Mond in Schütze
Das Mutterbild, das
Frauenbild überhaupt, ist hier besonders hell und strahlend: die
heilige Mutter, die Priesterin, Maria. Die Mutter als Vermittlerin
von Werten, als Vorbild, die segnen oder ihren Segen entziehen
kann, als Richterin über den Wert der anderen. Ihr Zeigefinger hat
eine enorme Bedeutung.
Wer als
Schütze-Mond-Kind auf die Welt kommt, egal ob als Junge oder
Mädchen, ist bereit, die Mutter auf ein Podest zu stellen, sie zu
ehren, zu achten, zu würdigen, in ihr die gute, gerechte Mutter zu
sehen, die Himmelskönigin, und er oder sie entwickelt zugleich
einen großen Hunger nach Segen und Anerkennung durch die Mutter.
Wenn die Mutter ihrem Kind Selbstachtung, Würde, Aufrichtigkeit
vorlebt, wird sie im guten Sinne Guru sein, Wegweiserin. Allerdings
eignet sich nicht jede Mutter für dieses Podest, und wenn so ein
Schütze-Mond-Kind mit seinem hohen Anspruch eine Mutter vorfindet,
die diesem nicht zu genügen scheint, dann kann es sie vom Sockel
stürzen, und zwar abgrundtief. Die Mutter, die man eigentlich
verehren wollte, wird jetzt verachtet, verleugnet, man schämt sich
ihrer.
Charakteristisch für
Schütze-Mond ist die absolute Haltung: Entweder die Mutter (oder
ein geliebter Mensch) ist gut, und ich lasse nichts auf sie/ihn
kommen, oder das Gegenteil ist der Fall. Wer die Schattenseiten des
geliebten Menschen erfährt, kann das Gefühl haben: Ich hab mich so
getäuscht in dir! Hier heilt das Sowohl-als-auch des
Zwillinge-Gegenpols. Robert Bly sagt: »Du bist erst dann mit deinen
Eltern im Reinen, wenn du für sie je zwei Zimmer bewohnst: eines
für die helle, eines für die dunkle Mutter, eines für den hellen,
eines für den dunklen Vater.« Die reife Liebe des Schütze-Mondes
findet ein Ja nicht nur zu den Schokoladen-, sondern auch zu den
Schattenseiten des geliebten Menschen und des eigenen
Wesens.
Wie unterschiedlich
der Zugang zum Mütterlichen sein kann, sei hier an einem kleinen
Beispiel verdeutlicht. Ich hatte einmal in einer Gruppe zwei
Frauen, von denen eine Schütze-Mond, die andere Skorpion-Mond
hatte. Die Skorpion-Mond-Frau litt sehr unter der Schamhaftigkeit
der Mutter, die sich nie nackt zeigte, und spähte oft durch das
Schlüsselloch von Schlaf-oder Badezimmer. Die Schütze-Mond-Frau
hatte eine Mutter, die häufig nackt durch die Wohnung lief. Das
Mädchen schämte sich für die Mutter und bat dann: »Mama, bitte zieh
dir was an.« Manche Menschen mit Schütze-Mond können sich nicht
oder nur schwer vorstellen, dass ihre Mutter jemals Sex mit dem
Vater hatte (Maria!). So unterschiedlich die Wahrnehmung der
leiblichen Mutter sein kann, so unterschiedlich sind auch die
Ansprüche, die die Kinder an sie haben: Was für das eine Kind
Götterspeise ist, kann für das andere Kind geradezu Gift
sein.
Ein Schütze-Mond-Kind
ist bereit, in der Mutter die Göttin zu sehen. Diese Kinder blicken
mit strahlendem Optimismus aus der Wiege, sie entwickeln sehr früh
schon ein Gefühl für Würde. Sie wollen nicht nur, dass man ihnen
ein Butterbrot schmiert und sie gut versorgt, sie wollen vor allem
gewürdigt, respektiert, anerkannt werden. Im Hunger nach
Anerkennung ähneln sie den Löwe-Mond-Kindern. Eventuell können sie
auch mit der übersteigerten Erwartung antreten, dass man sie
grundsätzlich großartig finden muss. Ähnlich wie bei Löwe ist auch
das Grundgefühl: Wenn Gott mich anders gewollt hätte, hätte er mich
anders gemacht. Daher die oft ungläubige Reaktion auf Kritik. Hier
gibt es auch tief innen das Wissen: Ich bin in Ordnung, wie ich
bin, es ist gut, dass ich da bin, denn letztendlich ist dieser
Kosmos doch eine sinnvolle Ordnung.
