Der Kreis schließt sich
Der Fische-Monat ist
der letzte im Jahreszeitenzyklus. Das astrologische Jahr beginnt
mit dem Eintritt der Sonne ins Zeichen Widder und endet mit dem
letzten Wintermonat Fische. Widder ist als erstes das
rücksichtsloseste Zeichen (siehe Parzival), Fische als letztes das
rücksichtsvollste. Elf Jahresmonate und damit elf
Seelenlandschaften sind durchwandert worden, die man rückblickend
verstehen und in die man sich einfühlen kann. Nun schließt sich der
Kreis, und nicht zufällig gehört zu Fische von der Symbolik her der
Ozean, das Meer: Es geht in sehr tiefem Sinne hier um Rückkehr zum
Ursprung.
Das könnte man auch am
Motiv der Geburt beleuchten. Aus der Sichtweise des Widders ist
Geborenwerden der Sieg des Lichten über die Finsternis. Das kleine
Wesen hat sich erfolgreich durch den dunklen Tunnel des
Geburtskanals gekämpft. Aus der Fische-Sicht hingegen ist
Geborenwerden die Quelle allen Leids. Im Mutterleib war noch
ozeanisches Erleben, Symbiose. In dem Moment, wo man den
Mutterbauch verlässt, abgenabelt wird, wird einem schmerzlich
bewusst, dass man einsam, ausgestoßen ist. Forscher und
Therapeuten, die sich mit dem Thema Geburt befasst haben, erzählen,
dass Geborenwerden die Hölle ist. Sterben heißt ja auch Heimkommen,
und Menschen, die schon einmal in der anderen Welt waren, sind in
der Regel nicht gerne zurückgekommen.
Fische-Geborene kommen
mit dieser Ursehnsucht und diesem Urschmerz auf die Welt. Aus
diesem Schmerz, diesem Leid heraus, das keinen Namen hat, haben sie
eine tiefe Verbindung zu allen Leidenden der Erde, zu allen
Menschen, die ausgestoßen sind wie sie. Das Bild des ewigen Juden
taucht hier auf. Das kollektive Leid, das Leid der Welt ist das
Thema der Fische. Der Menschheit ganzer Jammer rührt sie an. Ein
Fische-betonter Mensch kann nicht einfach im wassermännischen Sinne
sagen: Das geht mich nichts an, jeder Mensch hat sein Leben. Hier
ist man als Salzkorn im Wasser seelisch mit allem verbunden, was
existiert. Alles geht ihn etwas an, und solange noch ein Mensch auf
diesem Planeten leidet, wird es für ihn schwer sein, unbefangen zu
genießen.
Die Rückseite dieses
Leidens am Leben, das aufgrund der unzähligen
Ablenkungsmöglichkeiten mehr oder weniger bewusst sein kann, ist
die Sehnsucht, zum Ursprung zurückzukehren. Wieder ein Tropfen im
Ozean zu werden, wie die Inder sagen. Das kann auf den spirituellen
Weg, einen Weg der Meditation, führen, aber auch zu Sucht oder
Weltflucht. In gewisser Hinsicht ist der Realitätsbegriff unserer
westlichen Welt für Fische nicht geeignet. Zu Osho, dem alten
indischen Meister, kam einmal ein Suchender und fragte ihn: »Meine
Freunde in Deutschland werfen mir vor, ich sei ein
Realitätsflüchtling, weil ich zu dir nach Poona gekommen bin. Haben
sie Recht?« Osho antwortete: »Natürlich haben sie Recht – aber
nicht so, wie sie meinen. Du flüchtest nicht vor der Realität, sondern in die Realität.« Wie Realität im Sinne des
Fische-Prinzips erlebt werden kann, hat mir einmal ein kleines
Mädchen gezeigt, das uns besuchte. Die Kleine war sehr
Fische-betont, und als ich sie weckte und zum Frühstück holen
wollte, fragte ich: »Na, wie hast du denn geschlafen?« Sie meinte:
»Danke, ich habe gut geschlafen. Ich bin gestern Abend schon ganz
früh eingewacht.« So viel zum Realitätsbegriff des
Fische-Prinzips.