tellern liegen Stoffservietten. Das Brot ist weder Roggenbrot noch Weißbrot, sondern dunkel und süßlich. Der Eiersalat schmeckt fantastisch, und die Limonade ist aus frischen Zitronen gemacht, sagt mein Vater. Sonst sagt er nicht viel, aber er lächelt beim Kauen. Dicht neben ihm liegt die Motorsäge, von Zeit zu Zeit streichelt er mit der Hand über das Metall.
Ich horche nach Geräuschen im Haus und behalte die Tür im Auge. Das Haus knarrt, aber die alte Dame kommt nicht heraus, sie weiß wohl, dass wir keinen Bissen herunterbekommen würden, wenn sie vor uns stünde.
Nach dem Essen folge ich meinem Vater bis zu den ersten Büschen, wo mein Zeichenblock im Gras liegt.
Ich sitze auf dem Boden und zeichne, als ein junger Mann auf dem Weg zwischen den Bäumen hervorkommt. Er fährt ein Lastenfahrrad, wie mein Vater. Noch im Rollen schwingt er ein Bein über die Stange und springt ab. Er hebt einen großen Korb von der Ladefläche und schleppt ihn prustend zur Terrasse. Dort wartet ein zweiter Korb auf ihn. Er nimmt einen Briefumschlag heraus, steckt ihn in die Innentasche und hebt den zweiten Korb ohne jede Mühe. Vielleicht ist er leer. Dann geht er zum Fahrrad zurück, betont langsam, als hätte er sich vorgenommen, nicht wegzurennen. Seine Lippen bewegen sich, ich glaube, er spricht mit sich selbst. Plötzlich bleibt er stehen, er hat mich gesehen. Er starrt mich an, als passe ich nicht ins Bild, als sollte ich nicht hier sitzen und zeichnen. Er geht ein paar Schritte auf mich zu, dann kehrt er um. Auf dem Rückweg steht er auf den Pedalen.
Die Mücken summen um unsere Köpfe, mein Vater ist gerade aus dem Wald gekommen. Er gibt mir einen raschen Kuss auf die Stirn. »Wir fahren gleich nach Hause.«
Er geht in die alte Garage, und kurz darauf höre ich Werkzeug klappern. Mein Vater redet, aber ich kann nicht hören, was er sagt.
Ich sitze ganz außen auf der Terrasse, lasse die Beine über den Rand baumeln und warte. Wenn die Schatten der Bäume meine Füße erreichen, wird die alte Dame kommen und mich holen. Die Schatten sehen aus wie dicke Finger, sie zeigen auf mich, kriechen langsam näher. Nur noch ein halber Meter, da taucht mein Vater wieder auf. Er hat schwarze Flecken im Gesicht, seine Zähne schimmern gelblich im Halbdunkel.