Das Geheimnis der
Schütze-Lebensenergie ist das Vertrauen, dass alles, was geschieht,
einen Sinn in sich trägt. Daraus resultieren Zuversicht und
Optimismus, ein grundsätzliches Ja. Alles im Leben birgt eine
Chance, eine Möglichkeit, daran zu wachsen. Im besten Fall, wenn
der Schütze sich vollständig akzeptiert – oben und unten, mit Pfeil
und Pferdeleib -, verliert er diese Haltung auch nicht, wenn die
dunklen Nächte kommen. Er weiß, dass auch Verzweiflungssituationen
in ihrem Kern eine Entwicklungschance beinhalten. Die tiefe
Gläubigkeit, die diesen Menschen in die Wiege gelegt ist, hat
zunächst gar keinen Namen, es ist eine Art unbewusstes
Gottvertrauen. Bei Schütze-Mond zeigt sich dieses Thema zunächst in
der Beziehung zur leiblichen Mutter. Das Urvertrauen in die gute
Mutter ist in der Regel sehr stark – ich kenne viele Menschen mit
Schütze-Mond, die sich als Kinder mit dem Jesuskind im Arm Marias
identifiziert haben, auch Kinder, die schon früh Kontakt mit ihrem
Schutzengel hatten. Umso tiefer der Fall, wenn solch ein Lichtkind
zum Beispiel feststellen muss, dass es abgelehnt wird oder
benachteiligt gegenüber einem Geschwisterchen. In der kindlichen
Schütze-Welt wird das als himmelschreiende Ungerechtigkeit erlebt.
Das Lichtkind kann sich dann in einen Racheengel
verwandeln.
Der Stimmungswechsel
zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ist ein
Schütze-Thema, das auch in späteren Liebesbeziehungen immer wieder
auftauchen kann. Entscheidend ist hier, ob es gelingt, die
unvermeidlichen Erfahrungen von Schmerz, Frustration usw. in das
eigene Konzept von Sinnhaftigkeit einzubauen. Wenn nicht, kann
schon früh der Grundsatz für eine Lebensphilosophie gelegt werden,
die etwa so aussieht: Das Leben ist ungerecht, es ist sinnlos, an
jemanden oder etwas zu glauben.
Unsere Eltern sind
unsere ersten Gurus, sie sind die ersten Menschen, zu denen wir
aufschauen. Wenn wir als kleine Kinder in der Wiege liegen, sehen
wir sie dort oben als Riesen, sie sind die ersten Götter für uns.
Deshalb ist die Haltung, mit der sie auf uns herabsehen, so wichtig
– mit Liebe und Würdigung oder mit Verachtung und Kritik. Diese
Ursituation ist bei Schütze-Mond, speziell in Bezug auf die Mutter,
ein sehr wichtiges Motiv, auch um spätere Glaubens-und Sinnfragen
zu beleuchten.
Schütze-Mond-Kinder
eignen sich auch in der Familie zu Hoffnungsträgern – unsere
vorbildliche Tochter, unser vorbildlicher Sohn. Das Schicksal
solcher Vorzeigekinder kann bitter sein, sie können früh schon auf
eine Star-Rolle festgelegt werden, die ihnen keine Schattenseiten
mehr erlaubt. Dann können sie Gefangene dieser Rolle werden, und
wenn die Familie stolz auf sie ist, ist das zwar schmeichelhaft,
aber man darf sie dann eben auch nicht enttäuschen. Insofern kann
hier schon früh ein Kern entstehen für eine spätere Spaltung
zwischen der Persona – dem, was man der Welt zeigt -, und dem, was
hinter der Fassade ist, was man vorsichtshalber für sich behält, um
die Eltern, die Umwelt nicht zu enttäuschen. Solche Probleme
entstehen besonders häufig in Familien, in denen kein Schatten
erlaubt ist, in denen um jeden Preis die Maske gewahrt werden muss
oder wo eine einseitige Moral des guten Menschen herrscht. Hierher
gehören die Pfarrhaus-Neurosen, die Schicksale von
Prominentenkindern, von Adel, der verpflichtet. In solchen Fällen
ist es heilsam, wieder zu lernen, wie man ganz normal und
unvollkommen und damit authentisch ist. Die Versöhnung mit der
einfachen, niederen Seite des eigenen Wesens, mit der eigenen
Unvollkommenheit fällt oft schwer. Schütze-betonte Menschen sind
sehr empfänglich für Botschaften wie »Sei vollkommen, sei perfekt,
sei ein guter Sohn, eine gute Tochter«, überhaupt für das »Du
sollst«. Ob auf der Leistungsebene oder auf der moralischen Ebene,
zugelassen sind nur helle und lichte Gefühle, und alles, was dem
niederen Selbst angehört, ist primitiv, ein Niveau, auf das man
sich nicht hinablässt. Doch kein Mensch hält es aus, immer nur
»oben« zu bleiben, und je länger diese Einseitigkeit andauert,
desto sicherer wächst im Hintergrund ein Monster heran. Die ganze
abgespaltene, primitive, niedere Energie des Menschlichen, allzu
Menschlichen, staut sich an, wird immer mehr, doch irgendwann kommt
unweigerlich der große Zusammenbruch, und die mühsam
aufrechterhaltene Fassade stürzt mit einem Riesenkrach zusammen.
Deswegen ist es wichtig, diese Spaltung zu vermeiden und sich auch
dazu zu bekennen, dass man sich manchmal ängstlich, klein und
schwach fühlt. Dann kann man auf der einen Seite die
Begeisterungsfähigkeit genießen, die großen Momente des Lebens
auskosten, und zugleich authentisch und aufrichtig mit der
Dunkelheit der Gefühle, der Ängstlichkeit, der Verzweiflung
umgehen.
Bei
Schütze-Mond-Kindern spielen oft die Fragen nach Gut und Böse und
das Problem der Gerechtigkeit eine große Rolle. Wenn sie sich von
den Eltern ungerecht behandelt fühlen, können diese grundsätzlich
positiv eingestellten Kinder empört und entsetzt reagieren. Wenn
sie für etwas bestraft werden, was sie nicht getan haben, verstehen
sie die Welt nicht mehr. Aus solchen früh erfahrenen Kränkungen
kann zum Beispiel der Berufswunsch Rechtsanwalt entstehen, ein
typischer Schütze-Beruf.
Männer mit
Schütze-Mond haben die Bereitschaft, das Weibliche und damit die
Frauen zu achten und zu ehren. Ihr Frauenbild ist allerdings sehr
anspruchsvoll, sie neigen dazu, Frauen zu idealisieren, anzubeten.
Das hängt mit der Ehrfurcht vor der großen Göttin zusammen, sie
sehen die Priesterin in der Frau, und das kann sich positiv
auswirken, wenn diese Männer an Frauen geraten, die ihrer
Entwicklung, ihrer Pilgerfahrt dienlich sind oder auch ein Stück
Religiosität und Spiritualität in ihr Leben bringen. Diese
Erwartung kann allerdings auch dazu führen, dass Frauen dort, wo
sie einfach irdische Wesen sind, nicht ertragen werden. Wenn eine
Frau dann nach Knoblauch riecht oder auf der Straße raucht, ist das
womöglich mit dem Bild der Himmelskönigin nicht vereinbar. Eine
Frau, die mit einem Schütze-Mond-Mann zusammen ist, hat oft das
Gefühl, verehrt zu werden, aber nicht wirklich gemeint zu sein. Ich
kenne Frauen, die ihrem Mann verzweifelt zu verstehen geben: »Ich
möchte eine ganz normale irdische, sinnliche Frau sein, ich bin
keine Göttin!« Die Bereitschaft, die Göttin in der Frau zu sehen,
bringt der Schütze-Mond aber nun einmal mit, und im positiven Sinne
ist das die Achtung vor der Würde des Weiblichen, vor der Frau als
stolzer Amazone; die Gefahr dabei ist, dass die Hexenschwester, die
dunkle Seite des Weiblichen mit ihrer Pferdeleib-und Unterleibseite
verleugnet wird. Das ist die klassische Spaltung in Madonna und
Hure. Im Extremfall kann das so weit führen, dass diese Männer die
Frauen, die sie verehren, nicht sexuell attraktiv finden und die
Frauen, mit denen sie schlafen, verachten.